Das Populismus-Hufeisen
Liebe Leserinnen und Leser,
willkommen in einer neuen Woche. Der Begriff „Populismus“ ist schon seit längerer Zeit eine beliebte Schablone der Politik-Analysten. Damals, als im Zuge der Eurokrise verschiedene Linksparteien wie Podemos in Spanien oder Syriza in Griechenland aufkamen, nannte sie das Polit-Establishment Linkspopulisten. Einige Jahre später, als sich die Regierungen – teils unter Beteiligung dieser Linksparteien – mit den gesellschaftlichen Problemen in der EU überfordert zeigten, gründeten sich zunehmend auch neue rechte Parteien, wie die deutsche AfD oder die spanische Vox. Auch Ihnen drückte die stolze Mitte den Stempel „populistisch“ auf.
Eine gängige Definition soll auf beide Enden des Populismus-Hufeisens zutreffen: Eine holzschnittartige Gegenüberstellung des unterdrückten Volkes und korrupter Eliten. Dieses Schema ist in der Tat zu einfach.
Doch könnte, wie sich unsere Autorin Ulrike Simon fragt, nicht vielleicht doch etwas an den Analysen dran sein – so plakativ der Volk-Elite-Gegensatz auch ist? Anstatt auf Rhetorik-Analysen von „Satzbausteinen“ zu verharren, bräuchte es mehr Forschung zur „realen Substanz von Elitenkritik“, so Simon.
In eine ähnliche Kerbe schlägt unser Redakteur Sebastian Müller. Die vermeintlichen Populisten zeichne ein „klassisches Verständnis vom Primat der Politik“ aus, das sich nicht zuletzt gegen einen „autoritären Liberalismus“ der Mitte wende. Wie der Populismus letztlich zu bewerten ist, hänge auch davon ab, ob er nur „Sündenböcke“ für gesellschaftliche Probleme sucht, oder Missstände bei der Wurzel greifen will.
Diese und weitere Themen findet Sie in unserer neuen Ausgabe:
- Zentralbank-Insolvenz?! Woher kam die Hyperinflation 1923? Vom Gelddrucken? Vom Vertrauensverlust in die Zentralbank? Der Ökonom Ingo Sauer geht dieser Frage mit weitreichenden Prämissen nach, die aber wenig mit der Real World Economy zu tun haben. Malte Kornfeld
- Ist die Ära des Petrodollars vorbei? 50 Jahre gilt das Petrodollar-Abkommen zwischen den USA und Saudi-Arabien bereits. Es war einer der Grundpfeiler der globalen Hegemonie Amerikas in der Nachkriegszeit. Am 9. Juni wurde es ungültig. Oder etwa nicht? Thomas Fazi
- Mehr Banken-Kandare: Vier Vorschläge Europas Banken sind nach wie vor unterreguliert und aktuell auch übersubventioniert. Dazu vier Reformvorschläge: Sie betreffen Bankanleihen, staatliche Hilfen im Notfall, Eigenkapitalanforderungen und Sparerbeteiligung an EZB-Zinsen. Gerd Grözinger
- Was kommt nach dem Neoliberalismus? Joe Biden steht mit seinem Wirtschaftsinterventionismus nicht allein: Eine wachsende Zahl von Regierungen, Wirtschaftswissenschaftlern und Institutionen überdenkt die Doktrin des Neoliberalismus. Geht die neoliberale Ära zu Ende? Und wenn ja, was wird auf sie folgen? Die Redaktion
- Ist das Bündnis Sahra Wagenknecht populistisch? Eine rechtzeitig zu den Europawahlen veröffentlichte Studie der Universität Potsdam kommt zu dem Ergebnis: Das BSW ist nicht nur linksautoritär, sondern auch populistisch. Doch was folgt daraus? Ulrike Simon
- Von Populisten und Postdemokraten Glaubt man den Mahnern, bedroht der Populismus die Errungenschaften der Freiheit und Demokratie, kündigt von der Rückkehr der Demagogie und der dunklen Stunden unserer Geschichte. Ist es wirklich so einfach? Sebastian Müller
- Wenn ein Tarifstreit tief blicken lässt Nach den Streiks der Lokführergewerkschaft GDL haben sich die Gemüter beruhigt. Unwürdige Berichterstatter verloren aus den Augen, dass die Forderungen der Gewerkschafter angemessen waren. Zeit für eine Nachschau auf den Arbeitskampf. Lukas Poths
- Updates zur Konjunktur Der Optimismus ist zurück – die deutsche Wirtschaft komme langsam wieder in Schwung, heißt es. Zudem erwarten sich einige positive Impulse von der EM. Überzeugen können die Argumente aber nur teilweise. Die Redaktion