Das Ende der Dollar-Ära?
Der US-Dollar hat seine Position als die führende Reservewährung der Welt rund 80 Jahre lang behauptet. Jedoch wird die Kritik an seiner Dominanz immer lauter, insbesondere in den BRICS-Ländern. Ist die Vormachtstellung des Dollar gefährdet und welche Entwicklung könnte das globale Währungs- und Finanzsystem nehmen?
Seit dem Jahr 1944 ist der US-Dollar die wichtigste internationale Reservewährung, das heißt die Währung, die von Zentralbanken primär zur Sicherung der internationalen Liquidität in der Währungsreserve gehalten wird und die als solche am häufigsten für den Handel und andere internationale Transaktionen verwendet wird. Doch die Kritik an der dominanten Position des US-Dollar wächst. Insbesondere die BRICS-Staaten (ein Zusammenschluss der namensgebenden Mitglieder Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika, dem am 1. Januar 2024 nun auch Iran, Ägypten, Äthiopien und die Vereinigten Arabischen Emirate beigetreten sind) wollen sich von der Dollar-Abhängigkeit lösen. Sie fördern aktiv die Nutzung nationaler Währungen im Handel und bei Transaktionen; gleichzeitig versucht China, die internationale Verwendung seiner Währung, des Renminbi, zu erhöhen.
Im Folgenden soll zunächst kurz auf die Entstehung und Entwicklung des US-Dollar als weltweit bedeutendste Reservewährung eingegangen werden, um dann zu untersuchen, warum die Unzufriedenheit mit der Dollar-Dominanz zugenommen hat und ob die globale Leitwährung tatsächlich „so gefährdet ist wie nie zuvor“, wie das „Handelsblatt“ vor einiger Zeit titelte und wie auch in anderen Medien gelegentlich behauptet wird.
Bretton Woods und das Triffin-Dilemma
In der Stadt Bretton Woods im US-Bundesstaat New Hampshire wurde im Sommer 1944 die internationale Währungsordnung für die ersten Jahrzehnte nach dem Zweiten Weltkrieg ausgehandelt. Das 1946 eingeführte sogenannte „Bretton-Woods-System“ verpflichtete die Zentralbanken der teilnehmenden 44 Länder, ihre Währungen zu vereinbarten festen Kursen gegenüber dem US-Dollar zu halten. Die US-Regierung wiederum sagte zu, jederzeit US-Dollar in Gold umzutauschen – und zwar zum festen Kurs von 35 US-Dollar je Feinunze.
Der Reservestatus einer Währung erhöht die Auslandsnachfrage nach ihr. Um diese Nachfrage zu befriedigen, stellt der Emittent einer Reservewährung die Währung entweder über die Kapitalbilanz oder über die Leistungsbilanz bereit.[1] Aus US-Sicht betrachtet bedeutet dies konkret: Damit der Dollar seine Funktion als internationale Reservewährung ausüben kann, müssen der Welt US-Dollar zugeführt werden. Hier gibt es drei Möglichkeiten: Die Zuführung von Dollar kann durch internationale Kreditvergabe von Seiten der USA, durch US-amerikanische Käufe ausländischer Vermögenswerte oder durch Leistungsbilanzdefizite der USA erfolgen.
Jedoch sind für das Land, das die weltweit dominierende Reservewährung ausgibt, anhaltende Defizite in seiner Leistungsbilanz nur dann tragbar, wenn die Währung nicht in Gold konvertierbar ist. Ist sie in Gold konvertierbar und wird sie gleichzeitig vom Rest der Welt stark nachgefragt, entsteht das vom Ökonomen Robert Triffin beschriebene und nach ihm benannte „Triffin-Dilemma“: Triffin (1960) zufolge muss der Emittent dieser Währung einerseits (mit Hilfe von Leistungsbilanzdefiziten) genug davon liefern, je mehr er andererseits aber liefert, desto schwieriger wird es, das Versprechen der Gold-Konvertierbarkeit zu erfüllen und das Vertrauen in die Reservewährung aufrechtzuerhalten.
So ist es letztlich nicht überraschend, dass die Befreiung des US-Dollar von den Fesseln einer festen Goldparität – im August 1971 hatte US-Präsident Nixon die Konvertierbarkeit des US-Dollar in Gold faktisch aufgehoben – nicht zu einer dauerhaften Schwächung der Stellung des Dollar im Weltfinanzsystem führte, wie viele Beobachter damals befürchteten. Ganz im Gegenteil stieg die Verwendung des US-Dollar als internationale Währung auf ein zuvor nie da gewesenes Niveau. Der US-Dollar blieb die wichtigste Reservewährung der Welt.
