Clearing Union

Ein „exorbitantes Privileg“ für alle?

| 30. Januar 2025
Valéry Giscard d'Estaing - IMAGO / Dreamstime

Das Ende der Dollar-Dominanz allein wird das problematische Währungssystem dahinter nicht beenden. Nur multilaterale Abkommen zur internationalen Zahlungsabwicklung bringen den Globalen Süden auf den Weg einer nachhaltigen Entwicklung.

Das Gespenst vom Ende der US-Dollar-Dominanz geistert durch die Staatengemeinschaft. Doch selbst wenn es irgendwann einmal dazu käme, würde das allein den faktischen Währungsimperialismus, der die internationale Ordnung noch immer beherrscht, nicht beenden. Nur bessere multilaterale Vereinbarungen zur Abwicklung internationaler Zahlungen können helfen, die Länder des Globalen Südens auf einen nachhaltigen Entwicklungspfad zu bringen.

Schon De Gaulle war gegen den US-Dollar

Der Kampf gegen die Vorherrschaft des US-Dollars begann indes nicht erst mit den BRICS-Staaten. Der französische Präsident Charles de Gaulle opponierte bereits in den 1960er Jahren. Valéry Giscard d'Estaing, zwischen 1962 und 1966 sein Minister für Finanzwesen und Wirtschaft, prägte den Begriff „exorbitantes Privileg“, um die Dominanz des US-Dollars anzuprangern.

Was Giscard d'Estaing meinte: Mit dem Dollar als globale Reservewährung können die USA ausländische Waren, Dienstleistungen und Vermögenswerte auf Kredit kaufen. Dieses Privileg ermöglicht eine hohe Verschwendung mit begrenzten negativen Auswirkungen auf die Zahlungsbilanz der USA und den Wechselkurs des US-Dollars. Der französische Ökonom Jacques Rueff konstatierte, dass die Vereinigten Staaten auf diese Weise „ohne Tränen“ externe Defizite aufrechterhalten könnten.

De Gaulle forderte die US-Notenbank auf, Frankreichs überschüssige „Eurodollars“ in Gold umzuwandeln. Das zwang die USA, Farbe zu bekennen und 1971 die Illusion der Dollar-Gold-Konvertibilität zu beenden, die das Herzstück des Bretton-Woods-Abkommens von 1944 bildete.

Um in einem vom Dollar dominierten System einen wirtschaftlichen Vorteil zu erlangen, zwang Frankreich nach dem Krieg den meisten seiner ehemaligen afrikanischen Kolonien eine Währungsvereinbarung auf, die ihm ein neokoloniales Privileg einbrachte, das dem der USA sehr ähnelte.

Mit der 1945 geschaffenen CFA-Franc-Zone erlangte Frankreich zwei Vorteile: Erstens musste es keine Dollar halten, um Waren und Dienstleistungen aus den von ihm kontrollierten Gebieten zu kaufen. Zweitens hatte die Grand Nation die vollständige Verfügungsgewalt über die Dollareinnahmen der Zone. Auf diese Weise trug die Währungsvereinbarung trug dazu bei, nicht nur die Kolonien wiederaufzubauen, sondern auch den Wiederaufbau der französischen Wirtschaft nach dem Krieg zu beschleunigen.

Die Ablösung des französischen Franc durch den Euro im Jahr 1999 beendete dieses System allerdings nicht. Heute verwenden noch immer 14 afrikanische Länder südlich der Sahara mit über 200 Millionen Einwohnern den CFA-Franc, der weiterhin unter der rechtlichen Aufsicht des französischen Finanzministeriums steht.

Dass Frankreich von seinen Währungsbeziehungen zu seinen ehemaligen Kolonien bis heute profitiert, bedeutet, dass auch die Rivalen der USA von einer Währungshegemonie profitieren könnten – sofern es ihnen gelingt, die Dominanz des Dollars zu verdrängen, ohne dabei das Prinzip des Währungsimperialismus aufzugeben.

De-Dollarization

Der Begriff De-Dollarization bezieht sich auf die Entwicklung alternativer bilateraler und plurilateraler Zahlungsinitiativen, die die Rolle des Dollars und der auf dem Dollar basierenden Finanzvereinbarungen bei der Begleichung internationaler wirtschaftlicher Verpflichtungen und der Verwaltung von Devisentransaktionen verringern sollen.

