Kommentar

Deutschland im Herbst

| 01. Oktober 2017
istock.com/RolandBlunck

Deutschland feiert morgen wieder einmal den Tag der deutschen Einheit, will aber nicht wahrhaben, dass es diese Einheit immer noch nicht gibt. Die deutsch-deutsche Währungsunion ist gescheitert, weil sich der Großteil der westdeutschen Politiker nicht von seinen Vorurteilen verabschieden will.

Es ist Oktober geworden, aber die politische Ernte ist in diesem Jahr ausgefallen. Das Klima war nicht schlecht, aber der intellektuelle Dung hat gefehlt, den der karge Boden gebraucht hätte, um eine gute Ernte zu erlauben. Deutschland hat sich verhakt im Klein-Klein, in eingebildeten Problemen auf der einen Seite und in Widersprüchen, die sich daraus ergeben, dass man die wirklichen Probleme systematisch leugnet. Und das betrifft nicht nur Europa, wo das deutsche Leugnen zu einer nicht enden wollenden Krise geführt hat. Nein, es betrifft Deutschland selbst, wo zehn Jahr vor der Europäischen Währungsunion schon einmal eine Währungsunion, die deutsch-deutsche nämlich, aufgrund intellektueller Defizite gegen die Wand gefahren wurde.

Morgen wird man wieder mit großen Worten die deutsche Einheit feiern, obwohl die Wahl vom letzten Sonntag im September besser als tausend Studien gezeigt hat, dass es sie immer noch nicht gibt. Wenn in Sachsen, wo man so stolz auf die Errungenschaften der deutschen Einheit ist, eine Partei in Führung liegt, deren Konzept fast nur aus Parolen wie der besteht, dass man die „Nation“ zurückgewinnen oder Deutschland wieder den Deutschen zurückgeben müsse, weiß man als vernünftiger Mensch, was die Stunde geschlagen hat. Nicht die Stunde der Flüchtlingspolitik, sondern die Stunde der Einheitspolitik. Die Einheit steht nämlich immer noch nur auf dem Papier. Schon ein paar Jahre nach dem westdeutschen Blitzsieg war jeder froh, wenn die Ostdeutschen die Klappe hielten und richtig wählten. Wobei man ihnen für eine Zeit sogar zugestand, links zu wählen, denn das, so die Hoffnung, würde sich auswachsen, wenn die alten Kader erst einmal nicht mehr sind.

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