Die Bundestagswahl und die Verdrängung des Ukrainekrieges
Trump will Putin treffen. Doch im Bundestagswahlkampf spielt der verlorene Ukrainekrieg fast keine Rolle mehr. Die etablierten Parteien entziehen sich ihrer Verantwortung und Deutschland wird dafür einen hohen Preis zahlen müssen.
Der Krieg in der Ukraine und seine Folgen sind Schicksalsfragen für Deutschland. Es sind Folgen, die die politische, sicherheitspolitische, wirtschaftliche und soziale Zukunft dieses Landes für lange Zeit negativ bestimmen werden. Der größte Krieg auf europäischen Boden seit dem Zweiten Weltkrieg ließ in den letzten Monaten eine nukleare Katastrophe gefährlich naherücken.
Und – das ist die bittere Wahrheit – er ist verloren. Die Ukraine ist sein Blutopfer, die Länder der EU, allen voran Deutschland, sind die Verlierer. Dass es dazu gekommen ist, dafür tragen nicht zuletzt die Parteien von SPD, CDU/CSU, Grüne und FDP aber auch die Berichterstattung der deutschen Medien eine schwere Schuld.
Es hat also Gründe, warum der Ukrainekrieg im Bundestagswahlkampf fast keine Rolle mehr spielt. Nichts davon auf den Wahlplakaten der etablierten Parteien. Auch die deutschen Aufrüstungsanstrengungen – die Versuche, dieses Land „kriegstüchtig“ zu machen – werden kaum noch diskutiert. Kein Wort über die Aufstellung von US-Raketensystemen. In den großen Medien gibt es kaum umfassende Berichte über die desaströse militärische und politische Lage der Ukraine. Auch darüber, was die Wahl von Präsident Trump für die Ukraine wirklich bedeutet, wird weitgehend geschwiegen.
Kompromisslos in den Niedergang
Und das gerade jetzt, da dieser Krieg sich in seiner entscheidenden – und wohl auch blutigsten – Phase befindet. Es sieht alles danach aus, als ob die ukrainische Armee militärisch kurz vor einem Zusammenbruch steht. Und es ist zu befürchten, dass dieser auch einen politischen Zusammenbruch des Landes nach sich ziehen könnte.
Seit drei Jahren beteiligt sich Deutschland als zweitgrößter Waffenlieferant an diesen Krieg. Es ist diese kompromisslose Kriegspolitik und -rhetorik, die bis heute an einen Sieg über Russland zu glauben vorgibt und, sieht man von einem ergebnislosen Telefongespräch des Bundeskanzlers ab, eine Verhandlungslösung immer noch ablehnt. Doch mit der Verdrängung des Ukrainekrieges aus der öffentlichen Debatte entziehen sich die etablierten Parteien ihrer Verantwortung. Dafür wird Deutschland einen hohen Preis zahlen müssen.
Denn nun werden ein amerikanischer und ein russischer Präsident unter sich über eine Friedenslösung verhandeln. In wenigen Wochen soll es zu einem persönlichen Treffen zwischen Trump und Putin kommen. Die Amerikaner, deren Augen sich auf Grönland und Panama richten, haben inzwischen jedes Interesse an der Ukraine verloren haben. Eine schnelle Lösung des Ukrainekrieges wird russischen Interessen entgegenkommen, wobei die Interessen der Ukraine weitgehend unbeachtet bleiben werden. Das machte US-Verteidigungsminister Pete Hegseth jüngst beim NATO-Treffen klar: weder sei eine NATO-Mitgliedschaft der Ukraine „ein realistisches Ergebnis einer Verhandlungslösung“, noch die Rückkehr zu den ukrainischen Grenzen vor 2014.
Keiner der beiden Präsidenten hegt irgendwelche Sympathien für die EU, geschweige denn für Deutschland. Warum auch – die deutsche und europäische Politik verweigern weiterhin alle Realitäten. Dass weder Deutschland noch die EU bei diesen Verhandlungen mit am Tisch sitzen – obwohl sich der Krieg auf europäischem Boden abspielt und jetzt fallende Entscheidungen vor allem die Zukunft Deutschlands und Europas betreffen – dürfte die Quittung für die von Brüssel und Berlin zelebrierte moralische Überheblichkeit gegenüber Trump und Putin sein.
