EU

Schäuble im Rückwärtsgang, aber ohne Rückspiegel

| 25. Juli 2013

Wenn Wolfgang Schäuble kurz vor der Bundestagwahl einen Kommentar im Guardian schreibt, erwartet man eigentlich nicht, dass er einen Moment stille hält und überlegt (oder überlegen lässt), was er den Menschen in Europa noch zumuten kann. Er hätte darüber nachdenken können, ob das, was in den vergangenen Monaten in Europa abgelaufen ist, in etwa dem entsprochen hat, was er selbst vorhergesehen hat, als er die Austeritätspolitik vor drei Jahren durchzusetzen begann. Ich hätte aber gehofft, dass der deutsche Finanzminister zumindest zugesteht, dass auf der Zeitschiene die Dinge viel schlechter gelaufen sind, oder dass er den anderen wenigstens sagt, dass die Bundesregierung bedaure, dass in den vergangenen Jahren in Europa so viel politisches Vertrauensporzellan unter deutscher Führung zerschlagen worden ist.

Äußerlich nichts von alledem. Alles war richtig und notwendig. Deutschland hat es vorgemacht, die anderen müssen folgen. Schmerzen sind unvermeidlich bei schwierigen Anpassungsprozessen, Wettbewerbsfähigkeit ist entscheidend, und Schulden sind keine Lösung. Die Botschaft: Zwischen widerstreitenden Interessen und widersprüchlichen Forderungen fährt Deutschland einen Kurs der Mitte, kein strenger Zuchtmeister der europäischen Nationen, aber auch keiner, der die Zügel schleifen lässt. Nur zwischen den Zeilen kann man erkennen, dass sich da einer, der sich selbst als großen Europäer sieht, auf den Schlips getreten fühlt, weil der Chor derer, die ihm Ignoranz und Unwissen vorwerfen, immer heftiger anschwillt. Deswegen ist es am Ende doch eine Rede im Rückwärtsgang, eine Verteidigungsrede, die nicht gradlinig die sachliche Position darlegt, die Deutschland leitet, sondern andere mit ins Boot nimmt (wie den IWF, die Europäische Kommission, die OECD und deren jeweilige Chefs) und versucht, aus einer Extremposition eine moderate mittlere Meinung zu machen.

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