EU

Der Zins, die Schulden und die Geldpolitik – Teil I: Was bedeutet der Zinsschritt der EZB?

| 22. Mai 2013

Am 2. Mai traf die Europäische Zentralbank (EZB) die Entscheidung, den Leitzins von seinem historisch niedrigen Niveau von 0,75% um weitere 0,25 Prozentpunkte auf 0,50% zu senken mit dem Ziel, "zur Unterstützung der Aussichten für eine Erholung [der Wirtschaft im Euroraum] im weiteren Verlauf des Jahres beizutragen" (hier und im folgenden meine Übersetzung des englischen Originaltextes). Das klingt äußerst zurückhaltend, was die Erwartungen an die Wirkung der Zinssenkung auf die Konjunktur angeht, womit die Zentralbanker nur allzu recht haben dürften: Der Effekt der Zinssenkung auf die Sachinvestitionstätigkeit dürfte in der gegenwärtigen Situation gegen Null gehen.

Wozu ist die Zinssenkung dann gut? Sie stellt das Eingeständnis der Notenbanker dar, die wirtschaftliche Talfahrt in der Eurozone unterschätzt zu haben. Noch am 7. März hatte EZB-Präsident Draghi gesagt: "Was 2013 betrifft, legen die neuesten Daten und Indikatoren nahe, dass sich die Wirtschaftsaktivität im ersten Teil des Jahres stabilisieren sollte." Zwei Monate später erklärt er: "Neueste Entwicklungen bei Kurzfrist-Indikatoren, vor allem Umfragedaten, zeigen an, dass sich die schwache Stimmung in der Wirtschaft bis ins Frühjahr ausgedehnt hat. ... Insgesamt sollte sich die Wirtschaftsaktivität im Euroraum stabilisieren und in der zweiten Jahreshälfte erholen." Das Warten auf die Erholung hat sich also ähnlich wie bei der EU-Kommission mal wieder um ein halbes Jahr nach hinten verschoben. Die bisherige Prognose der EZB für das Jahr 2014 wird sicher auch wieder korrigiert werden und zwar nach unten. Dieses Muster der hinterher hinkenden Anpassung an (nicht jeden überraschende) Entwicklungen anstelle einer vorausschauenden Analyse, die zur aktiven Einflussnahme befähigt statt auf mehr oder weniger hilflose Reaktion beschränkt, ist nicht neu. Auch bei der EZB findet sich das von Heiner Flassbeck und mir schon oft kritisierte Muster einer Positivprognose am Ende eines einigermaßen weit entfernt liegenden Prognosehorizontes von ca. 1 ½ Jahren, das zur Rechtfertigung der eigenen Ansichten dient.

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