Kommentar

Überschüsse über alles, über alle auf der Welt

| 25. August 2016

Fast alle freuen sich: Der deutsche Staat macht Überschüsse. Doch wer die Defizite macht, fragt niemand. Wir haben nachgerechnet und herausgefunden, dass der deutsche Staat entweder unmittelbar den deutschen Unternehmen geschadet oder das Ausland weiter in die Verschuldung getrieben hat. Ist das ein Grund zur Freude?

Wenn es ein untrügliches Zeichen für kollektives Versagen der Medien gibt, dann dies: Alle Leitmedien drucken mit klammheimlicher oder gar offener Freude die Pressemitteilung des Statistischen Bundesamtes ab, wonach der gesamte deutsche Staat (einschließlich Sozialversicherungen) im ersten Halbjahr 2016 einen Überschuss in seinem Haushalt von 18,5 Milliarden Euro gemacht hat (hier zum Beispiel). Die FAZ entblödet sich nicht (hier), Deutschland mit der Bemerkung „Haushaltsüberschüsse stehen für gutes Wirtschaften“ in eine internationale Rangliste zu stecken, bei der unter anderem Macau, Palau und St. Kitts and Nevis, Micronesien, Guinea-Bissau und die Seychellen noch vor Deutschland rangieren. Doch Platz zwölf ist bei einer so starken Konkurrenz wirklich hervorragend! Gratulation für Deutschland und Gratulation für dieses Stück Qualitätsjournalismus von den klugen Köpfen.

Wer macht ein höheres Defizit?

Im ersten Halbjahr hat also der deutsche Staat 18,5 Milliarden Euro weniger ausgegeben als eingenommen. Was, wie die meisten unserer Leser wissen, impliziert, dass irgendwo auf der Welt ein Individuum, eine Institution oder ein Sektor exakt in dieser Höhe ein Defizit hinnehmen musste. Da die Ausgaben des einen immer die Einnahmen des anderen sind, sind die Überschüsse des einen auch immer die Defizite des anderen. Die Welt macht bekanntlich weder Überschüsse noch Defizite. Wenn der deutsche Überschuss ein Grund zur Freude ist, muss man doch wenigstens einmal fragen, wer sich gewaltig ärgert, weil er oder sie Defizite in gleicher Höhe eingefahren haben.

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