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FDP: Klimaschutz durch Marktmechanismen?

| 18. Februar 2025
IMAGO / Chris Emil Janßen

Die FDP sieht sich mit dem Dilemma der marktwirtschaftlichen Transformation konfrontiert. Regelt die unsichtbare Hand des Marktes die Klimarettung?

Die FDP setzt in der Klimapolitik konsequent auf Marktmechanismen. In ihrem Wahlprogramm machen die Liberalen klar: CO2-Bepreisung, Emissionshandel und Technologieoffenheit sollen den Wandel zur Klimaneutralität vorantreiben, während sie staatliche Eingriffe auf ein Minimum reduzieren wollen. Ob Unternehmen ein intrinsisches Interesse an Klimaschutz haben, und daher durch Wettbewerb von selbst nachhaltiger wirtschaften, ist jedoch angesichts der zunehmenden Umweltzerstörung seit Beginn der Industrialisierung fragwürdig.

Diese Argumentation wirft Fragen auf: Warum wirtschaften viele Unternehmen, trotz bemerkbaren Ausmaßen des Klimawandels, kaum aus Eigeninteresse nachhaltig? Kann der Markt allein die ökologische Transformation steuern oder braucht es doch staatliche Eingriffe? Ist eine „grüne unsichtbare Hand des Marktes“ realistisch – oder ein neoliberaler Mythos?

Marktbasierte Klimapolitik: Das FDP-Modell

Die FDP lehnt direkte staatliche Eingriffe wie Subventionen, Förderprogramme oder Verbote ab und setzt stattdessen auf eine Strategie, die der neoklassischen Theorie entspricht: Ökonomische Anreize und Wettbewerb sollen dazu führen, dass Unternehmen Innovation entwickeln und die Transformation eigenständig vollziehen.

Hierzu sollen marktbasierte Instrumente dienen: Im Zentrum der liberalen Klimapolitik steht CO2-Bepreisung, die die FDP als wichtigste Lenkungsgröße für klimafreundliche Investitionen betrachtet. Durch steigende Kosten für fossile Brennstoffe soll der Markt aus sich heraus effiziente Lösungen zur Emissionsminderung entwickeln.

Diesen Markt zur Emissionsreduktion denkt die FDP europäisch: Während sie nationale oder sektorale CO2-Steuern ablehnt, fordert sie eine Integration in das EU-Emissionshandelssystem (EU-ETS), das als quasi-marktwirtschaftliches Instrument eine schrittweise Verknappung von Emissionszertifikaten vorsieht. Unternehmen, die weniger CO2 ausstoßen, können überschüssige Zertifikate verkaufen, während emissionsintensive Betriebe zusätzlich Zertifikate erwerben müssen. Der Handel mit diesen Zertifikaten soll langfristig dafür sorgen, dass umweltfreundliche Technologien belohnt und ineffiziente Produktionsweisen zunehmend unwirtschaftlich werden.

Ein weiteres Prinzip ist die Technologieoffenheit. Während andere Parteien konkrete technologische Vorgaben machen – etwa den Ausbau der Elektromobilität oder den schnellstmöglichen Kohleausstieg – will die FDP keine Technologie von vornherein bevorzugen oder ausschließen. Stattdessen soll der Markt selbst entscheiden, welche Lösungen sich durchsetzen.

Zudem betont die FDP die internationale Wettbewerbsfähigkeit als einen Faktor für gute Klimapolitik. Überambitionierte Klimaziele könnten Unternehmen durch hohe Kosten oder strenge Regulierung zur Abwanderung ins Ausland verleiten – ein Phänomen, das als „Carbon Leakage“ bekannt ist. Anstatt mit nationalen Alleingängen voranzugehen, fordert die FDP eine global abgestimmte Klimapolitik, idealerweise mit einem weltweiten Emissionshandelssystem. Dies solle sicherstellen, dass Klimaschutz Deutschland nicht wirtschaftlich schwächt, sondern im Einklang mit Wettbewerbsfähigkeit und Wachstum steht.

Die liberale Klimastrategie der FDP folgt somit einer klaren Logik: Marktmechanismen statt staatlicher Regulierung, Innovationsanreize statt strikter Vorgaben und globaler Wettbewerb statt nationaler Einschränkungen.

Der Widerspruch: Warum investieren Unternehmen nicht allein in Klimaschutz?

