Makroskop-Kongresse

Kein Kongress ist auch keine Lösung

| 15. Januar 2023

Liebe Leserinnen und Leser, Unterstützerinnen und Förderer – erstmals seit der Zwangspause durch die Pandemie findet im Februar wieder unser MAKROSKOP-Kongress statt. Für uns ist das eine erfreuliche Sache nach zwei schwierigen Jahren. Denn der Kongress ist zu einer Art Institution geworden.

Seit 2016 von MAKROSKOP im Verbund mit der Georg-Friedrich-Knapp-Gesellschaft veranstaltet, haben sie sich stets als intensive Zusammenkünfte entpuppt. Und das nicht nur wegen spannender Vorträge und Debatten zu wirtschaftspolitischen Themen. Die Gäste können die Gelegenheit nutzen, Herausgeber, Redaktion, Autorenschaft oder andere Leser persönlich kennenzulernen und neue Kontakte zu knüpfen. Immer wieder zeigt sich dabei, wie wichtig persönlicher Austausch ist. Das direkte Gespräch ist etwas anderes als eine digitale Depeche, gerade auch, wenn es um Kritik, Anerkennung oder Ideen geht.

Zugleich waren und sind die MAKROSKOP-Kongresse auch eine sich ergänzende Reise durch die Gegenwartsgeschichte der politischen Ökonomie. Die über die Jahre gewählten Themenschwerpunkte zu einer dysfunktionalen EU, die eigentlich eine Globalisierung im Kleinen darstellt, zum Freihandel, oder zur Geldpolitik sowie zu guter Letzt zur Rolle und Zukunft des Staates stehen in einem Wirkungszusammenhang und bauen aufeinander auf. Was damit gemeint ist, wird deutlich, wenn man einen Blick auf eine Chronologie wirft, die vor knapp sieben Jahren ihren Anfang nahm.

2016 Wie weiter mit Europa?

In diesem Jahr steckt MAKROSKOP noch in den Kinderschuhen. Die erste offizielle Online-Ausgabe erscheint im Frühling 2016. Und nur einige Monate später, am 22. Oktober, referieren im Wiesbadener Frauenmuseum Heiner Flassbeck, Martin Höpner und Peter Wahl über die Probleme in der Europäischen Währungsunion: Warum sie von Anfang an missverstanden wurde, sich Europäische Union und Mitgliedstaaten gegenseitig blockieren. Zudem werde das Dogma des Neoliberalismus auch nach der Eurokrise mit allen Mitteln verteidigt.

Das Fazit der dreien: Die EU kann nicht bleiben, wie sie ist. Jenseits ideologisch motivierter Rufe nach „mehr“ oder „weniger“ Europa brauche es einen Dritten Weg: Dieser müsse zur Aktivierung der europäischen Politik beitragen, die Übergriffe des europäischen Richterrechts auf die mitgliedsstaatlichen Rechtsordnungen stoppen und die Dysfunktionen der europäischen Währungsordnung beheben.

2017 Freihandel & Globalisierung

Wieder im Wiesbadener Frauenmuseum findet im Oktober 2017 der zweite Makroskop-Kongress statt. Das Thema baut auf dem ersten Kongress auf und ist einmal mehr ein kontroverser Dauerbrenner: Sind „Freihandel & Globalisierung“ ein Segen oder ein Fluch? Für viele eine Glaubensfrage und ein Erfolgsmodell – bevor die Corona-Krise, gesprengte Lieferketten und der Ukraine-Krieg neue Realitäten schuf. Albrecht Kleinknecht, Werner Vontobel, Heiner Flassbeck und Nico Beckert referieren über Produktivitätskrisen, durch die Globalisierung zerstörte Institutionen, ob die Digitalisierung Arbeitslosigkeit schafft und warum Freihandelsabkommen ärmeren Ländern Entwicklungsperspektiven rauben. Themen, die für Kontroversen und eine lebendige Debatte sorgen, bis der Tag in geselliger Runde und mit Fingerfood-Buffet gemütlich ausklingt.

2018 Money makes the world go round

Auf der Festung Marienberg, fast 500 Jahre lang Residenz der Würzburger Fürstbischöfe, drehte sich 2018 wortwörtlich alles rund ums Geld. Money makes the world go round lautete passend der Titel des dritten und restlos ausverkauften Kongresses unseres noch immer jungen Magazins. Schließlich steht Geld im Zentrum unserer Wirtschaftsform, mit der sich MAKROSKOP im besonderen Maße auseinandersetzt.

