Europa im Zangengriff
Liebe Leserinnen und Leser,
seit München überschlagen sich die Ereignisse, und plötzlich steckt Europa gefühlt im Zweifrontenkrieg. Tatsächlich könnte die Lage schlimmer kaum sein: Im Osten gerät die Ukraine immer mehr unter Druck. Nicht nur militärisch, sondern jetzt – durch die Kehrtwende der USA – auch politisch. US-Präsident Donald Trump will einen Friedensdeal – doch zu welchem Preis? Die EU ist vor dem Kopf gestoßen, im Westen fällt der langjährige atlantische Bündnispartner weg – plötzlich weiß Brüssel nicht mehr, wer länger Freund und wer Feind ist. Auch Kommissionschefin Ursula von der Leyen kann oder will nicht sagen, ob sie Trump noch als Alliierten oder schon als Gegner betrachtet.
Was nun? Statt in Panik zu verfallen und einen verlorenen Krieg in der Ukraine mit mehr Rüstungshilfe und ohne klaren Plan zu verlängern, bräuchte das alte Europa eine neue Vision für ihre Zukunft. Doch die existiert weder in Brüssel noch in Berlin. Für den desorientierten Kontinent, der zum Spielball der Großmächte zu werden droht, denken dafür andere – etwa Jeffrey Sachs oder der singapurische Diplomat Kishore Mahbubani. Letzterer fordert Europa dazu auf, das Undenkbare zu denken, will heißen: in neuen Bündnissen. Das Ende der transatlantischen Partnerschaft, die viele in der Rede von JD Vance auf der Münchner Sicherheitskonferenz sehen, es sei auch eine Chance auf Souveränität.
Vorerst aber wird nicht Undenkbares gedacht, sondern nur in alten Denkmustern. Dass Europa in der jetzigen Lage ist, hat sie sich indes in großen Teilen selbst zuzuschreiben. Nun will man die gescheiterte Ukraine-Politik auch ohne die USA fortsetzen – darum das merzsche „whatever it takes“ und Milliarden für die Verteidigungsfähigkeit. Doch wieder stellt sich die Frage: für oder gegen wen und zu welchem Preis? Die EU ist im Panikmodus ohne Plan – geschweige denn mit einer eigenen Vision.
Alle Artikel und Themen dieser Ausgabe:
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- Gibt es eine Wirtschaftskrise in China? Chinas Aufstieg liegt ein wirtschaftlicher Transformationsprozess zugrunde. Doch der folgte keinem Masterplan, sondern war eine „Mosaikevolution“ mit Suchprozessen und Experimenten. Rainer Land
- Die Russland-Sanktionen als Teil der Weltgeschichte Sanktionen gegen große und diversifizierte Volkswirtschaften sind letztendlich zum Scheitern verurteilt. Das zeigt der historische Rückblick von Hannes Hofbauer. Vasily Astrov
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