Das zentrale Argument der FDP lautet: Unternehmen haben langfristig ein eigenes Interesse an Klimaschutz, weil Umweltzerstörung auch ihre eigene Geschäftsgrundlage gefährdet. Historische und wirtschaftstheoretische Betrachtungen widersprechen jedoch dieser Annahme.

Seit Beginn der Industrialisierung im 19. Jahrhundert haben menschliche Aktivitäten, insbesondere die Verbrennung fossiler Brennstoffe, zu einem erheblichen Anstieg der CO2-Emissionen geführt.

Obwohl bereits im 19. Jahrhundert erste wissenschaftliche Erkenntnisse über den Zusammenhang zwischen CO2-Emissionen und der Erderwärmung vorlagen, setzte erst in den 1990er-Jahren mit internationalen Abkommen wie dem Kyoto-Protokoll und später dem Pariser Klimaabkommen ein Umdenken ein. Eine Studie von Greenpeace aus dem Jahr 2023 zeigt, dass zwölf führende Öl- und Gaskonzerne im Jahr 2022 nur rund sieben Prozent ihrer Investitionen in erneuerbaren Energien fließen ließen.

In der neoklassischen Wirtschaftstheorie sind Umweltverschmutzungen sogenannte negative externe Effekte: Unternehmen profitieren von Produktion, während sie die Kosten (zum Beispiel Luftverschmutzung oder Klimaschäden) auf die Gesellschaft abwälzen. Der Markt allein reguliert solche Effekte nicht – sie werden nur dann berücksichtigt, wenn der Staat Regeln setzt. Klimaschutz bleibt für Unternehmen daher oft nur eine zusätzliche Kostenbelastung, die sie im globalen Wettbewerb benachteiligt, was in der Praxis Marktversagen bedeutet.

Die CO2-Bepreisung versucht, dieses Marktversagen zu korrigieren, indem sie die externen Kosten von Emissionen in die Produktionskosten einbezieht. Unternehmen reagieren aber oft nicht mit nachhaltigen Investitionen, sondern mit kurzfristigen Maßnahmen, um diese steigenden Kosten zu senken. Das Energiewirtschaftliche Institut der Uni Köln (EWI) hat in einer Untersuchung festgestellt, dass unvorhersehbare oder zu niedrige CO2-Preise nicht ausreichen, um Unternehmen zu strukturellen Veränderungen zu bewegen.

Außerdem haben viele Branchen (zum Beispiel Schwerindustrie) kaum Alternativen, selbst wenn Emissionspreise steigen. Ein steigender CO2-Preis macht die Stahl- oder Zementproduktion nicht klimafreundlicher, wenn emissionsfreie Technologien entweder nicht verfügbar oder wirtschaftlich unrentabel sind. Das könnte zur Folge haben, dass nicht nachhaltiger investiert wird, sondern Standorte verlagert werden.

Ohne zusätzliche Regulierung bleibt der CO2-Preis ein schwacher Anreiz.

Internationale Vergleiche: Wo funktioniert marktwirtschaftlicher Klimaschutz?

Auch im internationalen Maßstab zeigt sich: Kein Land stellt sich der ökologischen Transformation nur mit Marktmechanismen.

Die EU setzt auf einen Instrumenten-Mix, der den Emissionshandel mit regulatorischen Maßnahmen verbindet. Der bereits erwähnte EU-ETS legt – auch ohne Einfluss der FDP – eine Obergrenze für die Gesamtemissionen fest und ermöglicht den Handel mit Emissionszertifikaten, wodurch ein finanzieller Anreiz zur Emissionsreduktion geschaffen werden soll. Ergänzend dazu hat die EU Mindeststandards für die Energieeffizienz von Gebäuden eingeführt und plant eine Solardachpflicht für Neubauten. Diese regulatorischen Maßnahmen sollen sicherstellen, dass die Klimaziele erreicht werden und klimaschädliche Emissionen bis 2050 auf Netto-Null sinken[1]. Europaweit hat der EU-ETS für einen Rückgang klimaschädlicher Emissionen um 43 Prozent seit Beginn des Emissionshandels im Jahr 2005 gesorgt.

Ex-US-Präsident Joe Biden rief im Jahr 2022 den Inflation Reduction Act (IRA) ins Leben. Mit einem Investitionsvolumen von rund 369 Milliarden US-Dollar ist er einer des bedeutendsten Klimaschutzgesetze in der Geschichte der USA.

