EU

Sinn und Unsinn

| 09. April 2015

Mehrere Leser von flassbeck-economics haben nach unserem Artikel zum Vergleich der Produktivität Griechenlands und Polens durch Hans-Werner Sinn bei Professor Sinn direkt nachgefragt, was er zu unserer Kritik sagt. Daraufhin bekamen sie eine Antwort einer Mitarbeiterin von Professor Sinn mit folgendem Inhalt:

„Prof. Sinn hat eine Vermutung über jene Produktivität geäußert, die sich für eine neue gegründete Firma in Griechenland bzw. Polen ergeben würde. Die tatsächliche Produktivität jener Arbeitsplätze, die es in Griechenland trotz der hohen Löhne noch gibt und die man in den Statistiken findet, ist trivialerweise immer hoch genug, die Löhne zu bezahlen. Das ist schon tautologisch richtig, denn sonst gäbe es diese Stellen ja nicht. Griechenlands Massenarbeitslosigkeit belegt jedoch, dass die tatsächliche Produktivität dramatisch niedriger ist als das, was man in den Statistiken finden kann. Die gemessene Produktivität wird immer durch den Entlassungseffekt beeinflusst. Wenn man die Löhne verdoppelt, verdoppelt sich die sogenannte Grenzproduktivität der Arbeit durch Wegstreichen der minder produktiven Arbeitsverhältnisse, und die in der Statistik gemessene Durchschnittsproduktivität erhöht sich dann auch dramatisch, je nach Produktionsverhältnissen auf mehr oder weniger als das Doppelte. Daraus folgt, dass man Produktivitätsvergleiche nicht so durchführen darf, wie Herr Flassbeck es tut. Vielmehr braucht man dafür einen Modellansatz, der den Effekt der Entlassungsproduktivität herausrechnet. Das ist ein altes Thema, das Prof. Sinn schon in seinem Buch "Ist Deutschland noch zu retten?" aus dem Jahr 2003 diskutiert hat, das aber auch in seinem Buch "Die Target-Falle" oder "The Euro Trap" behandelt wird. In Griechenland ist die Abweichung zwischen jener Produktivität, die man meint, wenn man über die Wettbewerbsfähigkeit für Industrieansiedlungen und Investitionen spricht, und jener, die in der Statistik erscheint, besonders groß, weil es dort praktisch gar keine Industrie mehr gibt. Die Arbeitnehmer sind beim Staat beschäftigt, wo die statistische Produktivität mangels anderer Messmethoden einfach mit den Löhnen gleichgesetzt wird, und sie sind in den Binnensektoren beschäftigt, die, da sie keinem internationalen Wettbewerb ausgesetzt sind, Preise und somit eine gemessene Wertproduktivität haben, die sich unmittelbar aus der Lohnhöhe selbst herleitet. Das verstärkt die Verzerrung der Statistik. Die Argumente von Herrn Flassbeck sind also nicht stichhaltig.“

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