Trumps DOGE ist komplexer, als es scheint
Die laute Kritik an Trumps Department of Government Efficiency (DOGE) ignoriert, worum es der Behörde wirklich geht.
Die Kommentare von Meinungsführern zu Elon Musks Department of Government Efficiency (DOGE) zeigen, wie schwer sich vor allem linke Intellektuelle damit tun, eine unvoreingenommene Analyse des trumpschen Regierungshandelns vorzunehmen.
Doch von vorne: Die von Donald Trump am 20. Januar 2025 per Executive Order gegründete DOGE (deutsch: Abteilung für Regierungseffizienz) ist eine Organisation der US-Administration. Sie soll nach offizieller Verlautbarung „die Regierungseffizienz und -produktivität erhöhen“ sowie staatliche IT-Systeme modernisieren. Was für Trump in seiner typisch überdimensionierten Rhetorik „möglicherweise das Manhattan-Projekt unserer Zeit“ ist, steht in der US-Gesichte keineswegs ohne Vorbild da. Auch andere Präsidenten wie Reagan, Clinton oder Obama setzten Kommissionen ein, um den Staat effizienter und kostensparender zu machen.
Auf den ersten Blick scheint die Idee von DOGE also nichts Revolutionäres zu sein. Bis zum 250. Jahrestag der Unabhängigkeitserklärung, dem 4. Juli 2026, sollen über 500 Milliarden Dollar an jährlichen Ausgaben eingespart werden.
Dass der libertäre Tech-Gigant Musk das öffentliche Gesicht der Abteilung ist, führt jedoch zu einigen Fehleinschätzungen. Entgegen der gängigen Darstellung liegt die Autorität über DOGE nicht bei Musk, sondern bei Russell Vought, dem Direktor des White House Office of Management and Budget. In den Medien wird Vought zu Recht als radikaler Gegner des Deep State bezeichnet. Gleichwohl wird übersehen, dass Vought auch ein Verbündeter von Steve Bannon ist – Musks Nemesis in Trumpland. Und Bannon äußerte sich am 18. Februar gegenüber UnHerd gänzlich ungeniert über Musk:
„Wir können nicht zulassen, dass diese Tech-Vandalen wahllos von einer Kerninstitution zur nächsten springen und diese mit Graffiti-Spray bemüllen, ohne die Absicht, es jemals wieder zu beseitigen“.
Mit anderen Worten: Bannon und Vought koordinieren sich, um Musk zu kontrollieren. So warnte Bannon etwa davor, über DOGE das Gesundheitsfürsorgeprogramm Medicaid anzurühren. Statt den Armen zu schaden, solle Musk „den Potomac überqueren“ und den Militärisch-Industriellen Komplex entgegentreten. Ähnlich äußerte sich der Wirtschaftswissenschaftler Jeffrey Sachs in einem Interview mit Tucker Carlson:
[Wir haben] „ein großes Haushaltsdefizit. Riesig. Bei allem Respekt vor Elon, das Haushaltsdefizit hat sehr wenig mit der Größe des öffentlichen Dienstes zu tun. Die Ausgaben stammen von 700 Militärbasen in Übersee, Kriegen, massiven Ausgaben für Renten, Gesundheitsversorgung und Zinszahlungen für die Schulden.“
Es geht nicht um die Staatsschulden
Wie Sachs schon andeutete, ist es eine lächerliche Vorstellung, dass Kürzungen um ein paar hundert Milliarden Dollar dazu beitragen würde, die Staatsverschuldung von insgesamt 36,22 Billionen Dollar zu reduzieren. Trump beabsichtigt, die Verschuldung durch externe Einnahmen (Zölle), die Umverteilung von Kapital von Spekulationen zu produktiven Investitionen, steigende Löhne und Konsum, eine gesündere Bevölkerung sowie erhebliche Kürzungen bei den Verteidigungsausgaben zu reduzieren.
Anders als Musk propagiert, liegt die Gefahr nicht im Staatsbankrott oder der Inflation. Vor den US-Wahlen räumte Trump in einem Gespräch mit dem Podcaster Joe Rogan zu Recht ein, dass die Staatsverschuldung am nationalen Vermögen und nicht am BIP gemessen werden müsse und dass es daher absurd sei, von einem Bankrott zu sprechen.
Sorgen macht Trump vielmehr die Entdollarisierung. Sollte sie sich beschleunigen, könnte sie den Welthandel beeinträchtigen und eine schwere Liquiditätsknappheit auslösen. Finanzminister Scott Bessent und der frühere Investmentbanker Bannon glauben, dass die USA irgendwann Gespräche über ein neues Währungssystem initiieren müssen, um den Dollar als Weltreservewährung abzulösen. Eine unregulierte Implosion sei jedoch eine ganz andere Sache und müsse verhindert werden.
Angriff auf den Deep State?
