Analyse

Energiewende: Die Sache mit dem Wirkungsgrad

| 17. Juni 2025
IMAGO / Jochen Tack

Bei den technischen Details der Energiewende geraten rein ökonomische Analysen oft an ihre Grenzen. Über eine elementare technische Größe wird zwar hin und wieder debattiert, doch sie verdient eine genauere Betrachtung.

In Deutschland beträgt der Anteil der erneuerbaren Energien am Gesamtenergieumsatz lediglich 20 Prozent. 60 bis 70 Prozent seines Energiebedarfs deckt die Bundesrepublik durch Importe von fossilen Energieträgern. Außerdem gibt es Zeiten, in denen die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht – die sogenannte „Dunkelflaute“. Um diese Zeiten zu überbrücken, braucht man robuste, bezahlbare Speicherlösungen.

Es wird in Deutschland seit Jahrzehnten eine sinnvolle Vorratshaltung betrieben, die es erlaubt, je nach Füllstand der Speicher, das Land drei bis sechs Monate mit Energie zu versorgen, falls Lieferungen ausbleiben. Diese Vorratshaltung hat vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs und der neuen amerikanischen Selbstbezogenheit enorm an Bedeutung gewonnen. Bei der Speicherung von Energie kommt zur Zuverlässigkeit und dem Preis noch der Begriff der volumetrischen Energiedichte ins Spiel, die für den Platzbedarf einer Energiespeicherung entscheidend ist.

Energie muss speicherfähig sein

Die Randbedingungen laufen alle auf das Gleiche hinaus: Energie muss speicherfähig sein! Sei es nur für zwei Wochen für den Transport per Schiff oder für sechs Monate in der geostrategischen Landesreserve (oder für ein paar Tage im Tank eines Fahrzeugs). Die Nutzung dieser speicherbaren beziehungsweise gespeicherten Energie muss also auch unter diesen Voraussetzungen betrachtet werden, nicht allein unter Gesichtspunkten des Wirkungsgrades. Natürlich wäre es das Beste, erneuerbaren Strom direkt zu nutzen. Leider fällt der Strom nur dann an, wenn die Sonne intensiv genug scheint und der Wind stark genug bläst. Und das passt oft genug nicht mit dem Bedarf zusammen.

Die Stromerzeuger liefern genau die Energie ins Netz, die auch verbraucht wird. Das macht die Sache mit dem Strom so schwierig. Das Netz an und für sich hat keinerlei Speichereigenschaften. Erst wenn ein Pumpspeicher oder eine Batterie ins Netz eingebaut wird, kann Energie gespeichert werden. Oder man sendet überflüssige Elektrizität in eine Elektrolyseanlage und produziert Wasserstoff. Wie der Name schon sagt, ist es ein Stoff – und den kann man in Behälter füllen und aufheben.

Zunächst aber zu den Wirkungsgraden und physikalisch-chemischen Eigenschaften. In der Welt der Technik ist der Wirkungsgrad so etwas wie der heilige Gral. Insbesondere in den folgenden Bereichen:

  • dem Wirkungsgrad der Herstellung von erneuerbaren Energieträgern
  • dem Zusammenhang von Energiedichte, Energiespeicherung / -transport und dem Wirkungsgrad

Systemgrenzen bei der Betrachtung von Wirkungsgraden, insbesondere in mobilen Anwendungen, müssen allerdings gesondert betrachtet werden.

In meinem letzten Artikel auf MAKROSKOP habe ich auf das Zusammenwirken von Wirkungsgraden und Lastfaktoren hingewiesen. Der entscheidende Wirkungsgrad ist derjenige, der beschreibt, wieviel Energie in einen Gesamtprozess hineingesteckt wird und wieviel davon am Ende nutzbar herauskommt.

Das beginnt bei der Herstellung eines Energieträgers (zum Beispiel Wasserstoff, Methanol oder Kunstbenzin), setzt sich bei der Logistik und Verteilung fort und mit welchem Wirkungsgrad es am Zielort eingesetzt werden kann. Diese Gesamtsystembetrachtung wird meist nicht ausgeführt. Es werden vielmehr die einzelnen Argumente herausgepickt, die eine bestimmte technische Lösung, ein angepriesenes Produkt oder eine bestimmte favorisierte Ansicht befördern.

