Die politische Ökonomie der erzwungenen Angleichung
Weder sind die Verteidiger des Euroregimes ökonomisch ignorant noch dogmatisch verblendet. Vielmehr betreiben sie ein ökonomisch und politisch hochriskantes Sozialexperiment.
Die Europäische Währungsunion hat strukturell heterogene Volkswirtschaften zusammengeführt, die sich zuvor als Hartwährungs- und Weichwährungsländer gegensätzlich entwickelt hatten. In der ersten, „nördlichen“ Gruppe dominierte ein exportorientiertes Wachstumsmodell. Seine Grundlage waren einerseits ein relativ großer Exportsektor, dessen Arbeitsplätze dem internationalen Wettbewerb ausgesetzt waren, und andererseits sektoral organisierte Gewerkschaften und Verfahren der koordinierten Lohnbildung, die sich an der jeweiligen Lage des Exportsektors orientierten.
In den Wirtschaftsstrukturen des europäischen Südens dagegen war der Binnensektor deutlich größer als der Exportsektor und es dominierte ein von der Binnennachfrage bestimmtes Wachstumsmodell. Konkurrierende Gewerkschaften erzeugten eine stetige Lohndynamik; und die staatliche Finanz- und Geldpolitik reagierte expansiv auf Wachstumsschwächen. Im Ergebnis waren deshalb die Inflationsraten im „Süden“ höher als im „Norden“ – mit der Folge, dass die preisliche Wettbewerbsfähigkeit der Exporte sank und die Importe anstiegen. Dauerhafte Defizite der Leistungsbilanz, die Zahlungsbilanzkrisen zur Folge gehabt hätten, wurden jedoch seit den siebziger Jahren unter dem Regime flexibler Wechselkurse durch Abwertung im Süden und Aufwertung im Norden ausgeglichen. Unter diesen Bedingungen waren Hartwährungs- und Weichwährungsländer im Prinzip wirtschaftlich gleichermaßen erfolgreich.
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