Schutzwall oder Einfallstor?
Angesichts katastrophaler wirtschaftlicher und humanitärer Zustände in weiten Teilen Europas scheint die Frage wichtiger denn je: Ist die Europäische Union ein Schutzwall oder Einfallstor für die neoliberale Globalisierung?
Die Gründung der EU im Jahr 1993 bildete für einige zeitgenössische Beobachter den vorläufigen Höhepunkt einer neoliberalen wirtschaftlichen Integration Europas – obgleich die ursprüngliche Idee eines vereinten und friedlichen Europas nicht viel mit den Idealen des Neoliberalismus gemein hatte. Beginnend mit der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) im Jahr 1952 und der Unterzeichnung der Römischen Verträge 1957, die die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) ins Leben riefen, wurde der Grundstein für eine engere Kooperation und ein friedliches Miteinander der kriegsgebeutelten Völker Europas gelegt.[1]
Zwar folgte bereits die Gründung der EWG dem Prinzip der negativen Integration – also dem Beseitigen von Handelsbarrieren –, doch das qualitative Ausmaß der Regelungen war moderat. Bis 1968 wurden die internen Zölle und Exportquoten zwischen den Mitgliedsstaaten beseitigt und eine einheitliche Zollpolitik gegenüber Drittländern etabliert, die nichttarifäre Handelshemmnisse (direkte protektionistische Maßnahmen) hatten jedoch weiterhin Bestand. Zudem blieb die nationale Wirtschaftspolitik weitgehend in nationalstaatlicher Hand und eine weitere Harmonisierung europäischer Regularien traf bei den einzelnen Mitgliedsstaaten auf großen Widerstand.[2]
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