Und in der Tat hat sich diese Entwicklung beschleunigt. Im Jahr 2022 wurde das Volumen des Welthandels auf 46 Billionen US-Dollar geschätzt, wobei mehr als die Hälfte in anderen Währungen als dem US-Dollar fakturiert wurde. Immer mehr Länder treiben Handel miteinander und rechnen in anderen Währungen als dem Greenback ab.

Obwohl dieser Trend den Anteil des Dollars an den gesamten offiziellen Devisenreserven geschmälert hat, wird das den Status des Dollars als globale Reservewährung nicht gefährden. Denn der internationale Handel ist nur die Spitze des Eisbergs der internationalen Finanztransaktionen, die immer noch hauptsächlich in US-Dollar abgewickelt werden.

Dass die Vorherrschaft des Dollars aktuell herausgefordert wird, hat viel mit den Finanzsanktionen der USA und ihrer mehrheitlich europäischen Verbündeten gegen mehrere Nationen zu tun – darunter Russland, Iran und Venezuela. Allesamt Länder, die aus dem internationalen Zahlungsverkehrssystem SWIFT ausgeschlossen wurden und/oder mit ansehen mussten, wie ihre Vermögenswerte im Ausland, insbesondere Dollar-, Euro- oder Goldreserven, unter verschiedenen Vorwänden beschlagnahmt wurden.

Angesichts solcher Sanktionen wollen immer mehr Staaten alternative Zahlungssysteme entwickeln, ihre Dollar- und Euro-Reserven reduzieren und sicherere Wege finden, um ihre externen Überschüsse zu parken.

In einem kürzlich veröffentlichten Bericht der russischen Regierung für die BRICS-Staaten wurde diese Instrumentalisierung internationaler Zahlungsvereinbarungen durch den Westen scharf kritisiert. Gefordert wird darin ein internationales Währungs- und Finanzsystem, das mit den Grundsätzen der Sicherheit, Unabhängigkeit, Inklusion und Nachhaltigkeit im Einklang stehe.

Dass ressourcenreiche Länder mit erheblichen Devisenüberschüssen angesichts dieser Vorgehensweise der USA besorgt sind, dürfte kaum überraschen. Der Bericht ging jedoch nicht auf die Probleme und Anliegen der Defizitländer ein, die immerhin einen Großteil des globalen Südens ausmachen.

Eine Internationale Verrechnungsunion

Ein grundlegendes Problem des bestehenden internationalen Währungs- und Finanzsystems besteht darin, dass eine nationale Währung – der US-Dollar – als Reservewährung für den Rest der Welt fungiert.

Dies zwingt die meisten Nationen, insbesondere die der Entwicklungsländer, US-Dollar zu akkumulieren, um ihren externen Verpflichtungen nachzukommen. Da sie aber Schwierigkeiten haben, genügend Devisen in US-Dollar anzulegen, sind sie besonders anfällig für externe Schuldenkrisen.

Diese Probleme werden allerdings auch dann nicht gelöst, wenn die Dominanz des US-Dollars nicht mehr unangefochten ist und sein Privileg mit anderen internationalen Reservewährungen geteilt werden muss.

Ein faires internationales Währungs- und Finanzsystem, das eine nachhaltige Entwicklung unterstützen will, hat vor allem eine Vorrausetzung: es muss die Verpflichtung, Devisenreserven anzuhäufen, beseitigen. Ein Zahlungssystem, in dem jedes Land seine Importe mit seiner eigenen Währung bezahlen kann, wäre technisch machbar. „Wird jede nationale Währung zu einer Weltwährung gemacht, wird dadurch die Schaffung einer neuen Weltwährung überflüssig“, lautete einst das Plädoyer des deutsch-britischen Ökonomen Ernst Friedrich Schumacher für eine Internationale Verrechnungsunion.

Tatsächlich könnten solche Vereinbarungen endlich die grassierenden Finanz- und Schuldenkrisen des globalen Südens angehen. Seit 1944 und dem gescheiterten Vorstoß von John Maynard Keynes für eine Clearing Union gab es jedoch keine weiteren Bemühungen mehr, den für eine solche Transformation erforderlichen multilateralen Konsens zu erreichen.