Zunehmende Unzufriedenheit mit der Dollar-Vorherrschaft
Jedoch ist die Unzufriedenheit mit der Dominanz des US-Dollar in der Weltwirtschaft in den letzten Jahren gewachsen, nicht allein in den BRICS-Ländern. Was sind die Gründe hierfür?
Jörg Mayer (2024) vermutet, dass zum einen das Vertrauen in den Dollar schon deshalb zurückgegangen ist, weil der Anteil der US-Wirtschaft an der Weltproduktion mit dem Aufstieg der Schwellenländer schrumpft. Tatsächlich beträgt der Anteil der USA am (kaufkraftbereinigten) globalen Bruttoinlandsprodukt (BIP), der in den 1980er Jahren noch zwischen 20,9 und 22,1 Prozent lag, im Jahr 2023 nur noch 15,6 Prozent. Dies impliziert nach Mayer einen Rückgang des Anteils, den die Vereinigten Staaten als sichere internationale Vermögenswerte durch ihre offiziellen Schuldtitel bereitstellen könnten, was wiederum bedeute, dass die USA nicht auf unbegrenzte Zeit der einzige Anbieter sicherer Vermögenswerte für die Welt bleiben könnten – ein Phänomen, das auch als "neues Triffin-Dilemma" bezeichnet wird. Demnach ist das Problem also ein Anstieg der Nachfrage nach sicheren Anlagen durch den Rest der Welt im Verhältnis zur abnehmenden relativen Größe der US-Volkswirtschaft (Gourinchas et al. 2019).
Nun ist die Verringerung des Anteils der USA an der globalen Wirtschaftsleistung zwar nicht unbedeutend, aber auch nicht dramatisch. Wichtiger erscheint deshalb ein anderes Motiv für den möglichen Vertrauensverlust in den Dollar und die Vereinigten Staaten, das Mayer mit Recht ebenfalls benennt: die Sanktionspolitik der USA.
Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 änderten die USA die Art ihrer Sanktionen von der Ausrichtung auf Länder stärker hin zum Ausschluss strategischer Industrien und mächtiger Einzelpersonen von den grenzüberschreitenden Dollar-Zahlungskanälen (wie SWIFT und CHIPS[2]) – ein Phänomen, das manchmal als „Einsatz des Dollar als Waffe“ (weaponization of the dollar) bezeichnet wird. Sanktionen, die den Zugang zu den Institutionen und der Infrastruktur einschränken, die den internationalen Zahlungsverkehr unterstützen (wie z. B. das SWIFT-Netzwerk), sind ein besonderer Störfaktor. Jede Art von grenzüberschreitender Wirtschaftsaktivität, sei es finanziell oder real, erfordert den Zugang zum internationalen Zahlungssystem.
Häufig wird bei Sanktionen das internationale Korrespondenzbankensystem genutzt. Dies bietet sich an, da New Yorker Banken eine starke Position im internationalen Zahlungsverkehr einnehmen und mithin viele Transaktionen über Konten in den Vereinigten Staaten laufen, an denen dann Strafmaßnahmen ansetzen können.
Vor allem aber könnte das Einfrieren von etwa der Hälfte der Währungsreserven der russischen Zentralbank nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine einen Wendepunkt in der Akzeptanz des Dollar als Reservewährung markieren. Zentralbanken von Ländern, die geopolitisch nicht mit den USA verbündet sind, sehen sich nun noch stärker mit der Gefahr konfrontiert, dass ihre Reserveguthaben konfisziert und eingefroren werden könnten, zumal Russland keineswegs das erste von einem solchen Sanktionsinstrument betroffene Land ist: Ähnliche Maßnahmen hatten die USA zuvor schon gegen den Iran, Venezuela, Kuba, Simbabwe, Afghanistan und andere Länder verhängt.
Mayer bezeichnet dies als ein „geopolitisches Triffin-Dilemma“ (Mayer 2024, S. 6). Je höher die Erwartung zukünftiger derartiger Restriktionen, desto mehr werden vermutlich die Bemühungen um eine Abkehr vom Dollar zunehmen. Fabio Panetta, Chef der italienischen Zentralbank Banca d’Italia, stellt mit Recht fest:
„Der Einsatz einer Währung als Waffe verringert unweigerlich ihre Attraktivität und fördert das Aufkommen von Alternativen“ (Panetta 2024, S. 3; Übersetzung durch den Verf.).
