Zähmt Donald Trump den globalen Finanzmarkt?
So wie Trump Zölle auf Waren erhebt, die in die Vereinigten Staaten gelangen, könnte er bald auch Zölle auf Geld erheben, das ins Land fließt.
Gillian Tett, Meinungsautorin der Financial Times und eine brillante Journalistin, schrieb vor kurzem einen wichtigen Artikel über das, was sich hinter dem ganzen Getue der neuen Trump-Regierung verbirgt.
Der Tenor des Artikels lautet wie folgt: So wie Trump Zölle auf Waren erhebt, die in die Vereinigten Staaten gelangen, könnte er bald auch Zölle auf Geld erheben, das in die Vereinigten Staaten fließt.
Kapitalkontrollen befürworte ich seit vielen Jahren. Sie sind ein Mittel, um das globale Casino wieder den Interessen der Gesellschaft unterzuordnen. Allerdings passt das Wort "Kontrolle" nicht ganz. Um es treffender zu formulieren: Staaten sollten die Macht haben, grenzüberschreitende Kapitalströme zu steuern.
Es ist schwierig, das Ergebnis von Trumps chaotischer Handelspolitik vorherzusagen. Allerdings vertrete ich schon lange die Auffassung, dass die Vereinigten Staaten führend sein würden bei der Umgestaltung des internationalen Finanzsystems weg von seinem derzeitigen Zustand der Unordnung. Im Jahr 2003 schrieb ich als Herausgeberin eines Buches über die Globalisierung, dass die USA sind nicht nur das reichste Land der Welt sind, sondern auch dasjenige, das am wenigsten vom internationalen Handel abhängig ist. Damals machten die Exporte der Vereinigten Staaten nur 10 Prozent des BIP aus, während es in der Eurozone 28 Prozent waren.
Als Reaktion auf externe Krisen könnten sich die Vereinigten Staaten noch weiter zurückziehen, sich nach innen wenden und ihre Abhängigkeit von der Weltwirtschaft verringern. Bekanntlich können die Vereinigten Staaten fast alles, was sie brauchen, innerhalb ihrer eigenen Grenzen produzieren, mit der bemerkenswerten Ausnahme von Öl. In einer solchen Situation könnten die Vereinigten Staaten sogar prosperieren.
Natürlich, das Konsumniveau würde sinken, da die US-Bürger nicht mehr von den Früchten der billigen Vermögenswerte und Finanzen anderer Länder lebten. Aber sobald der Dollar seinen Glanz verliert, könnte ein Szenario der 'Lokalisierung' günstiger aussehen als jedes andere. Die Beschäftigungszahlen könnte sogar steigen, wenn die durch den internationalen Wettbewerb dezimierte US-Produktionsindustrie wieder aufgebaut wird.
Zwar war diese Argumentation Anfang der 2000er Jahre nicht ganz stichhaltig, und einige Fakten haben sich geändert. Die Energiesituation hat sich seitdem dramatisch verändert, und der Anteil des US-Handels am BIP stieg bis 2022 auf 27 Prozent und fiel bis 2025 wieder auf etwa 25 Prozent des BIP. Aber meine grundlegende Einschätzung war richtig. Heute, mehr als zwanzig Jahre später, stellt Donald Trumps Wirtschaftsberater fest, dass sich die Meinung der Amerikaner darüber, wie gut das internationale Handels- und Finanzsystem ihren Interessen dient, im Zeitraum 2015-2025 erheblich verschlechtert hat.
Unter den Wählern, wenn auch nicht unter den Ökonomen, ist der Konsens, der das internationale Handelssystem stützt, geschrumpft. Und beide großen Parteien haben Maßnahmen ergriffen, die darauf abzielen, Amerikas Position innerhalb des Systems zu stärken.
Die amerikanischen Wähler aus der Arbeiterklasse werden diese Runde des Kampfes wahrscheinlich verlieren, genauso wie die Vereinigten Staaten im weiteren Sinne den Handelskrieg verlieren werden – es sei denn, es gelingt ihnen, die grenzüberschreitenden Kapitalströme zu steuern und das globale Casino zu zähmen.
