Piketty der Jüngere hat Recht
Wir haben den französischen Ökonomen Thomas Piketty hier und hier dafür kritisiert, dass ihm zwar das Verdienst zukommt, das Thema der Ungleichheit salonfähig gemacht zu haben, dass er dabei aber von einer unhaltbaren Theorie ausgeht und deshalb die Lösung bei der fiskalischen Umverteilung sucht, statt bei der Primärverteilung anzusetzen. Früher wusste es Piketty noch besser.
Bevor Piketty mit seinem 800-Seiten-Wälzer „Das Kapital im 21. Jahrhundert“ zum Bestseller-Autor wurde, begnügte er sich auch mit schmaleren Volumen. Das rund 100 Seiten dünne Traktat „L’économie des Inégalités“ (Die Ökonomie der Ungleichheit) ist 1997 erstmals erschienen und wurde erst vor zwei Monaten neu aufgelegt. In der uns vorliegenden Ausgabe von 2008 stellt ein Zwischenkapitel folgende Frage: „Sind die Gewerkschaften ein Ersatz für die fiskalische (steuerliche) Umverteilung?“ Piketty vergleicht die Auswirkungen der fiskalischen Umverteilung mit denen der politischen (bzw. gewerkschaftlichen) Eingriffe in die Primärverteilung der Arbeits- und Kapitaleinkommen. Er kommt zu klaren Schlüssen: „Historisch gesehen kommen bedeutende fiskalische Umverteilungen nur selten vor und geschehen meistens über die Sozialausgaben. Zudem wirken sie so langsam, dass sie meist gar nicht recht wahrgenommen werden und in der sozialen Auseinandersetzung keine Rolle spielen.“ Im Gegensatz dazu wirken Eingriffe in die Primärverteilung relativ schnell und spektakulär. Piketty zitiert in diesem Zusammenhang die Erhöhung des Mindestlohns in Frankreich um 93% (gegenüber plus 55% beim Durchschnittslohn) zwischen 1958 und 1983. Dadurch hat sich der Lohnabstand zwischen dem reichsten und dem ärmsten Fünftel (P90/P10) von 4,2 auf 3,1 verringert.
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