Theorie

Adam Smith und die in Vergessenheit geratene philosophische Grundlage seines Vermächtnisses

| 20. Oktober 2016

Mittlerweile kommt es einem so vor, als wären der “freie Markt”, der “freie Handel” und “die unsichtbare Hand des Marktes” gottgegebene Maxime. Adam Smith wird dabei gerne als Prophet dieser neuen Heilslehre zitiert. Dass die meisten dieser Begriffe weder einheitlich definiert noch richtig verstanden worden sind, das kümmert anscheinend die Wenigsten.

Das beste Beispiel dafür bietet die mit Adam Smith in Verbindung gebrachte “unsichtbare Hand des Marktes”, die mittlerweile eine zentrale Bedeutung in der modernen Volkswirtschaftslehre erhalten hat und häufig als Hauptargument gegen Markteingriffe dient. Interessanterweise wird dieser Ausdruck, der aus Adam Smiths Werk „Wohlstand der Nationen“ stammt (org. An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations), auf 1097 Seiten nur ein einziges Mal erwähnt. Führende Experten, wie zum Beispiel Emma Rothschild, Professorin für Geschichte an der Harvard Universität, behaupten sogar, dass er die Art der Formulierung ganz bewusst wählte, um damit die Kirche auf den Arm zu nehmen (hier). In jener Zeit wurde der Begriff der „unsichtbaren Hand“ nämlich hauptsächlich vom Klerus verwendet, der damit das Wirken Gottes in der Welt beschrieb. Emma Rothschild zufolge ist es schwierig einzusehen, weshalb ein Kirchenkritiker genau dieselbe Formulierung gewählt haben sollte, wenn nicht aus Gründen der Ironie.

Adam Smith sah sich selbst nicht als Wirtschaftstheoretiker, sondern als Moralphilosoph. Seine Ideen und Lehren richteten sich gegen den Merkantilismus, den er zu seiner Zeit erlebte und als extrem schädlich für den Wohlstand einer Gesellschaft empfand. In diesem Zusammenhang ist es erstaunlich, wenn heutzutage Smiths Argumentation immer wieder dazu verwendet wird, die Liberalisierung der Märkte mit  mehr Effizienz  und  Wettbewerb in  Verbindung zu bringen, wo doch die Macht internationaler Großkonzerne und das merkantilistische Verhalten  einiger  Nationen  (insbesondere  Deutschlands)  gerade  diesen Aspekten einen Riegel vorschieben. Wenn Adam Smith sehen könnte, wie seine Theorie in den letzten Jahrzehnten durch eine ‘Laissez-Faire’ Politik pervertiert wurde, die extreme Ungleichheiten und Krisen verursachte, fände er im Grabe keine Ruhe mehr.

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