Die jüngste Entwicklung der Dollar-Dominanz
Natürlich stellt sich hier die Frage, ob es in den letzten Jahren bereits zu Veränderungen hinsichtlich der dominierenden globalen Rolle des US-Dollar gekommen ist. Wie aus folgender Tabelle ersichtlich, hatte der US-Dollar im zweiten Quartal 2024 immer noch einen Anteil von 58,2 Prozent an den weltweiten Devisenreserven der Zentralbanken (genauer: den einer Währung zugeordneten Reserven; in der Tabelle „gebundene Reserven“), gefolgt vom Euro (19,8 Prozent), dem japanischen Yen (5,6 Prozent) und dem britischen Pfund (4,9 Prozent). Der chinesische Renminbi kommt nur auf einen Anteil von 2,1 Prozent.
Darüber hinaus spielt der US-Dollar weiterhin eine zentrale Rolle bei den weltweiten Transaktionen auf den Devisenmärkten, bei den internationalen Schuldverschreibungen und Anleihen, bei den grenzüberschreitenden Zahlungen sowie als Fakturierungswährung im Welthandel, wobei jeweils die Anteile des Dollar das Gewicht der USA in der globalen Produktion und im Welthandel bei weitem übersteigen (Mayer 2024, S. 7).
Steigender Anteil der Goldreserven
Ein Ende der internationalen Dominanz des US-Dollar scheint damit nicht in Sicht. Interessant ist jedoch der in jüngerer Zeit gestiegene Anteil von Gold bei der Reservehaltung der Zentralbanken; eine Verschiebung, die eine Reaktion auf den oben erwähnten Einsatz der Währung als Waffe sein könnte, da über Gold auch im Fall von Sanktionen weiter frei verfügt werden kann. Arslanap et al. (2023) analysieren anhand von Daten für 144 Länder wirtschaftliche Bedingungen und geopolitische Faktoren als mögliche Bestimmungsfaktoren für den Anteil der in Gold gehaltenen Zentralbankreserven. Ihre ökonometrischen Ergebnisse zeigen, dass insbesondere in den Schwellenländern „sowohl das Volumen als auch der Wert der Goldreserven mit der Verhängung von Sanktionen seitens der USA, des Vereinigten Königreichs, des Euroraums und Japans im aktuellen oder in den unmittelbar vorangegangenen Jahren steigen“ (ebenda, S. 30; Übersetzung durch den Verf.).
In dieses Bild passen die Veränderungen bei Chinas Goldreserven, die mit entgegengesetzten Verschiebungen bei den chinesischen Beständen an US-Staatsanleihen zusammenfallen[3], wie aus folgender Abbildung ersichtlich:
Offenbar hat China im Jahr 2014 nach der Verhängung der ersten US-Sanktionen gegen Russland, die als Reaktion auf den Anschluss der Krim an Russland erfolgten, die Aufstockung seiner US-Staatsanleihen gestoppt. Im März 2022, nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine und der Verhängung weiterer Sanktionen durch die USA, beginnen Chinas Bestände an US-Staatsanleihen dann sogar deutlich zu sinken. Gleichzeitig sind die Goldreservebestände Chinas seit 2015 auf ein deutlich höheres Niveau als zuvor gestiegen.
Voraussetzungen für die Dominanz einer Währung
Zeigen sich damit erste Anzeichen eines Endes der Dollar-Vorherrschaft? Wird zukünftig eine andere Währung, speziell der Renminbi, die Rolle der bedeutendsten Reservewährung übernehmen? Um diese Fragen zu beantworten, ist zunächst zu klären, welche Charakteristika eine nationale Währung aufweisen muss, um internationale Funktionen übernehmen, um also zu einer international relevanten Währung werden zu können. Hier kommt der spezifischen Vermögenssicherungsqualität einer Währung (Riese 1986, S. 232ff) eine zentrale Rolle zu, die das Vertrauen in die inländische und externe Stabilität der Währung widerspiegelt. Diese Qualität einer Währung wird durch mehrere Faktoren bestimmt (vgl. auch Herr 2018; Herr/Kellermann 2022):
Erstens müssen die aktuelle und die erwartete Inflationsrate niedrig sein, da ein kontinuierlicher starker Anstieg des Preisniveaus die Vermögenssicherungsfunktion des Geldes erodiert (Riese 1986, S. 146f). Zerstört wird mit einem Prozess anhaltender Preisniveausteigerungen auch der Status als sicherer Hafen in einer unsicheren Weltwirtschaft und in Krisenzeiten, der für eine Währung mit internationalen Funktionen essenziell ist. Die Qualität einer Währung bemisst sich mithin wesentlich an deren erwarteter Stabilität und folglich an dem Vertrauen in den Willen und die ökonomische und politische Fähigkeit der Institutionen des entsprechenden Landes, diese Stabilität zu garantieren.