Der IRA zielt darauf ab, Treibhausgasemissionen zu reduzieren und den Übergang zu erneuerbaren Energien zu beschleunigen. Kernbestandteile des Gesetzes sind Steueranreize für die Produktion und den Einsatz sauberer Energien, Investitionen in die Herstellung von Batterien sowie die Förderung von Wind- und Solarenergie. Zudem stellt der Staat mit dem IRA Mittel für die Dekarbonisierung des Industriesektors bereit und finanziert Programme zur Reduzierung von Methanemissionen.

Besondere Ansätze in der ökologischen Transformation verfolgt laut dem Energieingenieur Isa Ferrero die spanische Regierung, die in den letzten Jahren erhebliche Fortschritte beim Ausbau erneuerbarer Energien erzielt hat. Soziale Gerechtigkeit stand dabei im Vordergrund. Denn ein zentrales Element dieser Strategie ist es, Solarenergie für den Eigenverbrauch zu fördern. Die Vereinfachung von Genehmigungsverfahren und Anreize haben den Zugang zu Solarenergie für Privathaushalte und kleine Unternehmen erleichtert. Diese Maßnahmen haben nicht nur die Nutzung erneuerbarer Energien gesteigert, sondern auch dazu beigetragen, die Energiekosten für Verbraucher zu senken und die Energieunabhängigkeit zu erhöhen. 

Zudem hat die spanische Regierung Schritte unternommen, um die Gewinne großer Energieunternehmen zu begrenzen und diese Mittel zur Unterstützung einkommensschwacher Haushalte zu verwenden. Damit zielt sie darauf ab, die soziale Akzeptanz der Energiewende zu erhöhen und sicherzustellen, dass die Vorteile der ökologischen Transformation allen Teilen der Gesellschaft zugutekommen. 

Kein Staat und keine Staatengemeinschaft verlassen sich ausschließlich auf den Markt. Erfolgreiche Klimapolitik braucht staatliche Steuerung.

Warum die FDP-Strategie nicht aufgeht

Die FDP setzt in ihrer Klimapolitik konsequent auf Marktmechanismen. In ihrer Vorstellung werden Unternehmen durch CO₂-Bepreisung, Emissionshandel und Wettbewerbsanreize dazu gebracht, klimafreundlicher zu wirtschaften. Doch die Realität zeigt: Der Markt allein sorgt nicht für Klimaschutz.

Historisch betrachtet haben Unternehmen kaum aus eigenem Antrieb nachhaltige Investitionen getätigt, solange es sich finanziell nicht unmittelbar rentierte. Statt Klimaschutz als langfristige Strategie zu verfolgen, haben sie Umweltkosten externalisiert und auf die Gesellschaft abgewälzt. 

Während es wirtschaftstheoretisch sinnvoll erscheint, durch Preismechanismen klimafreundliche Entscheidungen zu fördern, zeigt die Praxis, dass ohne klare staatliche Leitplanken Investitionen in erneuerbare Energien und emissionsarme Technologien häufig zu spät, zu langsam oder gar nicht erfolgen.

Also, gibt es eine „grüne“ unsichtbare Hand des Marktes? Nein. Ohne staatliche Regulierungen, gezielte Investitionen und verbindliche Klimaziele bleiben Marktmechanismen unzureichend und ineffektiv. Selbst marktwirtschaftlich orientierte Länder wie die USA haben erkannt, dass der Staat eine aktive Rolle in der Energiewende spielen muss – sei es durch Steueranreize, Infrastrukturförderung oder Subventionen für klimafreundliche Technologien.

Klimapolitik, die allein auf den Markt vertraut, bleibt ein Glücksspiel. Ohne eine kluge politische Steuerung drohen Marktversagen, Verzögerungen und sozial unausgewogene Kosten. Der Markt kann ein nützliches Werkzeug für Klimaschutz sein – aber ohne klare Regeln, koordinierte Maßnahmen und staatliche Weichenstellungen bleibt die ökologische Transformation unvollständig und wird nicht schnell genug voranschreiten, um die drängenden Klimaziele zu erreichen.

Dieser Artikel ist Teil einer Serie: Studentinnen und Studenten haben im Auftrag der MAKROSKOP-Redaktion die Wahlprogramme der Parteien kritisch analysiert.

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[1] Netto-Null-Emissionen bedeuten, dass genau so viel Emissionen eines Stoffes aus der Atmosphäre herausgezogen werden, wie in sie hineingegeben werden.