CDU: Mit Exportismus und Sparpolitik aus der Krise?
Mit Resilienz, De-Risking und Wettbewerbsfähigkeit will die CDU Deutschland aus der Wirtschaftskrise führen. Doch sie übersieht, dass das gesamte deutsche Wachstumsmodell in einer Krise steckt.
Die wirtschaftliche Lage in Deutschland ist schlecht, da sind sich alle einig: Das Bruttoinlandsprodukt und die Reallöhne sind seit 2019 nicht mehr gestiegen, die Infrastruktur ist marode und die Energiepreise fangen gerade erst an, sich langsam zu erholen. Kein Wunder, dass der Großteil der Bevölkerung möchte, dass sich etwas ändert.
Uneinig sind sich die Parteien darüber, wo die Ursachen der Probleme liegen. Man kann sie in zwei Lager einteilen: Die Mitte-Links-Parteien möchten den großen Investitionsbedarf der deutschen Wirtschaft mit staatlichen Investitionen beantworten, um Innovationen zu fördern und strukturelle Schwächen zu bewältigen (Grüne) bzw. ein „Wachstumsumfeld“ mit besseren Rahmenbedingungen für deutsche Unternehmen zu schaffen (SPD). Besonders das BSW will die Schuldenbremse abschaffen und eine aktive Lohnpolitik durchsetzen, indem es den Mindestlohn auf 15 Euro erhöht und die Tarifbindung stärkt. Zudem soll die Steuer- und Abgabenpolitik geringe und mittlere Einkommen weiter entlasten, wovon sich das BSW zugleich eine Belebung der Binnennachfrage verspricht.
Im Gegensatz dazu stehen die Mitte-Rechts bis Rechtsaußen-Parteien CDU, FDP und AfD. Für sie sind hauptsächlich eine zu hohe Steuerlast, zu viel Bürokratie bzw. Regulierung, zu hohe Energiepreise und ein Fachkräftemangel die Hauptursachen für ausbleibendes Wachstum; und daran setzen ihre Wahlprogramme an: Mit einer regressiven Steuerpolitik, die schwerpunkthaft hohe Einkommen (und zu einem geringeren Ausmaß mittlere Einkommen) fördert, sollen „Kräfte“ freigesetzt werden, die für einen Aufschwung sorgen (CDU). Regulierungen, besonders beim Klimaschutz und dem Lieferkettengesetz, sollen zurückgenommen werden; allgemein soll Bürokratie abgebaut bzw. durch Digitalisierung effizienter gemacht werden. Arbeitslose sollen durch schärfere Sanktionen und mehr Mitwirkungspflichten diszipliniert werden.
Wahrscheinlich wird Friedrich Merz nach der Bundestagswahl zum Kanzler gewählt. Wie genau möchte die CDU die schwierige wirtschaftliche Lage Deutschlands in den Griff bekommen?
Weniger ausgeben, mehr sparen
Die Steuerreformen der CDU würden den Forschungsinstituten zufolge zwischen 89 und 110 Milliarden Euro kosten. Ungefähr die Hälfte der Steuerentlastungen würden den oberen 10 Prozent der Einkommen zugutekommen. Diese Bevölkerungsgruppe hat eine besonders hohe Sparquote, trägt also einen deutlich niedrigeren Anteil ihres zusätzlichen Einkommens in die Läden, sondern legt es an. Das findet die Union gut. Überhaupt hat sie in ihrem Wahlprogramm das Sparen zu einer Tugend erhoben, die sie von Kindesalter an fördern möchte: Mit der Frühstart-Rente soll jedem Kind 10 Euro pro Monat bis zum 18. Lebensjahr auf ein Altersvorsorgedepot eingezahlt werden. Für den Knax-Club gibt es jedoch keine Pläne. Angestellte, die sich mit Unternehmensbeteiligungen oder Leistungen in eine Anlageform auszahlen lassen möchten, sollen gefördert werden.
Länder und Kommunen werden zur Kasse gebeten
Um gleichzeitig die Schuldenbremse auf Bundesebene wahren zu können, möchte die Union einen großen Teil der Kosten ihrer Steuerpläne auf die Länder und Kommunen abwälzen: Die Körperschaftssteuer soll schrittweise von 15 auf 10 Prozent gesenkt und die Gewerbesteuer in größerem Umfang absetzbar gemacht werden; Carsten Linnemann hat sogar den Vorstoß gemacht, sie ganz abzuschaffen.
Das Ziel ist es, die Gesamtsteuerbelastung für Unternehmen auf 25 Prozent zu reduzieren. Zusätzlich möchte die Union die Einkommenssteuer abflachen und die Grenze für den Spitzensteuersatz von knapp 70.000 auf 80.000 Euro erhöhen. All diese Steuern sind wichtige Einkommensquellen für die Länder und Kommunen, die damit in einer ohnehin kritischen finanziellen Situation wegbrechen würden.
Kompensationen dafür sind kaum vorgesehen, dafür wird aber zusätzlich von den Ländern gefordert, dass sie Freibeträge für die Grunderwerbssteuern gewähren. Eine Ironie, dass sich die CDU im selben Atemzug auf das Konnexitätsprinzip beruft und beklagt, dass den Kommunen neue Aufgaben zugeteilt werden, ohne die finanziellen Mittel bereitzustellen.
