Wie China das Schicksal der großen Autokonzerne besiegelt
Die chinesischen Automarken laufen nicht nur im Reich der Mitte den westlichen Herstellern den Rang ab. Das hat weitreichende globale Folgen, an denen Zölle nichts ändern werden.
Was in Asien und Australasien geschieht, wird über das Schicksal der großen Automobilhersteller entscheiden. Im Jahr 2024 machte der chinesische Markt für Elektrofahrzeuge mehr als zwei Drittel des globalen EV-Marktes aus. Innerhalb des größten Automarkts der Welt (das Reich der Mitte verkauft 25 Millionen Autos jährlich) beträgt der Anteil chinesischer Elektrofahrzeuge mehr als 50 Prozent.
Anders die Lage der ausländischen Konkurrenz. VW und Toyota gelang es, ihren Absatzrückgang auf etwa 10 Prozent zu begrenzen, indem sie einen größeren Anteil am schrumpfenden chinesischen Segment der Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor („Internal Combustion Engine Vehicles“, ICEV) übernahmen. Zeitgleich brachen die Verkaufszahlen von General Motors und Honda um etwa 25 Prozent, von Nissan um 15 Prozent und von BMW und Audi (Teil des VW-Konzerns) um fast 20 Prozent ein.
Doch da das ICEV-Segment 2025 erneut schrumpfen und möglicherweise nur noch 30 Prozent des chinesischen Automarktes ausmachen wird, wird auch der Absatz von VW und Toyota das bisherige Niveau nicht halten können. Und 2026 wird es noch schlimmer werden. VW und Toyota sind vielleicht die einzigen großen ausländischen Marken, die im ICEV-Segment noch übrig sind, aber dieses Segment wird bis Ende 2026 wesentlich kleiner sein. Gleichzeitig verschärft sich der Kampf um den schrumpfenden Markt für Verbrenner, was einen deutlichen Einbruch der Rentabilität zur Folge haben wird.
Dies auch deswegen, weil auf den rasant wachsenden ASEAN-Märkten wie Indonesien und Thailand die westlichen Automarken von den Chinesen verdrängt werden. Und Indien, wo derzeit noch Marken wie Suzuki, Hyundai, Tata und Mahindra dominieren, hat ein enormes Potenzial für günstigere Massenmarktmodelle. Interessant wird sein, ob das Tauwetter in den Beziehungen zwischen China und Indien auch den Markteintritt chinesischer Autohersteller in Indien mit sich bringen wird.
Westliche Automarken schrumpfen zu regionalen Akteuren
Klar ist: Verlieren die westlichen Automarken ihre Präsenz in Asien und Australasien, schrumpfen sie bestenfalls zu regionalen Akteuren. Abgekoppelt von den schnellen Veränderungen auf dem führenden chinesischen Markt, der zwei Drittel des globalen Marktes für Elektrofahrzeuge ausmacht, werden sie kontinuierlich ins Hintertreffen geraten.
Die Märkte in Südkorea und Japan sind durch zahlreiche „nichttarifäre“ Handelshemmnisse geschützt, wobei erstere 1,7 Millionen und letztere weniger als 5 Millionen Autoverkäufe verzeichnen. Auf beiden Märkten ist der Anteil von Elektrofahrzeugen sehr niedrig. Das könnte sich jedoch ändern, da chinesische Marken beginnen, Elektrofahrzeuge auch in Südkorea und Japan zu verkaufen. Die südkoreanischen und japanischen Hersteller werden damit selbst auf ihren Heimatmärkten angegriffen.
Beide Länder sind Nationen mit hohem Pro-Kopf-Einkommen und einer schnell alternden und schrumpfenden Bevölkerung, in denen die zukünftige wirtschaftliche Entwicklung bestenfalls stagnieren wird. Sowohl in Japan als auch in Südkorea dominieren die heimischen Autohersteller: Toyota, Honda, Nissan, Subaru oder Mitsubishi in Japan, Hyundai-Kia in Südkorea. Diese Autohersteller sind auf viel größere Verkäufe im Ausland angewiesen, um überlebensfähig zu bleiben.
Der US-Markt mit knapp 16 Millionen Verkäufen wird von Lastwagen und SUVs dominiert. Das zusammen mit den weiten Entfernungen (öffentliche Verkehrsmittel sind kaum vorhanden) schränkt die Geschwindigkeit, mit der Elektrofahrzeuge eingeführt werden können, erheblich ein. Selbst mit erheblicher finanzieller Unterstützung durch Bund und Bundesstaaten wuchs der US-Markt für Elektrofahrzeuge im Jahr 2024 nur um zehn Prozent und erreichte einen Anteil von 8,5 Prozent. Mit der Ankündigung der Trump-Regierung, jegliche staatliche finanzielle Unterstützung zu streichen und dem von der Biden-Regierung verhängten 100-prozentigen Anti-China-Elektrofahrzeug-Zoll sind die Aussichten für den Elektrofahrzeugmarkt in den USA düster. Die USA laufen Gefahr, sich in eine Verbrenner-Insel mit einem relativ stagnierenden Verkaufsniveau zu verwandeln, die vom Rest der Welt abgehängt wird.