Zweitens sind ein stabiler Wechselkurs und stabile makroökonomische Bedingungen für die Vermögenssicherungsqualität des Geldes konstitutiv. Mehrmalige kräftige Währungsabwertungen in Folge fließen in die Erwartungsbildung der Akteure am Devisenmarkt ein und können den Verlust der Vermögenssicherungsqualität der betreffenden Währung zur Folge haben.
Drittens spielt für eine Währung mit internationalen Funktionen das Ausmaß der Konvertibilität, also der Umtauschmöglichkeit in andere Währungen, eine wichtige Rolle. Besteht eine uneingeschränkte Konvertibilität, ist es Anlegern möglich, in beliebigem Umfang Geld in der Währung anzulegen und auch wieder abzuziehen. Ist dagegen die Konvertibilität eingeschränkt, sind Anleger in ihrer Dispositionsfreiheit behindert, was in ihrer Sicht die Qualität der Währung vermindert.
Viertens sind auch die Größe der Volkswirtschaft und mit ihr der Umfang des Währungsraumes von wichtiger Bedeutung: Je größer der Währungsraum ist, desto größer ist der Vorteil der Vermögenshaltung und desto geringer sind die Wechselkursrisiken. So können etwa bei einem großen Wirtschaftsraum auch bedeutende Anleger Geld aus einer internationalen Währung abziehen, ohne dass es zu einem wesentlichen Effekt auf den Wechselkurs kommt.
Fünftens sind das internationale politische Gewicht und die militärische Stärke eines Landes für die globale Rolle seines Geldes maßgebend. Nur ein großes, auch militärisch starkes Land gilt im Allgemeinen als ein sicherer Hafen für Vermögensanlagen.
Sechstens dürfen bei einer international dominierenden, weit verbreiteten Währung die Netzwerkeffekte durch die bestehende grenzüberschreitende Zahlungsinfrastruktur nicht übersehen werden, die sich herausgebildet haben und die Verwendung dieser Währung verstärken und stabilisieren. Sie erschweren den Übergang auf eine andere Währung erheblich.
Die Vorteile der US-Währung
Zieht man die obigen Faktoren in Betracht, so zeigt sich, dass der US-Dollar in besonderer Weise geeignet ist, die Rolle der führenden Reservewährung zu übernehmen. Denn die USA vereinen die wesentlichen Kriterien, die für eine solche Rolle notwendig sind: Sie verfügen über eine große Volkswirtschaft und einen großen, als besonders liquide und sicher angesehenen Vermögensmarkt (inklusive eines großen und tiefen Marktes für Staatsanleihen), die Möglichkeit des jederzeitigen Umtausches ihrer Währung in andere Währungen, eine dominante politische und militärische Position, starke Netzwerkeffekte mit Beharrungstendenz und eine im internationalen Vergleich niedrige Inflationsrate.
Auch der Euro dürfte die führende Rolle des Dollar in absehbarer Zeit nicht gefährden: Zwar gab es bei seiner Einführung im Jahr 1999 die Hoffnung, dass sich die europäische Währung zu einer dem US-Dollar ebenbürtigen Reservewährung entwickeln würde. Dem standen jedoch die wirtschaftliche Heterogenität der Mitgliedstaaten sowie die Konstruktionsfehler der Eurozone (insbesondere der Verlust der Währungssouveränität der einzelnen Mitgliedsländer bei gleichzeitiger Geltung strenger EU-Fiskalregeln) und ihre Folgen entgegen. Auch politisch spricht der Euroraum nicht mit einer Stimme und es existiert keine europäische Armee.
