Editorial

Europawahl: Erdrutsch ohne Folgen?

| 13. Juni 2024
IMAGO / Funke Foto Services

Liebe Leserinnen und Leser,

willkommen in einer neuen Woche. Die Europawahl hat einen Erdrutsch nach rechts ausgelöst. In Frankreich hat der Triumph von Le Pens Rassemblement National Emmanuel Macron veranlasst, Neuwahlen auszuschreiben. In Deutschland fuhr die SPD das schlechteste Europa-Ergebnis aller Zeiten ein. Doch in Brüssel, der EU-Kapitale, tut man so, als sei das Wahlergebnis irgendwie doch eine gute Nachricht. Die Wahlbeteiligung war höher als zuvor, die Pro-Europäer seien immer noch in der Mehrheit, heißt es.

Und in gewisser Weise stimmt das: Weder werden diese Wahlen den Kurs der politischen Agenda der EU radikal verändern oder sogar, wie von manchen befürchtet, die Demokratie selbst bedrohen. Schließlich ist die EU selbst keine funktionierende parlamentarische Demokratie. Der politische Spielraum der Rechtsparteien wird auf EU-Ebene überschaubar sein – dafür sorgen die Brüsseler Institutionen, die geringen Befugnisse des EU-Parlaments und die Spaltungen innerhalb der Fraktionen. Die Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen wird aller Voraussicht nach ebenso im Amt bestätigt werden, wie die drängenden wirtschaftlichen, politischen und geopolitischen Probleme wohl ungelöst bleiben.

Dass die Europawahl für die Wähler ohnehin mehr eine nationale Richtungs- und Denkzettelwahl war, ist insofern folgerichtig. Denn vor allem hier werden die Auswirkungen des Wahlgangs zu spüren sein. Etwa in Frankreich, wo bald eine neue Präsidentin regieren könnte. Oder in Deutschland, wo die Ampelkoalition langsam aber sicher vor einem ernsten Legitimationsproblem steht.

Diese und weitere Themen finden Sie in unserer neuen Ausgabe:

  • Quittung für eine Politik aus der Blase Die Ampelparteien haben sich in ihr eigenes Narrativ verrannt – den „Kampf gegen Rechts“. Das geht an den Sorgen und Nöten der Wähler vorbei. Die Quittung ist ein Debakel bei der Europawahl – und ein Warnschuss für die kommende Bundestagswahl. Sebastian Müller
  • Völlig losgelöst Die Europawahl hat politische Erdbeben in Deutschland und Frankreich ausgelöst und die Rechtspopulisten und Nationalisten gestärkt. Doch in der EU soll sich nichts ändern. In Brüssel bereitet man sich auf eine zweite Amtszeit von der Leyens vor - und auf eine Fortsetzung genau jener Politik, die Europa in die Krise geführt hat. Eric Bonse
  • Was die EU-Wahl ändert – und was nicht Europas aufständische Rechte gehört zu den Wahlgewinnern. Doch sie wird in Europa wenig ändern können – weder zum Guten noch zum Schlechten. Thomas Fazi
  • Als Carolin Emcke das Kind mit dem Bade ausschüttete Carolin Emcke fordert auf der re:rublica mit Vehemenz das Ende von Pro und Contra. Sie müsste es besser wissen, hat sie doch bei Habermas studiert. Heinrich Röder
  • Rettet der Tourismusboom Griechenlands Wirtschaft? Die griechische Tourismusindustrie boomt und macht Analysten Hoffnung auf einen Wirtschaftsaufschwung. Doch das Land hat seit der Eurokrise mit tiefgehenden strukturellen Problemen zu kämpfen, aus denen der Tourismus allein keinen Ausweg bietet. Malte Kornfeld
  • Die „globale“ Energiewende ist Made in China Im Mai 2024 veröffentlichte Ember, ein Thinktank für saubere Energie, einen weltweiten Überblick über die Stromerzeugung. Der Bericht ist ein Triumph der Datenerfassung − und kündigt einen historischen Wendepunkt an. Adam Tooze
  • Rentner als Putins Stütze: Der Kampf-Journalismus der FAZ Die FAZ führt eine verschärfte Kampagne gegen die Sozialversicherung, die sie als Erzübel der Wirtschafts- und Sozialordnung darstellt. Sie sei nicht nur zu teuer, sondern gefährde auch die nationale Sicherheit, weil das in die Rentenkassen fließende Geld der Rüstungspolitik fehle. Hartmut Reiners
  • Wie Bidenomics den weniger Begüterten hilft Die US-Presse zeichnet ein negatives Bild der sozialökonomischen Lage von ärmeren US-Bürgern. Dabei hat sich ihre Situation seit den Wirtschaftsprogrammen der Biden-Regierung deutlich verbessert. Dean Baker