Wenn es bei DOGE aber nicht um die Reduzierung der Staatsverschuldung geht, worum dann? Auf den zweiten Blick ist DOGE doch weit mehr als das bloße verwaltungstechnische Ziel, Kosten zu sparen, und auch kein Programm des neoliberalen Kahlschlags, wie linke Kommentatoren meinen.
Die Suche nach dem Kern von DOGE führt zurück zur Personalie Russell Vought. An ihr wird deutlich, dass das Department ein Instrument gegen den sogenannten „Tiefen Staat“ ist, den die MAGA-Fraktion der Republikaner als Gegner ausgemacht hat. Der Angriff auf den Verwaltungsstaat dürfe nicht mit „Reaganismus“ verwechselt werden, betont auch Bannon immer wieder. Ähnlich äußert sich der Kommunikationsberater und Bannon-Verbündete Michael Anton, der heute Leiter des politischen Planungsstabs im Außenministerium ist: „Limited government“ sei nicht gleichbedeutend mit „‚small‘ government“.
Soll heißen: Das Ziel bestehe nicht darin, soziale Dienste zu zerstören, sondern vielmehr eine Bürokratie zu demontieren, die darauf eingearbeitet sei, eine arbeitnehmer- und friedensfeindliche Politik zu unterstützen (beispielsweise ist der Nationale Sicherheitsrat in den letzten dreißig Jahren von 40 auf 400 Mitarbeiter angewachsen).
Solche Aussagen sind insofern bemerkenswert, als in den USA und darüber hinaus „die gesamte Literatur über den Schattenstaat während des größten Teils ihrer Existenz fast ausschließlich eine Domäne der radikalen Linken“ war, wie der Investigativ-Journalist Christian Parenti schreibt. „Doch mit dem politischen Aufstieg von Donald Trump begann sich dies zu ändern.“ Trumps Versäumnis, seine MAGA-Politik während seiner ersten Amtszeit umzusetzen, wurde zum Teil auf eine, wie Vought es nennt, „unglaublich widerstandsfähige“ Bürokratie zurückgeführt, die „im Wesentlichen die Autorität übernommen hat“. Ob Ukraine, Covid, Zölle oder Einwanderung – MAGA-Intellektuelle und -Politiker haben sich in Stellung gebracht, um zu beweisen, dass ein „vierter Arm des Verwaltungsstaates“ den Präsidenten ausgebremst habe.
Trump und seine Verbündete sind überzeugt, dass Generäle und föderale Beamte sich eher der alten parteiübergreifenden Bush-Obama-Linie verpflichtet fühlen als der gewählten Regierung. Daher ihr Angriff auf die Bundesverwaltung, der zusammen mit DOGE durch eine Reihe von Durchführungsverordnungen vorangetrieben wird. Er ziele darauf ab, die vermeintlich verfassungswidrige Missachtung von Weisungen des Präsidenten und des aus einer republikanischen Mehrheit bestehenden Kongresses zu unterbinden. In diesem Sinne deutete Bannon den wahren Zweck von DOGE an:
„Wenn DOGE nur performativ wäre – was es nicht ist – aber nehmen wir an, es wäre performativ: Dann wäre es wert, nur um die Reaktion des Verwaltungsstaates zu sehen, und um Ihnen zu zeigen, wie schwer es sein wird, diesen zu Fall zu bringen.“
Dennoch ist Trump auch von dem Bestreben nach Dezentralisierung getrieben. Beseelt von Kevin Roberts, dem Präsidenten der Heritage Foundation, die sich von einem republikanischen Institut alter Schule zu einer MAGA-Institution gewandelt hat: „der Deep State glaubt nicht, dass die Amerikaner in der Lage sind, sich selbst zu regieren, und hat ausgefeilte Pläne, um aus einer Nation von Cowboys eine Nation von Rindern zu machen.“
Trumps Versprechen, den Bundesstaaten die Möglichkeit zu geben, die Abtreibungspolitik selbst zu bestimmen, war nur ein erster Vorbote. Als Reaktion auf den Misserfolg der Federal Emergency Management Agency (FEMA) beim Hilfseinsatz nach dem Hurrikan Helene in North Carolina und den Waldbränden in Kalifornien erklärte der Präsident seine Absicht, erhebliche FEMA-Mittel an die Bundesstaaten umzuleiten. Später sagte er, dass die Verkleinerung des Bildungsministeriums darauf abziele, die Bundesstaaten zu stärken, und nicht nur darauf, die Ausgaben zu senken.
Der einzige Weg, Musk loszuwerden?
Eine andere Interpretation ist, dass DOGE Trump auch dazu dient, Musk mit minimalem Schaden loszuwerden.
Als Musk seinen Wahlkampf mit 270 Millionen Dollar unterstützte, war Trump gegenüber Kamala Harris in einer nachteiligen Position. Diese missliche Lage resultierte aus den enormen Mitteln, die in die Kampagne seiner Kontrahentin flossen, sowie der gegen ihn gerichteten Prozesse, die Trump finanziell zusetzten.
