Finanzsystem

Sind Deflationsängste heute wirklich unbegründet?

| 02. Juni 2015

Vor gut zwei Monaten veröffentlichten vier Forscher der Bank für internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) einen Forschungsbeitrag, der die Kosten von Deflation untersucht – volkswirtschaftliche Kosten in Form verlangsamten Wirtschaftswachstums. Hierzu wurden die Erfahrungen von 38 Volkswirtschaften in der Zeitspanne von 1870 bis 2013 mittels einiger empirischer Tests ausgewertet. Die vier BIZ-Forscher unter der Federführung von Claudio Borio, dem langjährigen Mitarbeiter und heutigen Leiter des Währungs- und Wirtschaftsresorts der BIZ, geben unter dem Strich weitgehend Entwarnung (allerdings nicht offiziell im Namen der BIZ, sondern allein als persönliche Ansicht). Sie mutmaßen, dass die öffentliche Meinung vielleicht zu sehr vom Schreckgespenst der Großen Depression geprägt sei, speziell den verheerenden Erfahrungen mit Deflation in den USA. Allgemein ließe sich dagegen statistisch kaum belegen, dass Deflation, verstanden als sinkende Preise von Gütern und Dienstleistungen, mit geringerem (oder gar negativem) Wachstum einherginge. Historisch betrachtet war Deflation vielmehr im Durchschnitt, abgesehen von der Großen Depression, eher gutmütiger Natur.

Diese Botschaft erregte bei Erscheinen vor zwei Monaten einiges Aufsehen. Schließlich hatte das rasante Sinken der Inflation im letzten Jahr auf ein sehr niedriges Niveau oder gar bis hin zu leicht negativen Inflationsraten, etwa in der Eurozone zum Jahresende, in den Medien und auch unter Zentralbankern, der Klientel der BIZ, für besorgte Aufmerksamkeit bzw. erhöhte Alarmbereitschaft gesorgt. Für die Eurozone kündigte die Europäische Zentralbank (EZB) dann im Januar sogar ihr neues Programm der quantitativen Lockerung an, das die Inflation wieder auf Stabilitätskurs bringen soll, also auf eine Rate von „unter, aber nahe bei zwei Prozent“, der von der EZB gewählten Definition von Preisstabilität. Die Aufregung zum Thema Deflation hat sich zwar mittlerweile wieder etwas gelegt. Die Inflation ist aber heute immer noch sowohl in Europa als auch in Amerika nahe bei null, verharrt also weiterhin an der Grenzschwelle zur offenen Deflation. Soll man nun darüber besser beunruhigt sein oder vielleicht doch nicht so richtig? Ist Deflation immer und überall gefährlich und potenziell schädlich und daher besser wirtschaftspolitisch zu vermeiden bzw. zu bekämpfen – oder ist sie in der Regel eher gutmütig? Konkret bezogen auf die heutige Lage: Soll die Geldpolitik weiter auf's Gaspedal treten oder ist das eher unnötig, wenn nicht vielleicht sogar schädlich?

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