Bei einer solchen Gesamtsystembetrachtung ist der Lastfaktor eine wesentliche Größe. Sie beschreibt, wie lange in einem betrachteten Zeitraum – wir werden meist das Jahr als Referenz nutzen – eine Anlage zu 100 Prozent (=“Volllast“) laufen müsste, um den tatsächlich im Betrachtungszeitraum gelieferten Betrag zu erzeugen.

Diese Größe ist entscheidend für die Wirtschaftlichkeit der Anlage. Eine Anlage, die nur zehn Prozent (=Lastfaktor 0,1) des Jahres ein „Produkt“ liefert – in unserem Fall elektrische Energie oder einen chemischen Energieträger wie Wasserstoff – ist meist nicht wirtschaftlich zu betreiben. Ausnahmen gibt es aber.

Das Rechnen mit Wirkungsgraden und Lastfaktoren ist denkbar einfach: Hat ein Prozess beispielsweise zwei Schritte und beide Schritte haben einen sehr guten energetischen Wirkungsgrad von 90 Prozent – in der mathematischen Berechnung also 0,9 – dann gehen im ersten Schritt zehn Prozent Energie verloren und im zweiten Schritt weitere zehn Prozent der Energie, die aus dem ersten Schritt übrig war. Nach Schritt Eins sind also 90 Prozent vorhanden und nach dem zweiten Schritt fehlen weitere zehn Prozent von diesen 90 Prozent. Rechnerisch müssen also die Wirkungsgrade multipliziert werden: 0.9 x 0.9 = 0.81 = 81 Prozent.

Hat die Anlage nun einen Lastfaktor (oder Vollastfaktor) von 0,5, liefert sie also nicht über ein ganzes Jahr gerechnet diese 81 Prozent des Produkts, sondern nur 0,81 x 0,5 = 0,405 = 40,5 Prozent.

Der Wirkungsgrad und der Lastfaktor sind aber zwei völlig unterschiedliche paar Schuhe: Der Wirkungsgrad bezieht sich auf die energetische Verwertung der eingespeisten Energie, der Lastfaktor gibt die tatsächlich gelieferte Energiemenge im Referenzzeitraum an.

Man darf also keinesfalls energetische Wirkungsgrade und gelieferte Energiemengen gleichsetzen, auch wenn sie rechnerisch multipliziert werden dürfen. Allerdings wird dieser „Trick“ gern für eine vorteilhafte Darstellung einer Argumentation genutzt.

Vom grünen Strom zum chemischen Speicher

Beginnen wir nun mit dem ersten Punkt, der Herstellung von EE, also erneuerbaren Energieträgern. Diese erzeugte Energie muss gespeichert werden, wenn sie nicht direkt verwendet wird.

Ein unvermeidbarer Schritt für die Speicherung von elektrischer Energie in chemischer Form ist die Elektrolyse, also die Herstellung von Wasserstoff. Die Speicherung in Batterien muss noch einmal gesondert betrachtet werden. Wir betrachten nun folgendes Diagramm:

Abbildung 1: Eigene Darstellung. Daten aus Methanol: The Basic Chemical and Energy Feedstock of the Future. Springer Verlag, S. 643.

Hier sind der dritte und vierte Balken, orange unterlegt, besonders interessant. Es werden 100 Prozent EE „geerntet“, durch einen Transformator umgeformt und an einen Elektrolyseur geliefert. Der Elektrolyseur müsste allerdings direkt neben dem Photovoltaikfeld oder der Windturbine stehen, sonst kämen noch die Netzverluste hinzu. Der PEM-Elektrolyseur, im Diagramm „PEMEL“ genannt, wird hier mit sehr guten 80 Prozent Wirkungsgrad angegeben. In vielen Literaturquellen wird eher ein Wirkungsgrad von 70 Prozent angenommen.

