90 Prozent – oder warum die herrschende Lehre falsche Berechnungen so schwer erkennt
Adam Posen hat am Wochenende in der Financial Times noch einmal klargestellt, dass auch ohne die Rechenfehler die Grenze von 90 Prozent, die von den Professoren Kenneth Rogoff und Carmen Reinhart in die Welt gesetzt wurden, Unsinn war.
Ich selbst habe die Zahl noch nie erwähnt, weil ich sie nicht für erwähnenswert hielt, aber die Bedeutung, die der Zahl in bestimmten Kreisen zugemessen wurde, und die Tatsache, dass die Entdeckung der falschen Rechnung jetzt so großen Wirbel verursacht, zeigt eine tiefergehende Misere der ökonomischen Forschung, die bisher zu selten angesprochen wird.
An irgendeinem Punkt in der Geschichte, den ich auch nicht ganz genau verorten kann, aber Ende der siebziger Jahre vermute, hat man sich entschlossen, alles und jedes empirisch (unterstützt von immer leistungsfähigeren Computern und „Fortschritten in der Ökonometrie“) zu testen, und man hat den Ergebnissen dieser Tests ein eigenes Gewicht in den ökonomischen Debatten gegeben, das sie eigentlich nicht haben dürften. Das hat sehr viel mit der Entwicklung der ökonomischen Theorie in dieser Zeit zu tun. Da man damals fest davon überzeugt war, man habe nun – vergleichbar mit der Physik – ein Standardmodell gefunden, das – nach keynesianischer Revolution und neoklassischer Konterrevolution – kaum noch zu verbessern war, ging es nur noch darum, die Hypothesen des Standardmodells durch rigorose ökonometrische Tests zu untermauern bzw. leichte empirische Abweichungen von den Standardannahmen neu zu modellieren.
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