Editorial

Utopie KI

| 27. Juni 2024
@midjourney

Liebe Leserinnen und Leser,

willkommen in einer neuen Woche. Große Versprechungen als Geschäftsmodell, Projektionen als Weg zum Reichtum. Es ist eine eigenartige Symbiose: Tech-Pioniere schwärmen von der Zukunft der KI und einem „Netzwerkstaat“. Oder einer neuen Form von Polis, in der sämtliche Entscheidungen durch Besitz, Kauf und Verträge getroffen werden – mithilfe von Künstlicher Intelligenz. Diese, so der Glaube, ersetze irgendwann Anwälte, Ingenieure, Ärzte, Wissenschaftler – und am Ende den verhassten Staat selbst. Doch die Technologie hält nicht, was sie verspricht. Vielmehr ist das Maschinenlernen mit methodischen Fehlern und Unsicherheiten behaftet. Indem man sich immer mehr auf sie verlässt, erlangt die KI epistemische Macht, die im schlimmsten Fall in Katastrophen münden kann. Trotzdem bleibt der Staat der Größte Kunde der Tech-Pioniere, die daran fürstlich verdienen – nicht zuletzt in Form von Daten.

Diese und weitere Themen findet Sie in unserer neuen Ausgabe:

  • Der EU-Wirtschaftskrieg gegen Le Pen Die Kettenhunde des Marktes haben es auf Le Pens Rassemblement national abgesehen. Das ist im Sinne der Strategie der EZB. Thomas Fazi
  • Banken-Kandare: Vier Vorschläge unter Vorbehalt Forderungen nach einer stärkeren Regulierung der Geschäftsbanken sind unterstützenswert. Doch dabei dürfen wichtige Funktionsmechanismen des Geldsystems nicht außer Acht gelassen werden. Peter Glaser
  • Intelligenz-Wunderwelt: Wer daran glaubt, darf sich nicht wundern Die mit der Künstlichen Intelligenz verbundene Gefahr liegt nicht darin, dass diese uns einmal beherrschen würde. Sondern in Projektionen, die ihr Leistungen zutraut, die sie nicht zu erbringen vermag. Rainer Fischbach
  • Wie „Tech-Libertäre" lernten, den Staat zu lieben Die staatsferne Utopie des Silicon-Valley-Libertarismus scheitert bereits an ihren eigenen Herolden: Oft winken politische Macht und volle Auftragsbücher – ausgerechnet durch den verhassten Staat selbst. Quinn Slobodian
  • Der General und der Frieden Erich Vad, Brigadegeneral im Ruhestand, hat sich mehrfach öffentlich für eine diplomatische Lösung des Ukraine-Kriegs unter Berücksichtigung russischer Sicherheitsinteressen eingesetzt. Jetzt hat er ein Buch veröffentlicht. Peter Wahl
  • Hohe Wohnungsmieten sind sozial und klimafreundlich Der Mietwohnungsmarkt scheint nur eine Richtung zu kennen: immer teurer, immer knapper. Doch ein entfesselter Neubau allein ist keine Lösung. Plädoyer für einen orchestrierter Dreiklang aus Neubau, hohen Marktmieten und zielgenauen staatlichen Interventionen. Ullrich Werling
  • Kein Kampf dem Verbrenner Es wäre eine Torheit, den technologischen Vorsprung Deutschlands beim Verbrennermotor zu gefährden, indem man Investitionen durch ein Teilverbot erschwert. Denn um einseitig auf E-Mobilität zu setzen, fehlen die Voraussetzungen. Julien Niemann
  • Mehr Wachstum und Wohlstand durch Militärausgaben? Da Deutschland gegenwärtig nicht verteidigungsfähig sei und gleichzeitig die Konjunktur lahme, will IfW-Chef Moritz Schularick aus der Not eine Tugend machen: Mit mehr Ausgaben für Rüstung solle das Wachstum angekurbelt werden. Günther Grunert