Die Demokraten laufen davon – und Trump bleibt
Nicht Trumps Charisma hält die Republikaner oben, sondern die Schwäche der Demokraten. Sie verlieren Wähler – und bald womöglich noch viel mehr.
Der erste Wahlsieg Donald Trumps 2016 schockierte die Demokraten so tief, dass sie zu den absurdesten Erklärungsversuchen griffen. Allen voran war da: der Russe war’s. Bei einer Umfrage aus dem Jahr 2018 gaben zwei Drittel aller demokratischen Wähler an, sie glaubten “Russland hat an der Stimmenauszählung herumgepfuscht, um Donald Trump zum Präsidenten zu wählen”. Heute wissen wir, dass es selbst für die nicht weniger sensationellen Behauptungen – russische Hacker veröffentlichten die internen Emails der Partei, Donald Trumps Kampagne stimmte sich mit russischen Behörden ab – keine Beweise gab und diese eher ein Produkt der scheidenden Obama-Regierung waren.
Nach der letzten Wahl im vergangenen November waren die Interpretationen zum Glück weniger irre. Die Demokraten waren zunächst einmal in Schockstarre, zutiefst deprimiert, zynisch, gerieten sich gar öffentlich in die Haare, anstatt Einigkeit im Widerstandschic 2.0 zu suchen. Sodass sie sich am Ende selbst die Schuld gaben, bzw. dem Führungspersonal ihrer Partei: allen voran dem greisen Joe Biden, weil er nicht abtreten, oder Kamala Harris, weil sie nicht bei Joe Rogan zum Podcast-Interview antreten wollte und insgesamt eine wahnwitzig schlechte Figur abgab.
Unpopulär – und doch Sieger
Mit anderen Worten, Donald Trump wurde am Ende nicht erneut Präsident, weil die Wähler für ihn gestimmt hätten, als vielmehr gegen die Demokraten. Das ist ein weithin akzeptiertes Erklärungsmuster, auch im deutschsprachigen Raum.
Das mag naheliegend sein, ganz so einfach ist es aber nicht. Naheliegend, weil Trump laut seiner persönlichen Beliebtheitswerte der vielleicht unpopulärste Kandidat der Geschichte war, der nichtsdestoweniger triumphierte. Und naheliegend auch, weil die Demokraten in den vergangenen Jahrzehnten zur Partei der politischen, medialen und akademischen Eliten geworden sind. Und die Ansichten dieser Eliten bei den großen Themen unserer Zeit – der Wirtschaft, Massenmigration, Außen- und Genderpolitik – sind den Wünschen der breiten Wählerschaft oft diametral entgegengesetzt.
Trotzdem ist es gut vorstellbar, dass ein “normalerer” Kandidat als Donald Trump die Wahl für die Republikaner verloren hätte. 2012 war die unverdiente Schwärmerei der Amerikaner für Barack Obama schon längst verflogen und die Republikaner entsandten mit Mitt Romney und Paul Ryan zwei in Washington, D.C. hoch respektierte Establishment-Figuren ins Rennen. Und als sie dann doch verloren, führte das schließlich zur berüchtigten “Autopsie” der Republikaner aus dem Jahr 2013: Danach wäre die Botschaft der Partei nicht “inklusiv” genug gegenüber Frauen, Homosexuellen und Latinos. Als Ratschlag schlug die parteiinterne Kommission zum Beispiel eine Liberalisierung des Einwanderungsrechts vor. Damit wären die Republikaner den Weg von Angela Merkels Christdemokraten oder der Tories in England gegangen und hätten vor der sozial-progressiven Diskurshegemonie einfach kapituliert.
Und dann fuhr Donald Trump seine goldene Rolltreppe hinab und warf die Autopsie einfach über den Haufen. Statt dem Willen der Arbeitgeber nachzugeben und die Außengrenzen für Migration nur noch weiter aufzureißen, versprach Trump das krasse Gegenteil. Da wusste er umgehend die Mehrheit der Amerikaner auf seiner Seite. Die interventionistische Außenpolitik der Bush-Dynastie warf Trump dem designierten Thronfolger Jeb Bush bei den TV-Debatten um die Ohren – Clips, die bis heute noch großes Unterhaltungskino bieten.
Selbstverständlich gibt es da die dazwischenliegenden zehn Jahre zu analysieren und zu fragen, ob Trump der populistischen Rhetorik gerecht wurde. Erst im Juni dieses Jahres ließ der vermeintliche Antiinterventionist die Herzen der Neokonservativen höher schlagen und bombardierte den Iran, ein Echo seiner Luftschläge gegen Syrien 2017. Und die Fortsetzung seiner Steuersenkungspolitik im “One Big Beautiful Bill” hätte aus der Feder Romneys und Ryans stammen können.
Unter anderem darum sind Trumps Zustimmungswerte, nach ihren kurzzeitigen Rekordwerten im Frühling, auch schon wieder eingebrochen.
Was das für die Demokraten bedeutet? Nichts automatisch Gutes. Zumal Trump in den Umfragen im Vergleich zu seinen Vorgängern gar nicht so schlecht dasteht. Er ist weniger unpopulär als George W. Bush und Barack Obama zu diesem Zeitpunkt ihrer zweiten Amtszeiten.