Die Krise des deutschen Wirtschaftsmodells
Das bisherige Modell der deutschen Exportwirtschaft möchte sie weiterverfolgen, sie müsse nur resilienter und wettbewerbsfähiger werden. Dafür sollen sicherheitspolitische Aspekte in diversen Politikfelder durch institutionelle Reformen hineingetragen werden. Im Rahmen eine De-Risking-Strategie warnt Merz deutsche Firmen davor, zu große Risiken in ihren China-Geschäften einzugehen. Ob diese strategische Umorientierung und Appelle erfolgreich sein werden, wird sich zeigen. Insgesamt geht das CDU-Programm aber an den wirtschaftlichen Problemen in Deutschland vorbei. Sie erkennt nicht, dass das gesamte bisherige Wachstumsmodell in einer Krise steckt.
Das deutsche exportgetriebene Wachstumsmodell basiert darauf, dass Kosten für Unternehmen niedrig gehalten werden: Gewerkschaften wurden zu Lohnzurückhaltung an- und die Inflation wurde durch Beschränkung der Staatsausgaben niedriggehalten (so die Logik). Die Währungsunion bzw. der Binnenmarkt sorgt einerseits dafür, dass die eigene Währung angesichts steigender Exporte nicht aufwertet und sie teurer macht; andererseits erweitert sie Deutschlands Absatzmöglichkeiten, indem sie Handelsbarrieren abschafft und die Handlungsspielräume der betroffenen Länder einschränkt, ihrerseits die heimische Industrie durch Währungsabwertung oder aktive Fiskalpolitik zu unterstützen.
Die resultierenden Handelsungleichgewichte werden von marktliberalen Ökonomen meist als gegenseitig vorteilhaft verklärt: nach Ricardos Theorie des komparativen Kostenvorteils führt Spezialisierung zwischen zwei Ländern durch relative Kostenvorteile beiderseits zu Wohlstandsgewinnen. Das Problem an dieser Theorie legt gleichzeitig das Problem am Exportismus offen. Sie liegt in zwei Annahmen Ricardos:
- Ricardos Modell geht von Gütern aus, die vollständig in einem Land hergestellt werden. Der moderne Weltmarkt ist aber von internationalen Wertschöpfungsketten geprägt, bei der viele Zwischenprodukte gehandelt werden. Diese werfen oft niedrige Profitmargen ab, weswegen man Profit durch Skalenerträge erzielt. Die dafür nötigen Produktionserweiterungen finden meistens keine ausreichende Binnennachfrage, weshalb sie sich in Exporten ausschlagen – und das lässt sich nicht durch komparative Kostenvorteile erklären.
- Ricardos Theorie geht ebenfalls davon aus, dass zwischen Nation A und Nation B ein ausgeglichener Austausch von Gütern stattfindet. Das ist in der Realität anders. Die resultierenden Handelsüberschüsse von Ländern erklären sich nicht durch komparative Kostenvorteile, sondern durch gedrückte Löhne und eine daraus resultierende niedrige Binnennachfrage: Im Idealfall werden die Erlöse von den Handelsüberschüssen für Importe von Land B benutzt, um beiderseits Wohlstandsgewinne realisieren zu können. Geschieht das durch eine niedrige Nachfrage in Land A nicht, können heimische Produzenten keine Absätze erzielen und auch keine Löhne zahlen; es entsteht Arbeitslosigkeit in Land B, die ohne den Handelsüberschuss in Land A auftreten würde.
Deutschland exportiert nicht nur hochwertige Güter und Dienstleistungen ins Ausland, sondern auch Arbeitslosigkeit und Schulden. Ganz zu schweigen von Externalitäten wie C02-Emissionen. Angesichts dessen war es nur eine Frage der Zeit, bis sich Deutschland in einem Handelskonflikt zwischen den USA und China wiedergefunden hat.
Durch eine weitere Entwicklung wird das deutsche Exportmodell in Frage gestellt: Obgleich viele heimische Unternehmen im Weltmarkt nach wie vor wettbewerbsfähig sind, gerät eine deutsche Schlüsselindustrie insbesondere in China zunehmend ins Hintertreffen: die Autobauer. Gleichzeitig bleiben inländische Investitionen aus, weil die Binnennachfrage immer noch auf dem Niveau von 2018 stagniert.
Das Problem ist also, dass angesichts der aktuellen Entwicklungen die mangelnde Nachfrage aus dem Inland immer weniger durch Exporte kompensiert werden kann. Außerdem ächzt die Baubranche unter einem Auftragsmangel, der angesichts der kritischen finanziellen Lage der Kommunen seit der Corona-Pandemie wenig verwunderlich ist.
Fazit: Das deutsche exportgetriebene Wachstumsmodell ist an seine Grenzen gestoßen. Ein Handelsabkommen mit Mercosur und Indien wird daran mittelfristig wenig ändern. Die Union steht für ein Weiter so in der Wirtschaftspolitik und hat Wahlgeschenke für Wohlhabende im Gepäck, aber keine Antworten auf die neuen Herausforderungen, vor der Deutschland und Europa stehen.
Dieser Artikel ist Teil einer Serie: Studentinnen und Studenten haben im Auftrag der MAKROSKOP-Redaktion die Wahlprogramme der Parteien kritisch analysiert.