Trump will einen starken Dollar
Seine Ziele kann Trump nur erreichen, wenn er zwei miteinander zusammenhängende Probleme angeht: der Kapitalbilanz und des starken US-Dollars. Der Leiter von Trumps Wirtschaftsrat, Stephen Miran, stellte in einem im November 2024 veröffentlichten Bericht fest, dass der Präsident zögere, den starken Dollar zu bekämpfen. "Trump", schrieb er, "lobt den Reservestatus des Dollars und droht damit, Länder zu bestrafen, die den Dollar nicht mehr als Reserve verwenden."
Doch solange Überschussländer wie China, die Zentralbanken der Welt, Unternehmens- und Privatanleger sowie Spekulanten die Möglichkeit haben, Erträge aus Exporten und Spekulationen in den USA zu reinvestieren, indem sie immaterielle Finanzanlagen (wie US-Staatsanleihen, Aktien und Derivate) kaufen, wird der Dollar stark und die US-Leistungsbilanz unausgeglichen bleiben. Der einfache Grund dafür ist, dass unregulierte Kapitalzuflüsse in US-Finanzinstitute den US-Dollar stärken.
Und ein starker Dollar macht die US-Exporte teurer und die Importe billiger.
Trotz Trumps offensichtlicher Ablehnung eines schwachen Dollars gibt es Anzeichen dafür, dass ein Wandel möglich ist. 2019 veröffentlichten die demokratische US-Senatorin Tammy Baldwin und der Republikaner Josh Hawley einen Gesetzentwurf, in dem sie Steuern auf Kapitalzuflüsse und eine Politik des schwachen Dollars forderten.
Und in ihrem Artikel verweist Gillian Tett auf den im Jahr 2025 veröffentlichten Bericht der konservativen Denkfabrik American Compass mit dem Titel Implement a Market Access Charge (MAC).Die Denkfabrik will "eine konservative Wirtschaftsagenda“ entwickelt haben, „die den blinden Glauben an freie Märkte durch die Hinwendung zu den Arbeitnehmern, ihren Familien und Gemeinden sowie dem nationalen Interesse ersetzt".
Nach Ansicht von American Compass tauschen die Ausländer ihre Waren nicht gegen US-Waren ein. Stattdessen handeln sie mit Produkten für US-Vermögenswerte, darunter Unternehmensaktien, Immobilien und Staatsanleihen.
Mit der Market Access Charge (MAC) schlägt die Denkfabrik eine Abgabe auf ausländische Käufe von mit Dollar dotierten amerikanischen Finanzaktiva vor, die beginnend mit einem Satz von 50 Basispunkten jedes Jahr (oder alle sechs Monate) um 50 Basispunkte steigt, bis die Handelsbilanz ausgeglichen oder ein Handelsüberschuss erreicht wurde. Die Abgabe würde dann im Jahr nach Erreichen eines Überschusses wieder sinken. Die MAC würde automatisch und elektronisch auf alle ausländischen Kapitalzuflüsse über die Computersysteme erhoben, die bereits in den US-Banken vorhanden sind und den Großteil der grenzüberschreitenden Finanztransaktionen der USA abwickeln.
American Compass fordert, dass der amerikanische Staat die grenzüberschreitenden Kapitalströme steuern sollte, anstatt einem "blinden Glauben an die freien Märkte" zu verfallen.
Für die Wall Street und die Wirtschaftsfakultäten der Universitäten ist allein schon die Idee von Gebühren auf Kapitalströme eine schockierende Abweichung von der Ideologie der deregulierten globalen Geldmärkte. Dieselben Kritiker wären jedoch erstaunt, wenn US-Kapitalisten wie Tim Cook, der CEO von Apple Inc., sich weigern würden, ihre globalen Unternehmen zu leiten, und stattdessen der "unsichtbaren Hand" die Kontrolle über die Investitions-, Marketing-, Beschäftigungs- und Produktionspolitik des Unternehmens überließen.
Die Entscheidungen von einzelnen Staaten, ihre Volkswirtschaften sowie ihre Kapital- und Leistungsbilanzen zu lenken, sind alles andere als radikal, sondern durchaus vernünftig und sinnvoll. Die Frage ist nur, ob sie auch realistisch sind.
Von der Wall Street wäre heftiger Widerstand gegen den Plan einer Marktzugangsgebühr wie MAC zu erwarten, und auch die Akteure an ausländischen Finanzzentren wie der Londoner City, Frankfurt oder Hongkong würden sich gegen eine effektive Besteuerung von Kapitalzuflüssen wehren.
