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Was bleibt vom Brexit?

| 10. März 2023

Liebe Leserinnen und Leser,

der Brexit war noch nicht amtlich, da wurde er schon zur Urkatastrophe gemacht. Allein die Idee eines EU-Austritts galt als anachronistisch, rückwärtsgewandt, ja als Affront gegen die hegemoniale Idee des Supranationalismus und der wirtschaftlichen Globalisierung. Gemeinsam ordneten die Eliten aus Medien, Wirtschaft, Politik und EU-Technokratie die Mobilmachung an. Ob hohe Lebensmittelpreise, Benzinmangel, Kapitalflucht, Fachkräftemangel oder gemeinhin schlechte Wirtschaftsdaten: Die internationale Presse verantwortete den Brexit (zu unrecht) für so ziemlich alles, was in der Wirtschaft nicht funktionierte. Daneben tobte ein Kulturkrieg um die Frage, in welchem Großbritannien man leben wolle ‒ mit Vorwürfen des Rassismus und der Fremdenfeindlichkeit inklusive.

Das blieb nicht ohne Wirkung. Knapp sieben Jahre nach dem Referendum und drei Jahre nach dem Gesetz zum EU-Austritt (MAKROSKOP hat diese Zeit analytisch begleitet), wächst laut Umfragen unter einer Mehrheit der Briten das Bedauern ‒ der sogenannte Bregret (Ein Wortspiel aus Brexit und dem englischen Wort für bedauern, „regret“) macht die Runde.

Das liegt auch daran, dass die euroskeptischen Torys es versäumten, den Brexit durch einen wirklichen gesellschafts- und wirtschaftspolitischen Wandel mit Leben zu füllen. Es fehlte eine Agenda für neue Industrien, eine hochwertige Ausbildung, neue Infrastruktur oder öffentliche Dienstleistungen, schreibt Philip Cunliffe. Und nicht zuletzt scheiterte Boris Johnson, so die Einschätzung von Frank Furedi, weil er das Ausmaß des Widerstands gegen den Brexit ebenso unterschätzte wie die immensen Chancen, die dieser zugleich bot. Sein Rückzug aus dem politischen Kulturkampf sei ein fataler, ja tragischer Fehler gewesen, mit dem Johnson zu einem Mann ohne Projekt wurde.

Damit ist der Brexit, wie der britische Journalist und Autor Mick Hume im Interview mit MAKROSKOP sagt, zum „Zombie-Brexit“ geworden: Ein Brexit, der zwar formell noch existiert, aber kein lebendiges politisches Dasein mehr hat.

Doch hätte das nicht absehbar sein können? Waren die Erwartungen der Leavers an den Brexit nicht von Anfang an naiv? Den Brexit als Allheilmittel für die Probleme des Landes zu verklären, sei „ein wirres Produkt linker und rechter Phantasien“, finden Patrick Kaczmarczyk und Felix Schulz. Schließlich seien es schon in den 1980er Jahren und besonders seit der Einführung der Austeritätspolitik 2010 gezielte inländische Reformen gewesen, die zur katastrophalen sozialen Situation auf der Insel und damit zum generellen Unmut der Menschen beigetragen hätten.