Von Erfolgreichen und Zurückgebliebenen
Die Gesprächsrunde in der Dresdner Frauenkirche mit den Schriftstellern Uwe Tellkamp und Lukasz Rietzschel wirft ein Schlaglicht auf die Mechanismen der öffentlichen Debatte in Deutschland.
Dieser Tage hat mir der Youtube-Algorithmus einen Vorschlag gemacht, auf den ich nach kurzem Zögern eingegangen bin. Es geht um eine Gesprächsrunde mit Lukas Rietzschel und Uwe Tellkamp, die am 2. März 2023 in der Dresdner Frauenkirche aufgezeichnet wurde. Beide sind ostdeutsche Schriftsteller. Rietzschel wurde 1994 in der Oberlausitz geboren und hat bisher zwei Romane veröffentlicht. Tellkamp wurde 1968 in Dresden geboren und ist insbesondere für seinen Roman Der Turm bekannt. Die zwei Autoren verorten sich auf gegensätzliche Weise im deutschen Diskursfeld. Rietzschel wird von den Medien als der smarte Ostdeutschlanderklärer gefeiert, während Tellkamp für seine kritischen und zuweil kontroversen Gegenwartsdiagnosen bekannt ist. Schnell zeigte sich, dass die Gesprächsrunde in der Frauenkirche repräsentativ für grundlegende Mechanismen der öffentlichen Debattenkultur in Deutschland (und darüber hinaus) ist.
Das Arrangement der Bühne war bereits vielsagend. Rietzschel thronte wie ein junger König in der Mitte. Tellkamp wurde rechts außen platziert. Tellkamp landete zunächst einen Coup, in dem er versuchte, den hegemonialen Zugriff von Moderatorin und Rietzschel damit zu entkommen, dass er sowohl vorgefertigte als auch improvisierte Gedichte vortrug. Auf soviel Witz und Verve waren die Moderatorin und Rietzschel nicht vorbereitet. Die intellektuelle Herausforderung wollten sie nicht annehmen, so dass sie die Dichtungen von Tellkamp ins lächerliche zogen und meinten, Einlassungen in Reimform gehörten sich nicht. Wie subversiv ein Reim doch sein kann! Schließlich waren es akustisch-technische Probleme (von denen im Video nichts zu spüren ist), die das Gespräch in konventionellere Bahnen lenkten.
[...]Nichts schreibt sich von allein!
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