EU

Draghis Offenbarungseid

| 12. Juni 2013

In der Pressekonferenz der EZB vergangenen Donnerstag versuchte Präsident Mario Draghi den fragenden Journalisten zu erklären, wo die aufwärtsgerichteten Kräfte in Europa seien. Das war weniger in der Sache erhellend als hinsichtlich der in der EZB herrschenden Vorurteile und Missverständnisse. Unter anderem sagte Mario Draghi folgendes: "One answer is to ask yourself what are the drivers of this recovery, which is going to be gradual as I have said many times. Currently, exports are the main driver. Exports have increased in almost all countries, especially in Germany, Spain and Italy. The second driver is our own accommodative monetary policy, which will gradually find its way through the economy. Third, low inflation is increasing people’s purchasing power. The lower price of oil is also an important factor. Finally, although less than in other countries, such as the United States or United Kingdom, you have a wealth effect coming from the improvements in financial markets and, as I said before, you have a lower cost of capital for investment. On the other hand, you have a quite broad weakness in domestic demand and consumption, particularly because of the high levels of unemployment."

So ist das also mit den Lenkern der Europäischen Währungsunion: Erstens, warten auf den Export! Das ist die immerwährende Hoffnung aller Neoklassiker. Wenn im Inland gar nichts mehr geht, dann muss doch irgendwo auf der Welt ein keynesianisches Programm gefahren werden, an das man sich dranhängen kann. Wenn Mario Draghi jedoch unter den Ländern, auf deren steigenden Export man als EWU setzen kann, auch noch Deutschland erwähnt, wird es bizarr. Langsam müsste er wissen, dass die deutsche Exportstärke in den meisten Fällen irgendwo anders in Europa Exportschwäche bedeutet und zwar nicht nur in den bilateralen Beziehungen, sondern auch und vor allem auf Drittmärkten. Hätte er das betont, was er sonst immer in den Vordergrund stellt, nämlich die Zuständigkeit der EZB für die gesamte Union statt für einzelne Länder, dann wäre ihm dieses schwache Argument vielleicht nicht von den Lippen gekommen. Denn es ist geradezu lächerlich, wenn eine so große und so weitgehend geschlossene Volkswirtschaft wie die europäische auf den Export setzt.

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