Editorial

Der Trump-Effekt

| 25. Januar 2025
IMAGO / ZUMA Press Wire

Liebe Leserinnen und Leser,

kaum im Oval Office, erließ Donald Trump öffentlichkeitswirksam einen Berg an Dekreten, die zum Teil die schlimmsten Befürchtungen seiner Kritiker bestätigten. Einiges davon hatte es in sich, darunter der Ausstieg aus dem Pariser-Klimaabkommen. Anderes bleibt reine Effekthascherei. So oder so bedeutet Trumps Präsidentschaft eine Zäsur auf den unterschiedlichsten Ebenen. Die nächsten vier Jahre unter seiner Ägide werden die Klima-, Handels-, Geo- und Wirtschaftspolitik der Welt maßgeblich beeinflussen und verändern. Wie und auf welche Weise das passieren könnte, reißen unsere Autoren in dieser Ausgabe an.

Für Joseph Kuhn ist das Comeback von Trump im Weißen Haus nicht weniger als eine „zweite Zeitenwende“. Mit dem 47. US-Präsidenten sei der völkerrechtsignorante amerikanische Exzeptionalismus aus seiner bisherigen Einhegung ausgebrochen. Er legitimiere sich nicht mehr mit einer zivilisatorischen Mission, sondern nur noch mit bloßem Machtwillen. Dieser Machtwille sei „bündniskannibalistisch“ geworden, so Kuhn: die Hegemonialmacht nehme keine Rücksichten mehr auf die eigenen Verbündeten.

Das bekommt die EU auch in der Handelspolitik zu spüren. Donald Trump hat den Handelskrieg gegen Europa eröffnet, schreibt Eric Bonse in seiner Kolumne „Brief aus Brüssel“. Doch die EU reagiert defensiv und setzt darauf, dass sich Trump zunächst Mexiko und Kanada vorknöpfen wird. Für Europa gelte der Stichtag 1. April, heißt es in Brüssel. Dann treten nämlich die Zölle auf Stahl und Aluminium wieder in Kraft, die Trump bereits in seiner ersten Amtszeit eingeführt hatte.

Angesichts dieses US-Protektionismus und des Handelskriegs mit China setzen einige EU-Staaten, darunter Deutschland, deshalb auf das EU-Mercosur-Abkommen, das neue Märkte für die in die Bredouille geratenen europäische Unternehmen erschließen soll. Doch der Mercosur-Deal berge neben Chancen auch Gefahren, so die Einschätzung von Sergio Paez.

Ähnliches gilt für die Klimapolitik. Mit dem Ausstieg der USA aus den Pariser Klimaabkommen und US-Zöllen auch auf chinesische Solar- und Elektrotechnologien scheint die globale Energiewende auf dem ersten Blick beerdigt zu sein. Doch Chinas Cleantech-Sektor sei wenig anfällig für die Zölle der Trump-Regierung, schreiben Lauri Myllyvirta und Hubert Thieriot. Von 2021 bis 2024 waren 70 Prozent des Wachstums der chinesischen Exporte von Solar-, Wind- und Elektrofahrzeugen auf die Schwellen- und Entwicklungsländer zurückzuführen. Sie könnten auf diese Weise die globale Energiewende sogar beschleunigen.

Kommen wir zur KI und dem Innern der Vereinigten Staaten. Die aufkeimenden Beziehungen zwischen Big Tech und der US-Regierung gestalten die Zukunft des Landes neu – und werden unter Donald Trump wahrscheinlich einen massiven Schub erhalten, glaubt Thomas Fazi. Die wachsende Macht dieses „technologisch-militärischen Komplexes“ werde nicht nur das Handeln der Trump-Regierung beeinflussen, sondern auch die amerikanische Gesellschaft – und die gegenseitige Abhängigkeit zwischen staatlicher Macht und Unternehmensinteressen verfestigen.

Alle Themen dieser Ausgabe:

  • Welchen Sinn hat ein Gasnetzrückbau? Deindustrialisierung, anhaltende konjunkturelle Schwäche – und dann die Pläne des scheidenden Wirtschaftsministers Robert Habeck zum Gasnetzrückbau. Die Kritiker toben. Dabei birgt der Plan durchaus Chancen. Lukas Poths
  • Trumps Amtsantritt: Die zweite Zeitenwende Trump und Putin denken in den gleichen Kategorien. Sie haben die Macht, sich über die Regeln hinwegzusetzen und sie tun es. Dass die USA das nun selbst gegenüber den eigenen Verbündeten so handhaben, markiert eine zweite Zeitenwende. Joseph Kuhn
  • Amerikas technologisch-militärische Zukunft: Wie KI die globale Vorherrschaft sichern soll Joe Biden warnte in seiner Abschiedsrede vor einer neuen Oligarchie und einem „technisch-industriellen“ Komplex. Tatsächlich verheißen die aufkeimenden Beziehungen zwischen Big Tech und der Regierung Trump wenig Gutes. Thomas Fazi
  • Der große Tiktok-Moment Der Versuch der US-Gesetzgeber, ihre Bürger vor Cyber-Angriffen und chinesischer Propaganda zu schützen, ging nach hinten los – und endete in einem großen Fest der Völkerverständigung. Folgt nun der Kater? Ulrike Simon
  • Freundliche Floskeln gegen den Handelskrieg US-Präsident Trump ist mit Attacken auf Europa in seine zweite Amtszeit gestartet. Die EU reagiert darauf äußerst defensiv. Denn die Abhängigkeit von den USA ist größer denn je. Und eine eigene Strategie hat man in Brüssel noch immer nicht. Eric Bonse
  • Big Government – und die Gefahr von 'Stranded Assets' Klimakrisen und damit verbundene soziale und politische Umwälzungen werden staatliche Eingriffe erfordern, die zu einem neuen „Minsky-Moment“ führen könnten: dem systemischen Platzen globaler fossiler und finanzieller Vermögenswerte. Ann Pettifor
  • Die Fallstricke des EU-Mercosur-Abkommens Die zweite Präsidentschaft Donald Trumps steht ganz im Zeichen des Protektionismus und es Handelskriegs mit China. In dieser für Europa unvorteilhaften Entwicklung verspricht das Mercosur-Abkommen neue Märkte. Doch es birgt auch Gefahren. Sergio Paez
  • Warum Chinas saubere Energie keine US-Zölle fürchten muss Chinas Solar- und Elektrotechnologien sind wenig anfällig für die Zölle der Trump-Regierung. Sie könnten sogar die globale Energiewende beschleunigen. Lauri Myllyvirta und Hubert Thieriot
  • Deutsche Wirtschaft: Seit zwei Jahren im Niedergang Die größte Wirtschaft Europas ist das zweite Jahr in Folge geschrumpft. Doch für eine Trendwende hat Deutschland kein Rezept. Hans-Peter Roll