Editorial

Prinzip und Praxis

| 22. Februar 2024
@midjourney

Liebe Leserinnen und Leser,

willkommen in einer neuen Woche. Wir alle wissen: Was im Prinzip richtig sein mag, kann in der Praxis falsch sein. Das betrifft die Energiepolitik der Bundesregierung, der von verschiedenen Seiten vorgeworfen wird, undurchdacht, falsch oder unzureichend zu sein. Es betrifft das Lieferkettengesetz in Deutschland und der EU, das nun in Brüssel zum Streitthema geworden ist und die Frage aufwirft, wie viel Bürokratie die Wirtschaft verträgt angesichts der ohnehin schon lahmenden Konjunktur. Es betrifft die Schuldenbremse, die so vernünftig klingt, aber de facto in ihrem ökonomischen Unsinn tagtäglich ad absurdum geführt wird. Es betrifft die starre westliche Haltung im Ukraine-Krieg, die trotz einer immer schwierigeren Lage der ukrainischen Streitkräfte nichts von Verhandlungen wissen will. Und auch die auf den ersten Blick einleuchtende Gleichung Fachkräftemangel = mehr Arbeitsmigration geht auf den zweiten Blick nicht ganz auf. In allen Fällen gilt: Auch hehre Prinzipien müssen sich an realen Begebenheiten messen lassen ‒ ansonsten droht Realitätsverlust.

Diese und weitere Themen finden Sie in unserer neuen Ausgabe:

  • Energiepolitisches Wunschdenken So groß die klimapolitischen Herausforderungen sind, so undurchdacht und unzureichend sind die politischen Maßnahmen. Wir müssen ehrlich über die Verteilung der sozioökonomischen Lasten reden. Heinz-J. Bontrup und Markus J. Löffler
  • Lieferketten: Das Klopapier wird nicht erfasst Die Lieferketten-Richtlinie der EU ist besser als ihr Ruf. Im Vergleich zum deutschen Gesetz wird Bürokratie vermieden. Doch die Wirtschaft fürchtet einen Kaskadeneffekt ‒ und der Streit zwischen Grünen und FDP vergiftet die Debatte. Eric Bonse
  • "Ohne Sozialstaat funktionieren moderne Gesellschaften nicht" Staatliche Sozialpolitik ist marktwirtschaftlichen Alternativen überlegen, schreibt der Gesundheitsökonom Hartmut Reiners. In seinem Buch „Die ökonomische Vernunft der Solidarität“ argumentiert er dafür, das öffentliche Sozialwesen wieder zu stärken. Doch der Weg ist steinig. Malte Kornfeld
  • Vom Unterschied zwischen Wollen und Können Zwei Jahre nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine ist die mit hohen Erwartungen verbundene Offensive Kiews nicht nur gescheitert, sondern das russische Militär ist in der Offensive. Spektakuläres Beispiel ist die Einnahme der Festung Awdijiwka. Über die Ursachen von Illusionen im Westen. Peter Wahl
  • „Fachkräftemangel“ durch Ausbildungsmangel Der „Fachkräftemangel“ scheint wie ein Naturereignis über Deutschland gekommen zu sein. Die angebliche Lösung: Fachkräfteeinwanderung. Doch das Problem ist systembedingt. Kay Beiderwieden
  • Updates zur Konjunktur – 2 Laut einer Umfrage ist das Risiko einer Rezession in Deutschland im internationalen Vergleich besonders hoch. Nur die Ukraine und Liechtenstein schneiden in Europa noch schlechter ab. Die Redaktion
  • AHV: Die Schweiz könnte sich den Ausbau locker leisten Einst sollte die AHV allen den Lebensabend sichern. Heute reicht die AHV-Maximalrente kaum für Miete und Krankenkassenprämien. Dennoch steht die staatliche Alterversicherung unter Beschuss. Das zeigt, wie kalt das soziale Klima in der Schweiz geworden ist. Werner Vontobel
  • Schuldenbremse: Abschaffen, nicht reformieren! Reformbefürworter der Schuldenbremse fordern häufig, öffentliche Investitionen von der Schuldenregel auszunehmen. Doch das reicht nicht. Günther Grunert