Auch die neue deutsche Selbstgerechtigkeit ist kein Zufall
Statt das eigene Versagen zu bedauern und die Leser endlich aufzuklären, stürzt man sich wieder wie schon zu Anfang der Krise anklagend auf die Partnerländer und wirft denen mangelnde Einsichtsfähigkeit, Deutschfeindlichkeit oder andere Absurditäten vor.
Wolfgang Lieb hat in den Nachdenkseiten von gestern schon vieles Wichtige gesagt zu einem unsäglichen Kommentar in der SZ. Anmerken muss man allerdings noch, dass diese Art Kommentar durchaus System hat. Von Beginn der Krise an haben die deutschen Printmedien fast (Ausnahmen bestätigen die Regel) durch die Bank jede kritische Analyse (auch aus Deutschland und in Deutsch!) zur deutschen Rolle ignoriert. Der überwiegende Teil der Berichterstattung, darunter auch die im öffentlich rechtlichen Rundfunk und Fernsehen, war und ist bis heute so unter die Käseglocke der Vorurteile der Meinungsmacher gestellt, dass die Wahrnehmung anderer Positionen und erst recht eine informative, objektive Auseinandersetzung mit ihnen auf der Strecke geblieben sind.
Das hat, wie man zugeben muss, viel mit der Monokultur an den deutschen wirtschaftswissenschaftlichen Lehrstühlen zu tun. Die führt dazu, dass man zu einem Zeitpunkt in Vorträgen, Interviews und Talkrunden von Seiten der Fachleute zu 90% mehr oder weniger das Gleiche zu hören bekommt, was den Grundtenor der Problemanalyse angeht, und später dann wieder von denselben Fachleuten mehr oder weniger etwas anderes. Denn die Fachleute schlingern den einzelnen Krisenherden hinterher wie die Politiker selbst, jedes Mal überrascht von den gerade neu auftauchenden Problemen, die sie nicht voraussehen können, weil es ihnen an einer konsistenten Basis für ihre Analysen fehlt. Man denke nur an die Bezeichnung der Euro-Krise als Staatsschuldenkrise mit dem Fiskalpakt als empfohlener Therapie, später dann als Bankenkrise mit dem Ausweg europaweit einheitlicher Kontrolle durch eine Bankenunion. Da ist es kein Wunder, wenn Journalisten offenbar irgendwann den Maßstab dafür verlieren, was eine ausgewogene Berichterstattung angeht, und, schlimmer noch, was konsistente Erklärungen sind.
[...]Nichts schreibt sich von allein!
MAKROSKOP analysiert wirtschaftspolitische Themen aus einer postkeynesianischen Perspektive und ist damit in Deutschland einzigartig. MAKROSKOP steht für das große Ganze. Wir haben einen Blick auf Geld, Wirtschaft und Politik, den Sie so woanders nicht finden.
Dabei leben wir von unseren Autoren, ihren Recherchen, ihrem Wissen und ihrem Enthusiasmus. Gemeinsam scheren wir aus den schmaler werdenden Leitplanken des Denkens aus.
Wir verlassen die journalistische Filterblase, in der sich viele eingerichtet haben. Wir öffnen Fenster und bringen frische Luft in die engen und verstaubten Debattenräume.
Brauchen Sie auch frische Luft? Dann folgen Sie einfach dem Button.
ABONNIEREN SIE MAKROSKOP