William Kristol, der als Stabschef von George H. W. Bushs Vizepräsident Dan Quayle fungierte, ist eine der führenden neokonservativen Persönlichkeiten und ein überzeugter Trump-Gegner. Anfang Februar veröffentlichte der 72-jährige Autor in „The Bulwark“ ein erfundenes Telefongespräch zwischen Trump und Bannon, das ihm von der National Security Agency zugespielt worden sei.
In dem Teil des satirischen Transkripts, der Musk betrifft, werden dem Präsident folgende Worte in den Mund gelegt: „Steve. Ich möchte, dass du herausfindest, wie ich Elon loswerden kann. Er hat Geld. Er hat Twitter. Er hat all diese verrückten Freunde aus dem Silicon Valley. Das ist eine knifflige Angelegenheit.“ Als Antwort darauf liest Bannon ihm einen Auszug aus Kapitel VII von Machiavellis „Der Fürst“ vor, in dem beschrieben wird, wie der Herzog von Mailand die Empörung seines Untertanen über seinen mächtigen Spezialagenten Ramiro geduldig auf die Spitze treiben ließ und ihn dann „eines Morgens in zwei Teile zerlegt auf der Piazza von Cesena platzieren ließ“.
Diese erfundene Geschichte hat indes einen ernsten Hintergrund. Sie dient Kristol als Anspielung auf das, was er als Insider, der Vertraute in der Verwaltung hat, gehört haben will: nämlich, dass das eigentliche Ziel von Trump und Bannon bei der Gründung von DOGE darin bestand, Musk vorerst ein Spielzeug zu gewähren, um ihn dann – seine sinkende Beliebtheit vor Augen – mithilfe des zunehmenden externen Drucks aus dem Weg zu räumen.
Und tatsächlich ist die Unterstützung der Republikaner für den Eigentümer von Tesla stark zurückgegangen. Laut Umfragen von Economist/YouGov wünschten sich nach den Wahlen 47 Prozent der Republikaner, dass er „viel“ Einfluss hat. Vor zwei Wochen teilten nur noch 26 Prozent diese Ansicht. In einem Interview mit der Zeit bekräftigte der Trump-Biograf Michael Wolff die Interpretation von Kristol:
„[Trump] muss also zuerst klarstellen, dass Musk ihm Folge leistet, obwohl das im Moment wahrscheinlich nicht mehr ganz stimmt. Er muss ihn zuerst dominieren, um dann auf einen Grund zu warten, ihn fallen zu lassen. Wenn irgendetwas schiefläuft, ist Musk natürlich die perfekte Person, um die Schuld auf ihn abzuwälzen. Dazu wird es ohne Zweifel irgendwann kommen.“
Dazu passt, dass Trump unabhängige Generalinspekteure der Bundesverwaltung entließ, die verschwenderische Ausgaben der Behörden unterbinden sollen – eigentlich das erklärte Ziel von DOGE. Ebenso, dass er Musk offenbar dazu ermutige, Maßnahmen zu ergreifen, die bei seinen eigenen Wählern Unmut hervorrufen, wie die Entlassung von 4.000 Mitarbeitern des National Park Service.
Und warum setzt Trump für DOGE das unrealistische Ziel, die Staatsverschuldung deutlich zu reduzieren, und kritisiert dann Musk dafür, dass er nicht aggressiv genug vorgehe? Ganz nach diesem Drehbuch legte Bannon am 18. Februar nach: „Wir sind 30 Tage davon entfernt, einen Haushalt für das gesamte Jahr zu verabschieden, in dem bereits ein Defizit von 2 Billionen US-Dollar eingeplant ist, und nicht ein Cent von dem hat DOGE gefunden. Das ist lächerlich.“
Der zunehmende Druck hat den Tech-Milliardär dazu getrieben, aufgeblähte Einsparungszahlen durch DOGE zu präsentieren, unpopuläre Maßnahmen durchzuführen und „planlos“ Ausgaben zu kürzen, „ohne überhaupt zu wissen, worum es geht“, wie der Ökonom Oren Cass, ein Vertrauter von JD Vance, argumentiert. Laut Cass „scheint es unwahrscheinlich, dass Trump DOGE über den Punkt hinaus gewähren lässt, an dem er keinen Nutzen mehr für sich sieht. Musk hat kein solches Urteilsvermögen gezeigt. Was wahrscheinlich ein Ablaufdatum für seine Zeit in der Gunst des Präsidenten bedeutet.“
Mit anderen Worten: Unter der Aufsicht von Trump, Vought und Bannon scheint DOGE weder ein Instrument für eine neoliberale Bevorteilung der Reichen noch ein Mechanismus zum Reduzieren der Staatsschulden zu sein. Ob es darum geht, den Deep State zu zerschlagen, sich von Musks Griff zu befreien oder eine Mischung aus beidem, wird sich im Laufe der Zeit zeigen. Bis dahin werden Musk und seine „techno-libertären“ Freunde zweifellos einige ihrer Pläne umsetzen, um sich größere Profite und mehr Marktmacht zu sichern.