So werden beispielsweise die EU und insbesondere Deutschland für die enormen Kosten des Wiederaufbaus der Ukraine aufkommen müssen. Gelänge es Ursula von der Leyen noch, die Ukraine im Schnellverfahren in die EU aufzunehmen, könnte sich der Gesamtpreis auf eine Billion Euro addieren. Dennoch steht in den Sternen, ob solch astronomische Summen einer in sich zusammenfallenden und entvölkernden Ukraine überhaupt helfen würden.
Deutschland hingegen könnte es das wirtschaftliche Genick brechen – bliebe der Zugang zu den für die Erholung der deutschen Wirtschaft so wichtigen Rohstoffen und Märkten im Osten und Asiens nach einem amerikanisch-russischen Frieden weiterhin verwehrt. Russland wird dann die gesamte Grenze von der Barentssee im Norden bis zum Schwarzen Meer im Süden kontrollieren. Wem in einem solchen Szenario die Sanktionen der EU mehr schaden, mag jeder für sich selbst beantworten.
Flucht in die Kriegstüchtigkeit
Mit der Niederlage der Ukraine vor Augen scheinen SPD, CDU/CSU, Grüne und FDP die Flucht nach vorne zu suchen: Da Russland demnächst gar die NATO angreifen wolle, sei eine massive Aufrüstung unumgänglich, andernfalls würde Putin bald am Brandenburger Tor stehen, heißt es. Mit dieser an Wahnsinn grenzenden Dummheit werden nun hunderte Milliarden Euro für die deutsche Aufrüstung gerechtfertigt, finanziert durch den Abbau von Sozialleistungen. So als ob nicht im letzten Jahr die sieben Geheimdienste der USA in einem gemeinsamen Bericht festgestellt hätten, dass ein russischer Angriff auf ein NATO-Land mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auszuschließen sei.
Und auch Trump ist längst ausgeschert: seinen Vorgänger Joe Biden macht er für den Krieg verantwortlich, Selenskyj beschuldigt er, den russischen Angriff provoziert zu haben. Tatsächlich spricht der neue US-Präsident nur aus, was man auch zuvor schon wusste, aber viele noch immer nicht hören wollen: Auch die von Biden und den US-amerikanischen Neocons betriebene NATO-Erweiterung bis hinein in die Ukraine führte zu diesem Krieg.
Was nun? Deutschland ist der wichtigste Bündnispartner weggebrochen, und das ausgerechnet vor der Bundestagswahl. Also wird der verlorene Ukrainekrieg und die massiven Aufrüstungsanstrengungen mithilfe der deutschen Medien aus dem Wahlkampf herausgehalten. Ob das desillusionierte Wähler daran hindert, ihr Kreuz bei der AfD zu machen, darf bezweifelt werden.
Dabei machen Weidel und Chrupalla keinen Hehl daraus, die anderen Parteien noch übertrumpfen zu wollen. Ginge es nach ihnen, würden ganze fünf Prozent des Sozialprodukts in die Aufrüstung fließen. Das wäre nur über gigantische weitere Schulden und einem massiven Sozialabbau zu finanzieren.
Retten was noch zu retten ist
Wenn wir retten wollen, was noch zu retten ist, muss Deutschland eine klare Wende vollziehen. Es braucht eine Friedenspolitik, die endlich auch eigene Interessen zu formulieren imstande ist: sicherheitspolitisch, geopolitisch, wirtschaftlich. Deeskalation und ein nach dem Krieg vertrauensvolles Verhältnis zu Russland und China gehören dazu ebenso wie der Handel mit beiden Ländern. Für die Mitgliedsstaaten der EU sind die BRICS-Gruppe nicht nur strukturell und wirtschaftlich, sondern auch politisch zunehmend wichtige Partner.
Daraus ergäbe sich die Chance für eine neue geopolitische Konstellation: eine friedlichere, auf der UN-Charta aufbauende, multipolare Weltordnung ohne Militärbündnisse. Aufrüstung, militärische Interventionen oder die Aufstellung von US-Mittelstreckenraketen auf deutschem Boden werden dabei nicht helfen. Die Bundestagswahlen wären die Gelegenheit, das deutlich zu machen.