Und schließlich: Würde die Steuer auf Zuflüsse mit einer Steuer auf Abflüsse gekoppelt sein? Beide Ströme müssen "belastet" werden, wenn das System gesteuert werden soll.
Bei ihrem Versuch, die Leistungsbilanz zu stabilisieren, wäre die Trump-Administration aber noch weiteren Zwängen ausgesetzt.
Die wahren Konflikte im Handelskrieg
Denn die Geschichte der Steuern auf Kapitalströme ist nicht die wahre Geschichte. Handelskriege werden meist als Konflikt zwischen Ländern dargestellt. Doch wie Matthew C. Klein und Michael Pettis in ihrer scharfsinnigen Analyse Trade Wars are Class Wars darlegen, ist ein Handelskrieg vielmehr ein Konflikt innerhalb eines Landes.
Gewöhnliche Menschen wie jene Amerikaner, die für Präsident Trump gestimmt haben, werden in dem Glauben gelassen, dass die Chinesen, Europäer, Kanadier, Mexikaner und andere ihren Lebensstandard untergraben hätten. Das ist offenkundig falsch. Es ist das deregulierte internationale Finanz- und Wirtschaftssystem, von dem die Wohlhabenden reichlich profitieren, das zu Arbeitsplatz- und Einkommensverlusten im Rust Belt und anderswo geführt hat.
Der Handelskrieg der Vereinigten Staaten ist ein Konflikt zwischen den Interessen reicher Exporteure, Banker und Besitzer von Finanzanlagen auf der einen und den fast 80 Prozent der Amerikaner auf der anderen Seite, die von Gehaltsscheck zu Gehaltsscheck leben.
Die Exporteure werden vom Staat subventioniert und geschützt – in den Worten der EXIM-Bank als staatliches Kreditinstitut: "Keeping America Strong. Empowering US Business and Workers to Compete Globally". Produzenten für den heimischen US-Markt erhalten diese Subventionen und Schutzmaßnahmen nicht.
Wenn US-Firmen und -Haushalte es sich nicht leisten können, für ausländische Importe zu bezahlen, hat die Wall Street einen Kredit für sie. Wenn sie in die Vereinigten Staaten exportieren, ist die Wall Street nur zu gerne bereit, Ihre Transaktionen zu erleichtern. Wenn sich Amerikaner nicht leisten können, ein Haus zu kaufen, liegt das wahrscheinlich daran, dass die Wall Street den Verkauf aller Immobilien in Ihrem Bezirk an eine ausländische Private-Equity-Firma arrangiert hat, die ein schnelles spekulatives Vermögen machen will.
Die Kampagne zur Wahl Trumps wurde von Milliardären unterstützt. Das könnte erklären, warum die Krise der Lebenshaltungskosten, die steigenden Lebensmittel- und Energiekosten, der Mangel an erschwinglichen, angemessenen Wohnungen, Gesundheit und Bildung nicht dem Finanzsystem und den globalen Märkten angelastet wurde, sondern den Menschen in China und Mexiko, den Einwanderern und den "Kulturkriegen".
Trotz der irreführenden Propaganda des Wahlkampfs kam bald ein schwelender öffentlicher Groll gegen die reichen Milliardäre zum Vorschein, die sich vor und nach dem Wahlkampf der Regierung angeschlossen hatten. Kaum hatte Trump seine Präsidentschaft angetreten, sah er sich dem wachsenden öffentlichen Zorn über die Aktionen seines milliardenschweren Verbündeten Elon Musk ausgesetzt. Millionen machten sich absichtlich und erfolgreich daran, Musks Geschäftsinteressen und dem Verkauf von Tesla-Autos zu schaden.
Schließlich hat ein großer Teil der nicht akademisch gebildeten Arbeiterklasse der Vereinigten Staaten bewusst einen politischen Führer gewählt, der versprach, "Amerika wieder groß zu machen", Zölle auf Importe aus China und Mexiko zu erheben und die schlecht definierten "Eliten" zu zähmen. Zumindest dachten die meisten Amerikaner, dass sie dafür gestimmt hätten.
Auch wenn sie es nicht wissen: Sie haben mit ihrem Votum die bestehende Weltwirtschaftsordnung in Frage gestellt – und womöglich das Window of Opportunity für eine Marktzugangsgebühr auf ausländisches Kapital geöffnet.