DeepSeek: China blamiert U.S. Big Tech
Das chinesische Unternehmen DeepSeek veröffentlichte ein Modell für künstliche Intelligenz, das effizienter und genauso gut ist wie amerikanische Modelle. Was bedeutet dieser Durchbruch? Ist das der Boeing-Moment für Big Tech?
Das chinesische KI-Unternehmen DeepSeek veröffentlichte jüngst auf Open-Source-Basis eine Reihe von Modellen für künstliche Intelligenz, die kostengünstiger sind als US-Modelle. Offensichtlich konzentrierte sich DeepSeek vor allem auf Effizienz, anstatt mehr reine Rechenleistung für das Training seines Modells aufzubauen. In dieser Hinsicht sind seine Ergebnisse besser als die jedes US-Unternehmens.
Die USA setzen massiv auf diese neue Technologie – und aufgrund der amerikanischen Exportkontrollen kann China im KI-Wettrennen nicht auf die hochleistungsfähigsten Chips zurückgreifen. Gerade dadurch wird die Leistung von DeepSeek umso beeindruckender. Und sie löste in der KI-Szene einen regelrechten Schock aus.
Es gibt auch weiterreichende Konsequenzen: Ein Großteil der amerikanischen Börsenbewertung basiert auf dem Versprechen der künstlichen Intelligenz. Tech-Giganten wie Microsoft, Amazon, Meta und Google, auch bekannt als „Hyperscaler“, investierten Hunderte Milliarden Dollar in den Kauf von mehr Rechenzentren. Um den erforderlichen Strom dafür bereitzustellen, wurde sogar das Stromnetz neu organisiert, einschließlich des Neustarts eines Kernreaktors in Three Mile Island.
Die Idee dahinter ist, dass diese enormen Investitionen in KI den amerikanischen Big Techs einen Wettbewerbsvorteil verschaffen, um die Welt neu zu gestalten und die Dominanz der Vereinigten Staaten auch in den nächsten Jahrzehnten zu sichern.
Die Leistung von DeepSeek ist daher für die USA nicht nur furchtbar peinlich, sondern auch bedrohlich – sowohl für die Big Techs als auch den amerikanischen Sicherheitsapparat. Man ging davon aus, dass eine mangelnde Rechenleistung ein Wettbewerbshemmnis in der KI ist, doch die neuen chinesischen Modelle deuten darauf hin, dass dieser möglicherweise nicht so groß ist, wie gedacht. Inzwischen stürzen die Aktienkurse der KI-Unternehmen, und die Leerverkäufe haben Hochkonjunktur
PR-Kampagne der chinesischen Geheimdienste?
Natürlich ist alles rund um Künstliche Intelligenz und nationale Sicherheit nebulös, weil es so stark in den Spionageapparat eingebettet ist, kombiniert mit schwer zu entschlüsselnder Propaganda. DeepSeek vermeldet, dass es nur zwei Monate dauerte und etwas mehr als 5 Millionen Dollar kostete, um eines seiner Modelle zu bauen. Und das unter Verwendung von minderwertigen Nvidia-Chips, die in China erhältlich sind. Das aber klingt unglaubwürdig. Der KI-Computing-Experte Lennart Heim merkte an, dass die Kostenangaben mit ziemlicher Sicherheit falsch sind. Sowohl der Zeitpunkt der Veröffentlichung als auch die Geschichte von DeepSeek sei mutmaßlich eine strategische PR-Kampagne der chinesischen Geheimdienste, so Heim.
Wahrscheinlicher ist, dass das Unternehmen über eine große Anzahl von Chips verfügte, auf denen es trainieren konnte, da die Exportkontrollen erst im Oktober 2023 wirklich zu greifen begannen und die großen neuen US-Chip-Cluster noch nicht wirklich online sind. Zudem dürfte es technologisches Knowhow geben, das die US-Firmen geheim halten. Einige wenige Open-Source-Modelle aus China sind zwar beeindruckend, bedeuten aber nicht, dass die Führungsposition der USA im Bereich KI verloren ist oder die Strategie der USA, China die besten Chips vorzuenthalten, gescheitert ist.
Amerikas Boeing-Moment: Monopole als Sackgasse
Allerdings bestreitet niemand, dass die technischen Errungenschaften von DeepSeek beeindruckend sind. Der Erfolg deutet darauf hin, dass es auf dem Gebiet der Künstlichen Intelligenz noch vieles gibt, was wir nicht wissen. Und wenn ein chinesisches Unternehmen ein besseres und billigeres Produkt auf den Markt bringt, von dem es behauptet, dass es für weniger Geld produziert wurde, als die meisten Top-KI-Projektmanager in einem Jahr verdienen, dann erinnert das ein Stück weit an die Geschichte von Boeing.
Denn grundsätzlich offenbart diese Entwicklung eine Reihe von Wahrheiten über die technologische Leistungsfähigkeit der USA.
