Der Fall Johnson

Boris und die britische Leere

| 16. Juni 2022

Hinter dem Streit um Boris Johnson schwelt ein tieferer Konflikt, der die britische Politik seit langem prägt: wessen Interessen sollte sie widerspiegeln?

Boris Johnson hat nicht mehr allzu viele Unterstützer. Der Mann, der im Dezember 2019 die Unterhauswahl fulminant gewann, überstand das Misstrauensvotum vom 6. Juni nur mit Mühe. Fast 40 Prozent seiner Tory-Fraktion stimmten gegen ihn und weniger als  26 Prozent der Wähler sprechen ihm noch ihr Vertrauen aus. Als beim Platin-Jubiläum der Queen die hohen Gäste am Eingang zu St. Pauls Kathedrale von der Menschenmenge bejubelt wurden, gab es für Johnson „Buh-Rufe“.

Das ist ein Absturz, der in der britischen Geschichte seinesgleichen sucht. Schuld daran hat der Premier in erster Linie selbst. Seine charakterliche Unzuverlässigkeit sowie seine Tendenz, die Wahrheit zu beugen und sein Fähnchen in den Wind zu hängen, sind hinreichend bekannt. Nicht Korruption oder Schlamperei haben zum Misstrauensvotum geführt, sondern Partys, die stattfanden, als für alle anderen Bürger Versammlungen jeder Art verboten waren. Respekt hat Johnson bei den Wählern auch deshalb verloren, weil er viel zu oft – zum Beispiel bei der Identitäts- oder Klimapolitik – keinen klaren Standpunkt vertritt, sondern hin und her schwankt in dem Versuch, es möglichst vielen recht zu machen.

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