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Kann die "unabhängige" Lohnpolitik nichts für Handelsungleichgewichte?

| 21. November 2013

Gestern habe ich über die Unterbewertung Deutschlands geschrieben und die Frage offen gelassen, wer dafür verantwortlich ist. Die Kritik an den deutschen Leistungsbilanzüberschüssen konzentriert sich vor allem auf das deutsche Lohndumping als Ursache für die deutsche Unterbewertung und damit das Auseinanderlaufen der Wettbewerbsfähigkeit der Mitglieder der Europäischen Währungsunion (EWU). Die Verteidiger der deutschen Überschüsse bzw. die Leute, die die Überschüsse nicht durch eine aktive Wirtschaftspolitik verändert sehen wollen, führen gegen den Lohndumping-Vorwurf zwei Argumente ins Feld: die Unabhängigkeit der Lohnpolitik vom Staat und die geringe Bedeutung, die die Löhne für die Leistungsbilanzüberschüsse angeblich haben.

Beiden Argumenten pflichten die Tarifparteien oder zumindest bedeutende Teile der Tarifparteien – wohlgemerkt nicht nur der Arbeitgeber-, sondern auch der Arbeitnehmerseite – bei. Sie pochen nämlich darauf, dass die Löhne bzw. ihre Zuwachsraten in unabhängigen Lohnverhandlungen zustande kommen (Stichwort Tarifautonomie). Trotzdem würde kein vernünftiger Mensch bestreiten, dass das Umfeld, in dem diese Verhandlungen stattfinden, auf ihr Ergebnis einen nicht zu unterschätzenden Einfluss hat. Ist etwa die Arbeitslosigkeit sehr hoch, lässt sich nicht sonderlich überzeugend mit Streiks drohen, um hohe Lohnabschlüsse durchzusetzen. Denn die Arbeitgeber bezweifeln in einer solchen Situation völlig zu Recht die Streikbereitschaft der Gewerkschaftsmitglieder. Suchen die Unternehmen hingegen Hände ringend nach Arbeitskräften, weil die Wirtschaft boomt, stehen die Chancen auf spürbare Lohnerhöhungen wesentlich besser. Es findet also auch bei den Lohnabschlüssen wie in allen anderen Feldern der Wirtschaft und der Wirtschaftspolitik nichts im luftleeren Raum statt.

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