Erstens wies Lina Khan, Vorsitzende der Federal Trade Commission unter der Regierung Biden, zu Recht darauf hin, dass es eine katastrophale nationale Sicherheitsstrategie ist, auf monopolistische nationale Champions zu setzen. Das beste Beispiel ist Boeing in den 1990er Jahren. Khan sagte Folgendes:
„Heutzutage wird das Argument der ‚nationalen Champions‘ oft im Zusammenhang mit unseren dominierenden Technologieunternehmen angeführt. Wir hören, dass Kartellverfahren gegen diese Unternehmen oder deren Regulierung die amerikanische Innovationskraft schwächen und China die globale Bühne überlassen würden. Diese Diskurse gehen von einem Wettrüsten wie im Kalten Krieg aus, bei dem die Unternehmen jedes Landes in einem Nullsummenspiel um die Vorherrschaft kämpfen.“
Die Geschichte und die Erfahrung zeigen, dass schwerfällige Monopole, die in Bürokratie und bürokratischer Trägheit versinken, nicht die bahnbrechenden technologischen Fortschritte liefern können, die hungrige Start-ups in der Regel schaffen. Genau diese Durchbrüche haben es Amerika ermöglicht, Spitzentechnologien zu nutzen. Sie haben die Welt zum Neider der US-Wirtschaft gemacht. Wollen die USA weltweit an der Spitze bleiben, müssen sie ihre Monopole nicht vor Innovationen schützen, sondern ihre Innovationen vor Monopolen schützen. Die USA müssen den Wettbewerb nationalen Champions vorziehen.
Zweitens sind die großen US-Tech-Unternehmen – Meta, Microsoft, Google, Amazon, Apple – träge Bürokratien, die längst nicht mehr gut darin sind, großartige Technologien zu entwickeln und einzusetzen. Der ehemalige Google-Mitarbeiter Praveen Seshadri sagte treffend: „Google hat über 175.000 fähige und gut bezahlte Mitarbeiter, die von Quartal zu Quartal und von Jahr zu Jahr sehr wenig erreichen.“
Das ist kaum überraschend. Jeder, der schon einmal versucht hat, die Suchfunktion in Microsoft Outlook zu nutzen, sollte sich über die Behauptung wundern, ein solches Unternehmen könne Gott aus einem Algorithmus erschaffen. Im Allgemeinen gilt, wie bei Boeing, Intel, General Electric und anderen, dass die Anreize in der amerikanischen Unternehmenswelt darin bestehen, Gewinne aus der Monopolisierung und extraktiven Techniken zu ziehen, nicht aus der Herstellung von mehr und besseren Produkten. Die zugrunde liegende operative Kapazität des eigenen Unternehmens zu zerstören, sieht immer gut aus, da man dadurch zuerst immer mehr Rendite generiert. Bis das nicht mehr funktioniert, wie bei Boeing.
Chinas aggressiver Wettbewerb
Der dritte Grund: Zumindest in einigen Sektoren ist die chinesische Politik viel aggressiver als die amerikanische, wenn es darum geht, den Wettbewerbsdruck zu erhöhen. Und das zahlt sich aus. Die chinesische Elektrofahrzeugindustrie ist weltweit führend, zum Teil aufgrund von Subventionen, aber auch, weil es dort viele Unternehmen gibt, die darum kämpfen, qualitativ bessere Produkte zu niedrigeren Preisen herzustellen.
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Roger Boyd | 29. Januar 2025
Vor einigen Jahren gingen die Chinesen hart gegen ihre großen Technologieunternehmen und den Finanzsektor vor. Viele Menschen auf der ganzen Welt erwarteten katastrophale Folgen für die chinesische Wirtschaft. Xi Jinping ist zwar im Allgemeinen kein guter Wirtschaftslenker, aber diese Entscheidung war clever. ByteDance bringt ständig wieder erfolgreiche Produkte wie TikTok hervor, und jetzt hat DeepSeek mit KI-Modellen aus den USA gleichgezogen oder diese sogar übertroffen. (Es ist bemerkenswert, dass DeepSeek ein Spin-off eines führenden Hedgefonds in China ist.)
Und viertens hatten die Anti-Monopolisten in den USA mit ihrer Strategie Recht. Aber Kartellgesetze brauchen zu lange, bis sie verabschiedet werden. Im Jahr 2021 reichte die Federal Trade Commission erneut eine Klage gegen Facebook wegen der Übernahme von Instagram und WhatsApp ein. Laut der FTC-Beamtin Holly Vedova fehlte es Facebook an Geschäftssinn und technischem Talent, um den Übergang zum Mobilfunk zu überstehen. Als Facebook es nicht vermochte, mit neuen Innovatoren zu konkurrieren, kaufte oder begrub es diese auf illegale Weise, sobald deren Popularität zu einer existenziellen Bedrohung wurde, so Vedova.
Derselbe Mangel an Kompetenz durchzieht das Unternehmen bis heute; mit ein Grund, warum sich Facebook in Meta umbenannt hat, was im Nachhinein ziemlich albern aussieht. Wäre Facebook zerschlagen worden, hätte es vermutlich enorme Innovationen im Bereich der sozialen Netzwerke gegeben. Aber der Fall Facebook ist bisher noch nicht einmal vor Gericht verhandelt worden.
Schließlich: Irgendetwas stimmt bei der KI-Geschichte nicht. Sie könnte immer noch alles revolutionieren, aber sie könnte auch nur eine sehr teure Version von Clippy[1] sein. Wie dem auch sei, die Wettbewerbsvorteile entsprechen jedenfalls nicht den Erwartungen.
Der Artikel erschien auf der Plattform BIG und wurde ins Deutsche übersetzt.
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