Mit drei Podiumsdiskussionen und drei Vorträgen zieht sich ein roter Faden von der Frage, was wir von Georg-Friedrich Knapps 1905 erschienenen Werk Staatliche Theorie des Geldes lernen können, bis zu Konzepten für eine moderne Wirtschaftspolitik im hier und jetzt (einen ausführlichen Bericht über den Kongress finden sie hier). Längst ist Knapps „chartalistische“ Position wieder Thema in der Modern Monetary Theory geworden. Mit Bill Mitchell und Dirk Ehnts sind zwei exponierte Vertreter dieser Theorie in Würzburg präsent.

2019 (K)eine Zukunft ohne Staat

Ein Jahr später, diesmal in Kooperation mit dem DGB Nürnberg, steht die Zukunft dieses Staates im Mittelpunkt. Denn Freihandelsabkommen, transnationaler Handel und eine liberalisierte Wirtschaft werfen nicht nur ökonomische Fragen auf, wie sie 2017 diskutiert wurden. Als vermeintlicher Ausdruck einer neuartigen, netzwerkförmig organisierten Gesellschaft ist auch der Staat als Institution betroffen. Hat eine globalisierte Welt die hierarchische, auf Befehl und Gehorsam beruhende staatliche Gesellschaftsorganisation obsolet werden lassen?

Nach dieser Erzählung hat der Staat keine Zukunft. Doch nicht zuletzt der vielfach beklagte Populismus lässt die diesmal zahlreichen Referenten (unter anderem Dirk Ehnts, Andreas Nölke,  Patrick Kaczmarczyk und Rainer Fischbach) darüber streiten, ob der Abgesang auf den Nationalstaat nicht doch etwas voreilig war. Zeigt er vielleicht ein Machtvakuum an, das durch seinen Rückzug in vielen gesellschaftlichen Bereichen erst entstanden ist? Wo sind seinem Handeln Grenzen zu setzen und welche Mittel sollte man ihm angesichts zunehmender Krisensymptome (wieder) in die Hand geben?

2023 Zwischen Globalismus und Demokratie

Dann kam die Pandemie, und während unsere Kongresse eine Zwangspause einlegen mussten, stand der totgesagte Staat plötzlich wieder im Zentrum des Handelns. Es zeigte sich, dass er noch eine weit größere Rolle spielen kann, als ihm gemeinhin zugetraut wurde. Eine „Zukunft ohne Staat“ – sie ist plötzlich nicht mehr denkbar. Von einer netzförmig organisierten globalen Weltgesellschaft spricht niemand mehr. Stattdessen tritt immer deutlicher Zutage, welche Verwerfungen eine Gesellschaft ohne funktionierende Staatlichkeit mit sich bringt.

Hier setzt der nächste Kongress am 4. Februar 2023 im berühmten Benediktinerkloster Andechs an (Flyer für Veranstaltung). Mit pandemischen Lockdowns, gerissenen Lieferketten und der Rückkehr der Geopolitik spätestens mit dem Ukraine-Krieg hat sich die Frage nach der Rolle des Staates im 21. Jahrhunderts verschoben. Das Spannungsfeld zwischen Globalismus und Demokratie hat eine neue Dimension bekommen. Nicht erst seit diesem Konflikt säumen zerfallene und gescheiterte Staaten die Peripherie des Westens.

Doch auch in Europa, der Wiege des modernen Nationalstaats, zeigen sich Risse. Dass der Kompetenztransfer von den EU-Mitgliedstaaten hin zu einer schwerfälligen supranationalen Bürokratie mit einer wachsenden Handlungsunfähigkeit auf nationaler Ebene erkauft wurde, war schon auf dem Kongress 2016 Thema. Dessen ungeachtet hat die russische Invasion in der Ukraine eine neue Dynamik der Osterweiterung freigesetzt.

Dabei drängt sich eine grundsätzliche Frage auf: Gibt es nicht Grenzen der Größe – sowohl hinsichtlich ihrer Regierbarkeit aber auch ihrer demokratischen Gestaltbarkeit? Darüber werden unter anderem Wolfgang Streeck, Michael von der Schulenburg, Hartmut Reiners, Peter Wahl unter Moderation von Ulrike Simon und Cornelia Koppetsch referieren und debattieren.

Ein Stück weit die Geschichte von MAKROSKOP

Die Kongresse spiegeln in gewisser Weise die Genese von MAKROSKOP wider. Es sind Themen, die auch stets unseren Redaktionsalltag begleiten, die unsere Online-Ausgabe und Themenhefte prägen. Zugleich stehen die Kongresse für Etappen eines langen und auch mühsamen Weges. Ein Weg, der ohne idealistisches Engagement, ohne Unterstützung nicht zu beschreiten wäre. Und nicht zuletzt auf den Kongressen wird immer wieder offensichtlich: MAKROSKOP, das sind die Abonnenten, Förderer und Autoren.