Zudem hat das Dollarsystem einen weiteren großen Vorteil gegenüber möglichen Alternativen (vgl. auch Murau 2023): Es hat sich nämlich in der globalen Finanzkrise von 2008, die auch einen „Run“ auf im Ausland gehaltene US-Dollar zur Folge hatte, als äußerst effizient in der Krisenbewältigung erwiesen. Damals stützte die US-amerikanische Fed entschlossen das internationale Dollarsystem – vor allem mit Hilfe neu eingeführter sogenannter Dollar-Swap-Lines.
Bei solchen Swaps handelt es sich um kurzfristige Instrumente, mit denen in Zeiten finanzieller Anspannungen eine Notversorgung ausländischer Zentralbanken mit Dollar sichergestellt werden kann. Wenn eine ausländische Zentralbank ihre Dollar-Swap-Line bei der Federal Reserve in Anspruch nimmt, verkauft sie einen bestimmten Betrag ihrer Währung an die Federal Reserve im Tausch gegen Dollar zum aktuellen Marktwechselkurs. Gleichzeitig schließen die Federal Reserve und die ausländische Zentralbank eine Vereinbarung über eine zweite Transaktion ab, die die ausländische Zentralbank verpflichtet, ihre Währung zu einem bestimmten Termin in der Zukunft zu demselben Wechselkurs zurückzukaufen.
Indem die Federal Reserve so anderen Zentralbanken – einschließlich der Europäischen Zentralbank – teilweise unbegrenzte Dollar-Liquidität zur Verfügung stellte, übernahm sie im Prinzip die Funktion des „Kreditgebers der letzten Instanz“ auch für Dollar außerhalb der Vereinigten Staaten. Die US-amerikanische Notenbank leistete auf diese Weise einen ganz wesentlichen Beitrag zur Stabilisierung des globalen Währungs- und Finanzsystems und – damit verbunden – zur Festigung der Attraktivität des Dollar als internationale Reservewährung.
Kurzfristige Alternativen nicht in Sicht
Dennoch verlangen insbesondere die BRICS-Staaten bereits seit ihrem ersten Gipfeltreffen im Jahr 2009, dass der US-Dollar als weltweit dominierende Reservewährung abgelöst werden müsse. Aber durch was? Die Vorschläge reichten in den vergangenen Jahren von einer anderen Währung über einen Korb von Währungen bis hin zu einer Globalwährung. Am einfachsten umsetzbar und damit auch am realistischsten wäre die Ausweitung der internationalen Rolle einer einzelnen nationalen Währung. Hier böte sich der chinesische Renminbi an, also die Währung des Landes mit dem inzwischen (2023) größten kaufkraftbereinigten Bruttoinlandsprodukt (BIP) weltweit.
Nimmt man die oben angeführten Kriterien zum Maßstab, wird jedoch deutlich, dass die chinesische Währung noch nicht in der Lage ist, umfassende internationale Funktionen zu übernehmen: So ist der Renminbi weit von einer (vollständigen) Konvertibilität entfernt und China hält weiter an Kapitalverkehrsbeschränkungen fest. Insgesamt basiert das Wirtschaftsmodell Chinas bisher großenteils auf einem staatlich kontrollierten Finanzsystem, was die Bereitschaft vieler ausländischer Anleger hemmen dürfte, in großem Umfang Renminbi zu halten oder sich an Chinas Finanzmärkten zu engagieren (dazu auch Mühleisen 2022 und Graham/Tran 2024). Auch hinkt China hinsichtlich der politischen und militärischen Stärke noch klar den USA hinterher.
Darüber hinaus gibt es sogar innerhalb der BRICS-Gruppe zwei große Hindernisse, die der Bildung einer einheitlichen Koalition gegen den Dollar entgegenstehen. Zum einen unterhalten einige BRICS-Mitglieder engere Beziehungen zu den USA als zu anderen BRICS-Mitgliedern. Dies ist im Falle Indiens und seiner Beziehungen zu den Vereinigten Staaten und zu China offensichtlich. Zum anderen sind manche BRICS-Länder, wie Brasilien und Südafrika, weniger durch US-Sanktionen bedroht und stärker in das Dollarsystem integriert als andere. Daher gibt es unter den BRICS-Mitgliedern keinen Konsens über die Dringlichkeit, mit der die Entdollarisierung vorangetrieben werden sollte. Alle sind daran interessiert, ihre Abhängigkeit vom US-Dollar zu verringern, aber nicht alle wollen sich von dem US-geführten globalen Finanzsystem lösen. Die BRICS-Mitglieder halten insgesamt immer noch große Mengen an US-Dollar-Vermögenswerten als Währungsreserven, so dass die Schwächung des US-Dollar für sie Verluste bedeutet (Liu/Papa 2022).
