Öffentliches Eigentum im Ramschverkauf
Die Bahnreform ist gescheitert. „Stuttgart 21“ ist ökonomisch ebenfalls gescheitert. Das Projekt wird wohl fertig gestellt werden, da ein politischer Wille, daran noch etwas zu ändern, nicht in Sicht ist.
„Baden-Württemberg braucht Stuttgart 21, um nicht verkehrlich und wirtschaftlich abgehängt zu werden“, hat Angela Merkel 2010 auf der CDU-Regionalkonferenz in Heilbronn behauptet. Warum sollten Verkehr und Wirtschaft eines ganzen Bundeslandes beeinträchtigt sein, wenn der Bahnhof der Landeshauptstadt nicht von einem bis dahin gut funktionierenden, 16-gleisigen oberirdischen Kopfbahnhof in einen achtgleisigen unterirdischen Durchgangsbahnhof umgebaut wird? Wenn dem so wäre, wären auch Bayern und Hessen, die um die Jahrtausendwende beschlossen haben, ihre Projekte München 21 und Frankfurt 21 auf Eis zu legen, in den Worten der Bundeskanzlerin, „abgehängt“: eine schöne Bahn-Metapher, gewiss, aber wenig geeignet, um die Relation zwischen Schienenverkehr und Wirtschaftskraft einer Region zu beschreiben.
Lokomotive des Fortschritts
Ein Zusammenhang zwischen dem Ausbau des Schienennetzes und der Entwicklung der Wirtschaft besteht durchaus. Ohne die Eisenbahn wäre die moderne Industriegesellschaft nicht denkbar. Zwar standen am Anfang der mechanische Webstuhl, die Dampfmaschine und der Bau von Kanälen zum Transport von Massengütern. Doch erst mit der Eisenbahn ließen sich große Mengen von Rohstoffen und Produkten schnell über größere Entfernungen transportieren. Genau dies unterscheidet das Industriezeitalter von der früheren handwerklichen Produktion: Handwerker produzierten in Kleinbetrieben für den lokalen Bedarf. Die Möglichkeit, Rohstoffe aus einem weiten Umfeld herbeizuschaffen und die Erzeugnisse in einem größeren Gebiet zu vertreiben, war die notwendige Voraussetzung für die Entstehung einer industriellen Massenproduktion.
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