Arbeit

Was die Experten uns suggerieren wollen: Ungleichheit und Wirtschaft haben nichts miteinander zu tun

| 01. Juli 2013

Auf der Brüsseler Tagung, über die ich schon in Sachen Rettung der Welt berichtet hatte, hatte ich auch das „Vergnügen“ einer zweistündigen Diskussion über die wachsende Ungleichheit auf der Welt und deren schreckliche Folgen beizuwohnen. Richard Wilkinson, offenbar einer der Gurus der Ungleichheit („The Spirit Level“ heißt sein Buch dazu), zeigte in gefühlten zweihundert Korrelationen, wie mehr Ungleichheit die Welt schlechter macht und auch den Reichen nichts bringt. Besonders beeindruckend waren seine Korrelationen von materiellem Wohlstand und Lebenserwartung: Wachsender Wohlstand des Einzelnen erhöht die Lebenserwartung nicht beliebig! Nicht zu glauben, bei 80 Jahren oder so ist einfach Schluss, weswegen es auch nicht lohnt, noch mehr Ungleichheit zuzulassen, weil die Reichen ja dadurch auch nicht älter werden. Ich wollte ihn noch fragen, ob die Grenze der 80 Jahre nicht vielleicht auch mit Biologie zu tun hätte, aber da war er schon weg, weil er schnell zum Flugzeug musste.

Interessant war aber wieder einmal, wie sich Ungleichheitsexperten zwei Stunden lang über ihr Thema unterhalten und die zunehmende Ungleichheit lauthals beklagen können, ohne ein einziges Mal über Wirtschaft zu reden. Ich meine, wir redeten in Brüssel und das andere Thema dieser Konferenz war die Eurokrise, wo es ja kein anderes Rezept zur Überwindung der Krise zu geben scheint, als mehr Ungleichheit zu schaffen. Werden nicht in Südeuropa die Löhne der Arbeiter gekürzt, wird nicht überall der Arbeitsmarkt „flexibilisiert“, was nichts anderes heißt, als dass die Lohnspreizung zunimmt? Hat nicht die neoliberale Ideologie dreißig Jahre lang mit der Idee die ganze Welt infiziert, wegen Globalisierung und den aufstrebenden Entwicklungsländern wie China müssten wir alle flexibler, was heißt ungleicher werden? Nein, solche Kleinigkeiten kommen bei den Ungleichheitsexperten nicht vor, es geht ja um die Sache an sich, nicht um die ökonomischen Begründungen. Wollten sie sich damit auseinandersetzen, müssten sie ja die schreckliche Ökonomie berühren, aber nein, igittigitt.

[...]

Nichts schreibt sich von allein!

Nur für Abonnenten

MAKROSKOP analysiert wirtschaftspolitische Themen aus einer postkeynesianischen Perspektive und ist damit in Deutschland einzigartig. MAKROSKOP steht für das große Ganze. Wir haben einen Blick auf Geld, Wirtschaft und Politik, den Sie so woanders nicht finden.

Dabei leben wir von unseren Autoren, ihren Recherchen, ihrem Wissen und ihrem Enthusiasmus. Gemeinsam scheren wir aus den schmaler werdenden Leitplanken des Denkens aus.

Wir verlassen die journalistische Filterblase, in der sich viele eingerichtet haben. Wir öffnen Fenster und bringen frische Luft in die engen und verstaubten Debattenräume.

Brauchen Sie auch frische Luft? Dann folgen Sie einfach dem Button.

ABONNIEREN SIE MAKROSKOP
Schon Abonnent? Dann hier einloggen!