Zustimmungswerte? Egal!
Doch persönliche Zustimmungswerte waren nie das Entscheidende, um Trumps politischen Erfolg zu verstehen. Er gewinnt, auch wenn viele Wähler ihn menschlich eher unangenehm finden. Sehr weit bringt einen das Beharren auf den nächsten und wieder nächsten Eklat um Trump nicht. Als gewiefter Showman wechselt Trump einfach wieder das Thema und bestimmt den Diskurs. Seine Gegner dies- und jenseits des Atlantiks echauffieren sich noch effektheischend über den letzten Ausspruch Trumps, da ist er schon wieder woanders und gibt die Vorlagen für die nächsten Social Media-Memes, an denen Jugendliche (und insgeheim auch viele ältere) einen großen Spaß haben.
Und wenn Trump tatsächlich so ein politischer Klotz am Bein der Republikaner wäre, dann wäre er nicht der beste Garant für ihre Wahlerfolge. Denn: Wenn der Name Donald Trump auf dem Wahlzettel steht, gewinnen republikanische Kandidaten für den Kongress und die Abgeordnetenhäuser der Bundesstaaten Sitze dazu (im amerikanischen Sprachgebrauch nennt man das down ballot, also weiter unten auf dem Stimmzettel, den man sich mit Kandidaten für gleichzeitig stattfindende Wahlen teilt). Wenn sein Name fehlt, wie bei den Zwischenwahlen zum Kongress 2018, verlieren die Republikaner Sitze oder, wie 2022, bleiben sie hinter den Erwartungen zurück.
2024 gewann Trump bei allen zentralen Wählergruppen dazu, auch bei Schwarzen, Jungwählern und Latinos. Und wenn er 2028 zum ersten Mal seit zwölf Jahren nicht wieder als Kandidat für die Präsidentschaft aufgelistet wird, wird das dann die Latinos wieder vermehrt ins demokratische Lager treiben? Michael Baharaeen vom Blog The Liberal Patriot merkte kürzlich an: “Wenn Trumps Präsenz dafür sorgt, dass eine bestimmte Zahl hispanischer Wähler nicht nur in Texas, sondern auch andernorts mobilisiert wird, könnte dies den Republikanern in einer Zeit nach Trump Probleme bereiten”.
Aderlass der Demokraten
Gewiss, wäre da nicht ein weiteres Warnsignal für die Demokraten. Wie eine ausführliche Analyse der New York Times von Ende August ergab, leiden die Demokraten an akutem “Mitglieder”schwund. Mitglieder in Anführungsstrichen, denn die US-Parteien haben keine formalen Mitgliedschaften wie die europäischen. Stattdessen registrieren sich die Wähler in von vielen US-Bundesstaaten geführten Wählerverzeichnissen als entweder demokratisch, republikanisch oder “unabhängig”. In manchen Staaten bestimmt das, an welchen Vorwahlen sie teilnehmen dürfen.
So schreibt die Times:
Zum ersten Mal seit 2018 entschieden sich im vergangenen Jahr landesweit mehr neue Wähler dafür, Republikaner zu werden als Demokraten.
Insgesamt verloren die Demokraten zwischen den Wahlen 2020 und 2024 in den 30 Bundesstaaten sowie in Washington, D.C., in denen man sich bei einer politischen Partei registrieren kann, rund 2,1 Millionen registrierte Wähler. (In den übrigen 20 Bundesstaaten registrieren sich die Wähler nicht bei einer Partei.) Die Republikaner gewannen 2,4 Millionen hinzu.
Die Times zitiert den Datenanalysten Michael Pruser, der sagte, es scheine beim Aderlass der Demokraten “kein Ende in Sicht zu sein”. Denn auch die ersten Daten, die über das Jahr 2025 zur Verfügung stehen, deuten auf einen Mitgliederverlust der Demokraten bei gleichzeitigem Zugewinn der Republikaner hin. “Für die Demokraten wird es noch schlimmer werden, bevor es besser wird”, resümierte Pruser.
Thronfolger in den Startlöchern
In Hinblick auf die nächsten Präsidentschaftswahlen 2028 könnte das für die Demokraten ein weiteres Blutbad in Aussicht stellen. Denn mit J.D. Vance und Marco Rubio sitzen bereits zwei offensichtliche Thronfolger in den Startlöchern, die Trumps persönliche Makel nicht teilen, dafür aber als kohärente Vertreter einer republikanischen Hinwendung zu Arbeitnehmerinteressen gelten.
Die Trump-Revolution wird nämlich nur dann vollständig, wenn sie das Individuum Donald Trump überdauert und auch zu einer tiefgreifenden Transformation der Republikaner weg von ihrer verkrusteten Angebotspolitik führt. Und für diese Transformation würden Vance und Rubio glaubwürdig einstehen und die Wähler aus der Arbeiterklasse, die Trump den Demokraten stahl, weiter an die Republikaner binden.
Und dann hieße es wieder: die Menschen stimmen nicht nur gegen die Demokraten, als vielmehr für ihre konservativen Widersacher.