Doch auch der europäische Automarkt stagniert mit 13 Millionen Verkäufen, da die Subventionen für Elektrofahrzeuge zusammengestrichen worden sind. 2024 gingen die Verkäufe von Elektrofahrzeugen in Europa sogar zurück, wobei der Marktanteil von Elektrofahrzeugen bei 23 Prozent lag. Die jährliche Erhöhung des vorgeschriebenen Marktanteils für Elektrofahrzeuge im Vereinigten Königreich sowie die neue Elektrofahrzeug-Verordnung in der EU für 2025 werden zwar zu einem Anstieg der Verkäufe führen. Aber ohne die bisherige staatliche finanzielle Unterstützung könnte dieses Wachstum für die Autohersteller ohne Gewinne bleiben.
Anti-China-Zölle sind nicht mehr als eine Notlösung
Die EU hat Maßnahmen ergriffen, um ihre einheimische Autoindustrie durch Anti-China-Zölle auf Elektrofahrzeuge zu schützen, aber das ist nicht mehr als eine Notlösung, da chinesische Hersteller zunehmend Produktionsstätten in der EU eröffnen. Darüber hinaus könnte die Angst vor chinesischen Vergeltungsmaßnahmen bald wieder zu einer Senkung dieser Zölle führen. Doch auch die hohen Stromkosten in Europa wirken sich negativ auf das Kosten-Nutzen-Verhältnis von Elektrofahrzeugen im Vergleich zu Verbrennern aus.
General Motors und Ford haben sich bereits weitgehend aus Nordamerika zurückgezogen. Die drei großen deutschen Hersteller sind alle in Europa und China sowie in geringerem Umfang in Nordamerika vertreten. Die Japaner sind gleichmäßiger auf China, Japan (den Großteil des übrigen Asiens) und Nordamerika verteilt. Und die Südkoreaner (Hyundia-Kia) sind stark von ihrem Heimatmarkt (dem Großteil ihres übrigen Asiens), an zweiter Stelle von Nordamerika und an dritter Stelle von Europa abhängig.
Der rapide Rückgang der ausländischen Autoverkäufe in China aber wird den Absatzmarkt erheblich verändern. Die weltweiten Verkaufszahlen der größten Autohersteller für 2024, mit einer Schätzung für die Verkaufszahlen im Dezember in einigen Fällen:
Nicht unter den Top 15, aber mit einer Marktkapitalisierung, die aufgrund der Aktienkursblase höher ist als die aller anderen Autohersteller: Tesla mit 1,79 Millionen Verkäufen im Jahr 2024; auch das ein Rückgang von einem Prozentpunkt gegenüber 2023 (662.000 Verkäufe in China, 623.000 Verkäufe in den USA, 327.000 Verkäufe in Europa)
Die Riege der Global Player wird kleiner
Angesichts der rapide sinkenden Verkaufszahlen ausländischer Hersteller in China könnte die Riege der Global Player in den Jahren 2025 und 2026 schnell schrumpfen. Hinzu kommt die Herausforderung der raschen Expansion chinesischer Marken in Asien, Australasien, Nahost und Nordafrika (MENA), Südafrika sowie Südamerika. Toyotas Verkaufszahlen in China beliefen sich 2024 auf etwa 1,5 Millionen Autos, während VW etwa 3 Millionen, Honda 820.000 und Nissan etwa 600.000 verkaufte; 13,5 Prozent von Toyotas weltweiten Verkaufszahlen, ein Drittel von VW, 21,5 Prozent von Honda und 18 Prozent von Nissan.
Honda hat bereits eine Fusion mit Nissan und Mitsubishi angekündigt, wodurch eine weitere „Kombination von Misserfolgen“ entsteht, die zu der von Stellantis hinzukommt. Letzteres besteht eigentlich aus zwei (oder vielleicht sogar drei) völlig getrennten Automobilunternehmen: Stellantis Nordamerika und Stellantis Europa-MENA sowie vielleicht auch Stellantis Südamerika. Nachfolgend sind die regionalen Trends aufgeführt, die zwischen 2024 und 2026 für die führenden Hersteller absehbar sind.
