Editorial

Was braucht Deutschland?

| 20. Februar 2025
Andreas kretschmer / Unsplash

Lieber Leserinnen und Leser,

CDU/CSU, SPD, die Grünen, die Linken, das BSW, FDP und AfD – noch nie gab es so viele Parteien mit Chancen, die Fünf-Prozent-Hürde bei der Bundestagswahl zu knacken. Und vielleicht stand noch nie so viel auf dem Spiel. Politiker und Parteien unterschiedlichster Couleur Aussichten, die deutsche Politik national und international mitzugestalten. Der Burgfrieden und die trügerische Stabilität der Merkel-Ära sind endgültig vorbei.

Heute scheinen die Gräben, die die Sitzbänke der Abgeordneten im Bundestag trennen, unüberwindbar – man denke nur an die Migrationspolitik oder die Haltung zur Schuldenbremse. Doch oft sind es Feinheiten, die das Spezifische der Parteien ausmachen. So fordern sowohl die SPD als auch das BSW eine Mindestlohnerhöhung, das BSW allerdings unverzüglich und die SPD spätestens ab 2026.

Um den Überblick zu behalten, liegt der Schwerpunkt dieser Ausgabe ganz auf den Wahlprogrammen der relevanten Parteien. Und diesmal treffen (mittel-)alt und jung aufeinander: Nicht nur die altbekannten Gesichter Heinrich Röder (MAKROSKOP-Geschäftsführer) und Sebastian Müller (Redaktionsleitung) schreiben über den „Outlaw“ BSW beziehungsweise das „progressive“ Volt. Vor allem hat sich MAKROSKOP diese Woche Studentinnen und Studenten vorranging aus den den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften mit ins Boot geholt. Sie analysieren für uns die Wahlprogramme von CDU, SPD, Grüne, FDP und Linkspartei auf Widersprüche und Ungereimtheiten.

Haben alte Rezepte wie Exportismus und Sparpolitik das Zeug, Deutschland aus der Wirtschaftskrise zu holen (Nikita Hollmann)? Reichen die steuerpolitischen Vorschläge der SPD aus, um die Ungleichheit im Land effektiv zu bekämpfen (Michael Pfundstein)? Was kann die „transformative Angebotspolitik“ der Grünen bringen, wenn sie doch nachfrageseitige Leerstellen hat (Jannik Strobl und Klaus Diekmann)? Was kann Die Linke in der Gesundheitspolitik schaffen, wenn sie doch nicht-mehrheitsfähig ist (Max Gerber)? Und kann die von der FDP beschworene unsichtbare Hand des Marktes auch ökologische Politik (Alina Steinbrenner)?

Braucht Deutschland mehr linke oder rechte Politik – oder ist das längst die falsche Frage?

Alle Artikel und Themen dieser Ausgabe:

  • MSC 2025: Pointen der Ignoranz Die EU verkennt auf der Münchner Sicherheitskonferenz der Dramatik neue Qualität: Die USA haben Europa eiskalt fallengelassen und schauen ihrem wirtschaftlichen Niedergang von der Tribüne aus zu. Heribert Karch
  • JD Vances Rede: Neues Paradigma oder neue Hegemonie? Die Rede von JD Vance auf der Münchner Sicherheitskonferenz sei voller Widersprüche, weil die Vereinigten Staaten an vielen der von ihm verurteilten Maßnahmen aktiv beteiligt waren, schreibt Thomas Fazi. Der US-Vizepräsident antwortete ihm. Thomas Fazi
  • Brauchen wir militärische Mehrausgaben? Die deutsche sicherheitspolitische Debatte ist derzeit ein Überbietungswettbewerb: auf wie viel Prozent des BIP die Verteidigungsausgaben erhöht werden sollen. Die Vorschläge reichen von drei bis fünf Prozent und mehr. Aber ist dies wirklich notwendig und sinnvoll? Und was wären die wirtschaftlichen Folgen? Günther Grunert
  • CDU: Mit Exportismus und Sparpolitik aus der Krise? Mit Resilienz, De-Risking und Wettbewerbsfähigkeit will die CDU Deutschland aus der Wirtschaftskrise führen. Doch sie übersieht, dass das gesamte deutsche Wachstumsmodell in einer Krise steckt. Nikita Hollmann
  • SPD: Verringern ihre Steuervorschläge die Ungleichheit? Die SPD plädiert in ihrem Wahlprogramm für eine Vermögenssteuer. Die Ungleichheit adressiert sie als eine Ursache der Krise liberaler Demokratien. Doch sind die Vorschläge ausreichend? Michael Pfundstein
  • Braucht Deutschland das BSW? Der einzige Outlaw im Lande ist das BSW: Eine Partei, die mit ihren Positionen überfordert, die sich nicht in ein simples Rechts-links-Schema einordnen lassen. Aber vielleicht braucht es genau das. Heinrich Röder
  • Die Grünen: Zusammen wachsen? Die Grünen setzen auf eine „transformative Angebotspolitik“: ordnungspolitische Maßnahmen sollen mit langfristigen Investitionen des Staates verbunden werden. Doch dadurch geraten nachfrageseitige Faktoren der Krise aus dem Blick. Jannik Strobl und Klaus Diekmann
  • Die Linke: Pflege als Jobmotor?000 Fachkräfte fehlen dem deutschen Arbeitsmarkt – Tendenz steigend. Die Auswirkungen sind in Krankenhäusern, Pflegeheimen und ambulanten Diensten längst spürbar: überlastetes Personal, überfüllte Stationen, verlängerte Wartezeiten und eine stetig sinkende Versorgungsqualität. Max Gerber
  • FDP: Klimaschutz durch Marktmechanismen? Die FDP sieht sich mit dem Dilemma der marktwirtschaftlichen Transformation konfrontiert. Regelt die unsichtbare Hand des Marktes die Klimarettung? Alina Steinbrenner
  • Volt: Partei, die Gutes will und Böses schafft? Mehr Ausbau hier, mehr Investitionen dort: Das Wahlprogramm von Volt ist von gut gemeinten Absichtserklärungen durchzogen, die aber weder durchdacht noch finanzierbar sind. Sebastian Müller
  • Wie die Parteien die Wohnungskrise lösen wollen Bis 2030 braucht Deutschland zwei Millionen Sozialwohnungen mehr, so eine Studie. Wie reagieren die Parteien? Über das Ende des Sozialen Wohnungsbaus, die Entfesselung der Marktkräfte und die Zurückdrängung renditeorientierter Unternehmen. Enrico Floris
  • Wie die Parteien die Pflegekrise bewältigen wollen Pflege spielt im Wahlkampf keine Rolle. Dabei wissen alle Parteien, dass die Pflegeversicherung unterfinanziert und reformbedürftig ist. In ihren Programmen versprechen sie Altbekanntes. Und eine Partei fordert Veränderungen, die sie noch vor Kurzem selbst abgelehnt hat. Carina Frey