Finanzsystem

Gab und gibt es eine Alternative zur Freigabe des Schweizer Frankenkurses? – Und was sind die Lehren für Deutschland? (Teil 2)

| 03. Februar 2015

Man muss natürlich als außenstehender Beobachter sehen, dass die Schweiz mit ihrem riesigen Außenhandelsüberschuss in die Klasse der Länder gehört, bei denen eine Aufwertung absolut gerechtfertigt ist (Werner Vontobel bringt dazu in dieser Woche noch ein Stück). Aber die schockartige Aufwertung, die jetzt eingetreten ist, ist für eine Wirtschaft mit gewaltigen Einbußen an Arbeitsplätzen verbunden. Die Aussage des SNB-Präsidenten, die Schweizer Wirtschaft habe ja Zeit gehabt, sich an einen höheren Kurs anzupassen, ist grundlegend falsch. Erstens ist Anpassung immer eine Frage der Zeit, und da niemand voraussehen konnte, wie lange die SNB diese Zeit gewähren würde, d.h. wie lange die Notenbank den Kurs bei 1,20 halten würde, konnte man auch nicht „berechnen“, wann und in welchem Maße man sich anpassen musste. Zweitens, die Unternehmen können ohne eine tatsächlich eingetretene Aufwertung der Währung in Verhandlungen mit ihren vielfältigen Vertragspartnern ja gar nicht begründen, warum eine Anpassung von Preisen notwendig ist. Um nur das wichtigste Beispiel zu nehmen: Kann man den Gewerkschaften sagen, die Löhne dürften nicht mehr steigen oder müssten sogar sinken, weil es möglich sein könnte, dass die Notenbank irgendwann in den nächsten Jahren den Kurs des Franken freigibt und der dann massiv aufwertet?

Das größte und das eigentliche Problem im Gefolge einer starken Aufwertung ist aber, dass die soeben genannte Reaktion der Unternehmen hinsichtlich der Löhne einzelwirtschaftlich zwar naheliegt, gesamtwirtschaftlich aber in die vollkommen falsche Richtung führt. Sie versucht ja nur wieder herzustellen, was unhaltbar geworden ist, nämlich die außenwirtschaftliche Stärke des Landes, also seine außenwirtschaftlichen Überschüsse. Noch schlimmer: Wenn man die Löhne nach einer Aufwertung senkt, schlägt man sich auch das zweite und jetzt besonders gebrauchte Standbein der Binnenkonjunktur weg. Da der Außenhandelsüberschuss sinkt (sein Sinken, nicht die Aufwertung als solche, ist ja das Ziel der ganzen Aktion), braucht man, um eine schwere und dauerhafte Rezession zu vermeiden, eine Stärkung der Binnennachfrage. Die negativen Wirkungen des sinkenden Außenbeitrages auf das Bruttoinlandsprodukt (BIP) kann man nur ausgleichen durch steigende binnenwirtschaftliche Nachfrage. Die aber gibt es nicht bei sinkenden Löhnen oder nur dann, wenn der Staat bereit wäre, mit einem gewaltigen Konjunkturprogramm beides auszugleichen, die Wirkung des sinkenden Außenbeitrages und die Wirkung der sinkenden Löhne. Das politisch umzusetzen, dürfte nicht nur in der Schweiz unmöglich sein.

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