Kommentar

Der Fluch der kurzen Sätze

| 04. August 2016

Welches Problem oder welcher Anlass es auch immer sein mag, nichts bleibt unbezwitschert und damit dem Fluch der kurzen Sätze unterworfen. Die einen haben keine Zeit und keinen Geist, um mehr zu schreiben, die anderen haben keine Muße, um mehr zu lesen. Bleibt mir nur, mich an dem Informationsgau mit einer einfachen Botschaft zu beteiligen: „Verbietet Twitter, es verhindert das Denken!“ (45 Zeichen)

In der Kürze liegt die Würze, sagt der Volksmund. Veni, vidi, vici, sagte Julius Caesar nach einer im Rekordtempo gewonnen Schlacht, aber er musste später einsehen, dass das Siegen nicht immer so schnell geht. Opposition ist Mist, sagte ein für seine kurzen Sätze berühmter SPD-Politiker, bevor er in der Versenkung verschwand und die SPD als Zwanzig-Prozent-Partei zum ewigen Juniorpartner der CDU wurde. Wer hat, dem wird gegeben, ist eine Volksweisheit, die sich sicher auf den Zins bezog, aber der ist inzwischen zur Geschichte geworden, was auch hier die Beurteilung der Sache hinter dem kurzen Satz nicht einfach macht.

Einige der berühmten kurzen Sätze wären besser nie gesprochen worden, weil sie ein Quell immer neuer Verwirrung und Missverständnisse waren. „Wer nicht für uns ist, ist gegen uns“, sagte George W. Bush – in Anlehnung an die Bibel – nach den Anschlägen vom 11. September 2001. Sollte heißen: Wer jetzt noch nachdenkt, ist schon mein Gegner. Nachdenken wäre aber mehr als alles andere notwendig gewesen, um die Hunderttausende von Toten und den neuen Terror, die der Krieg gegen den Terror mit sich brachte, zu verhindern.

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