So ist auch die gelegentlich geäußerte Sorge, dass die BRICS-Staaten versuchen könnten, einen Großteil ihrer Dollarbestände schnell und zeitgleich loszuwerden, d.h. gegen eine andere Währung einzutauschen, unbegründet. Länder mit großen Dollar-Reservebeständen wissen, dass eine starke Reduzierung dieser Bestände zu einer Abwertung des Dollars führen könnte und werden sich deshalb vor schlagartigen Umschichtungen ihrer Devisenbestände hüten. Denn damit wäre eine Entwertung der verbleibenden US-Dollarbestände verbunden (dazu auch Grunert 2018).
Langfristige Perspektiven
Der US-Dollar ist also immer noch die hegemoniale Währung in fast allen Bereichen des derzeitigen globalen Finanzsystems und es ist unwahrscheinlich, dass er in nächster Zeit seine führende Rolle verlieren wird. Aber wie in den 1930er Jahren die Ära des britischen Pfund als wichtigste internationale Reservewährung zu Ende ging und der US-Dollar begann, an seine Stelle zu treten, wird auch die Vormachtstellung des US-Dollar nicht für alle Zeit fortbestehen.
Der Übergang zu einem neuen, nicht mehr vom Dollar dominierten Währungssystem dürfte sich jedoch in einem langandauernden Prozess vollziehen, der sich nicht nur über Monate oder Jahre, sondern über Jahrzehnte erstrecken könnte. Er wird mit vielen schrittweisen politischen Veränderungen verbunden sein, die darauf abzielen, Nicht-Dollar-Regelungen zu fördern. Ein gutes Beispiel sind die mehr als 40 bilateralen Swap-Vereinbarungen, die China mit ausländischen Zentralbanken zwischen 2009 und 2020 abgeschlossen hat, weil mit ihnen indirekte Verrechnungen über den US-Dollar unnötig werden.[4]
Auch könnten neue digitale Zahlungstechnologien und digitale Zentralbankwährungen das Dollar-dominierte System langfristig schwächen. China ist Pionier in der Entwicklung und Einführung von digitalem Zentralbankgeld und verfolgt das Ziel, die Zukunft der Blockchain-Technologie und generell des digitalen Geldes und Zahlungsverkehrs aktiv selbst zu gestalten und damit eine Führungsposition in der Digitalisierung des internationalen Zahlungsverkehrs zu erreichen. Digitale Zahlungssysteme könnten dazu führen, dass es zukünftig wesentlich leichter und zudem kostengünstiger wird, Dollar und auch Euro zu umgehen. Im Ergebnis würde die Internationalisierung des Renminbi neuen Auftrieb erhalten (Hilpert 2024).
Dabei wird es vermutlich nicht darum gehen, dass eine andere Währung – etwa der Renminbi – die Rolle des Dollar übernimmt, sondern „nur“ darum, ein Währungsregime zu schaffen, das die Dominanz des Dollar beendet. Der Weg dahin könnte über eine Verschärfung der Konkurrenz zwischen Währungen, die um ihre Position als Reservewährungen kämpfen, tendenziell in Richtung eines Multiwährungsstandards führen: im globalen Norden der US-Dollar und der Euro, dazu ein Währungsblock um den Renminbi sowie Länder mit einer eher neutralen Position (beispielsweise Indien) und diversifizierten Währungsreserven.
Auch ein Multiwährungsstandard ist nicht unproblematisch, da er große Instabilitätspotenziale in sich birgt. Zu diesen zählen mögliche sehr rasche Portfolioumschichtungen zwischen Währungen und damit zunehmende Währungsturbulenzen, aber auch das Fehlen eines Landes mit der ökonomischen Macht, allein als internationaler Kreditgeber der letzten Instanz zu fungieren (vgl. z.B. Heine/Herr 2013, S.723-725). Letztendlich werden sich diese und andere Probleme eines Multiwährungsstandards nur durch globale Kooperation und den Aufbau entsprechender internationaler Institutionen lösen lassen.
Dieser Beitrag erschien zuerst (leicht gekürzt) in der Zeitschrift „Gesellschaft – Wirtschaft – Politik“ (GWP), 73. Jahrg., Heft 4/2024, S.439-444. Wiederabdruck mit freundlicher Genehmigung des Verlages Barbara Budrich (Opladen, Berlin & Toronto).
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