- 2024: Toyota, Honda-Nissan-Mitsubishi, VW, Hyundai-Kia, BMW, Mercedes, Geely, Chery, Tesla und SAIC operieren auf dem globalen Markt
- 2026: Hyundai-Kia, Geely, Chery, SAIC, Dongfeng, Changan und Tesla sind weltweit vertreten (obwohl Tesla außerhalb von Nordamerika und Europa möglicherweise nur ein Nischenanbieter ist)
- 2026: Toyota und Honda-Nissan-Mitsubishi werden weltweit vertreten sein, außer in China
- 2026: VW, BMW, Mercedes werden wieder zu europäischen Unternehmen mit einem Ableger in Nordamerika
- 2026: BYD wird weiterhin ein auf China/Asien fokussiertes Unternehmen mit relativ geringen Auslandsverkäufen sein. Das wird sich voraussichtlich 2027 ändern, da BYD auf Auslandsverkäufe angewiesen ist, um außerhalb des von Elektrofahrzeugen gesättigten chinesischen Marktes zu wachsen
- 2026: Die nordamerikanischen Akteure GM, Ford und Stellantis NA bleiben bestehen
- 2026: Stellantis und Renault bleiben in Europa und der MENA-Region. Stellantis-Südamerika entwickelt sich ebenfalls zu einer unabhängigen und erfolgreichen Einheit (ein Lichtblick bei so vielen Misserfolgen von Stellantis).
- Fiat hat sich mit sinkenden Verkaufszahlen in Europa und steigenden Verkaufszahlen von lokal produzierten Modellen in Südamerika zu einem überwiegend südamerikanischen Unternehmen entwickelt. Auch Peugeot und Citroën haben ihre Produktion und ihren Absatz in Südamerika gesteigert. Stellantis hat ein florierendes Fiat-Peugeot-Citroën-Geschäft mit lokaler Produktion und 750.000 Verkäufen im Jahr 2024
- Die Stellantis-Marken Peugeot-Citroën und Vauxhall-Opel bleiben überwiegend in Europa und der MENA-Region
- 2026: Suzuki bleibt in Indien, Japan und Europa auf dem Markt
Bis Ende 2026 werden ausländische Marken auf dem chinesischen Markt stark dezimiert sein, da die Verkäufe von Elektrofahrzeugen ein gewisses Sättigungsniveau erreicht haben. Zudem dominieren die chinesischen Marken Asien und Australasien (mit Ausnahme von Südkorea und Japan). Bis 2027 werden die chinesischen Hersteller auch ihre lokale Produktion in Europa und Südamerika hochgefahren haben und gleichzeitig die europäischen Nicht-EU-Märkte (zum Beispiel Großbritannien und Norwegen) und Südamerika für einen großen Exportschub ins Visier nehmen.
Die Rentabilität der Märkte bricht zusammen
Eine große Frage wird sein, ob die Trump-Regierung chinesische Produktionsstätten in den USA zulassen wird (zusätzlich zum GM-Volvo-Werk mit Bestandsschutz). Wenn ja, könnte dies mittelfristig eine Katastrophe für die ausschließlich in Nordamerika ansässigen sowie die japanischen und südkoreanischen Marken bedeuten. Solche chinesischen Werke würden auch unterstützt, wenn die Trump-Regierung alle staatlichen Steuervergünstigungen für Elektrofahrzeuge abschafft, da dies gleiche Wettbewerbsbedingungen zwischen chinesischen und nicht-chinesischen US-Produktionsstätten schaffen würde.
Es besteht auch die Möglichkeit weiterer Markenfusionen, wie es sie kürzlich zwischen Honda, Nissan und Mitsubishi gegeben hat. Der angeschlagene Honda-Konzern rettete den Nissan-Konzern vor dem Bankrott – eine Fusion von Pleiteunternehmen, genau wie bei Stellantis. Nissan hatte zuvor erklärt, dass es etwa 14 Monate Zeit habe, um einen externen Investor zu finden. Honda wiederum dürfte den Tag bereuen, an dem es den angeschlagenen Konzern übernommen hat, obwohl es sich eigentlich voll und ganz auf seine eigene Rettung hätte konzentrieren müssen.
Für viele wird es ein Schock sein, wie schnell die Rentabilität der Märkte zusammenbricht, während die Global Player um einen schrumpfenden ICEV-Markt kämpfen und gleichzeitig eine zunehmende Anzahl von Elektrofahrzeugen insbesondere in Europa produzieren müssen. Das aber, ohne von der chinesischen Lieferkette für Elektrofahrzeuge zu profitieren, die über zwei Jahrzehnte hinweg aufgebaut wurde. Die chinesischen Marken haben die ausländischen Konkurrenten in China bereits unrentabel gemacht. Für Konzerne wie VW, die auf die China-Gewinne angewiesen waren, um etwa die Produktion in Deutschland zu subventionieren, eine Katastrophe.
Da Nordamerika für die japanischen Hersteller, deren Verkäufe in China ebenfalls einbrechen, immer wichtiger wird, könnte der Preiswettbewerb weiter angefacht werden. Das wiederum sind sehr schlechte Nachrichten für Tesla, das während der Preistreiberei in den Jahren der Pandemie die USA zu seiner wichtigsten Gewinnquelle gemacht hat. Dasselbe gilt für die deutschen Hersteller, die zusehen müssen, wie ihre Verkäufe in China einbrechen. So sind die traditionellen Autohersteller letztlich dem Untergang geweiht. Und Zölle werden sie nicht retten.
Der Artikel ist eine Übersetzung aus Boyds Substack-Kanal 'Geopolitics And Climate Change'.