Betrachtet man nicht den Elektrolyseur für sich allein, sondern zusätzlich all die Anlagentechnik, die gebraucht wird, um ihn auch zu betreiben – Pumpen, Wärmetauscher, Rohre, Ventile, Abzweigungen, Filter etc. –, kommt man nach Angaben des REFLAU-Projekts (Referenzkraftwerk Lausitz) auf Gesamtwirkungsgrade von etwa 55 Prozent.

Für die Herstellung des erneuerbaren Kraftstoffes Methanol, also der vierte Balken, sinkt der Gesamtwirkungsgrad von sehr optimistischen 51,7 Prozent bei einem Elektrolysewirkungsgrad von 70 Prozent auf 45 Prozent, bei einem Elektrolysewirkungsgrad von 55 Prozent auf nur noch 35 Prozent. Ein halbwegs brauchbarer „Datenkorridor“ liegt also bei 35 – 45 Prozent. Diese Energie bleibt am Ende in chemischer Form übrig.

Zwar wird es in der Zukunft technologische Fortschritte in der Elektrolyse selbst geben. Allerdings wird die Anlagentechnik (Pumpen, Wärmetauscher etc.) schon seit vielen Jahrzehnten in industrieller Großserie gefertigt. Dort sind nur marginale Fortschritte zu erwarten, sowohl bei den Wirkungsgraden als auch bei den Preisen.

Wodurch entstehen nun diese energetischen Verluste? Die einfachste Erklärung ist „Reibung“. Ob Elektronen versuchen sich durch einen Kupferdraht zu zwängen oder ob sich ein Rad auf einem Lager dreht: Es entsteht Wärme, die nicht weiter genutzt werden kann. Entweder kann man sie nicht wirtschaftlich „ernten“ oder das Temperaturniveau ist zu niedrig, um überhaupt eine vernünftige Nutzung zu gewähren.

Bei chemischen Prozessen kommen zwei weitere Punkte hinzu, die „unerwünschten“ Produkte und die Prozessführung. So kann Wasserstoff zusammen mit CO2 zu Methanol reagieren, dabei entsteht aber auch immer „nutzloses“ Wasser. Bei der Reaktion von CO2 und H2 zu Methanol macht dieses Wasser rein rechnerisch etwa ein Drittel der Gesamtmasse der Produkte aus. Bei einer vorteilhaften Prozessführung können deutliche Gewinne, sowohl bei der Energienutzung als auch bei der Ausbringung „nützlicher“ Stoffe, erzielt werden.

Weitere relevante Größen in dieser Gleichung wären dann noch der energetische Wirkungsgrad und der Massenwirkungsgrad. Ersterer beschreibt, wieviel Energie eingesetzt werden muss, um einen bestimmten Betrag an nutzbarer Energie zu erhalten. Letzterer weist aus, wieviel Masse eines erneuerbaren Kraftstoffes aus der eingesetzten Biomasse produziert wird.

Zudem muss man berücksichtigen, wieviel Wasserstoff zugegeben werden muss, um eine bestimmte Menge Kraftstoff zu erzeugen. Auch dieser Wasserstoff muss erst produziert werden, verursacht also Energieverbrauch und Kosten.

Welcher Speicher für welchen Zweck?

Welche erneuerbaren Energieträger kommen nun in Frage? Das richtet sich nach dem Verwendungszweck: geht es um eine ortsfeste Energiespeicherung für die Dunkelflaute oder die geostrategische Reserve? Oder um eine mobile Energiespeicherung für Transportzwecke?

Für die ortsfeste Energiespeicherung spielt die volumetrische Energiedichte keine entscheidende Rolle. Deutschland verfügt über große Kavernenspeicher, die sich für die Speicherung von Methan eignen. Auch Methan lässt sich, ebenso wie Methanol, aus Kohlendioxid und Wasserstoff herstellen.

Während Methanol bei Umgebungsdruck und Temperatur flüssig ist und sich damit für eine mobile Speicherung eignet, muss Methan als Gas unter Druck gespeichert werden, um eine geeignete Energiedichte zu erreichen. So enthält Methanol mit 4,4kWh/L zwar weniger Energie als Diesel (9,7kWh/L), aber immer noch mehr als das gasförmige Methan, das zum Beispiel für mobile Anwendungen bei 200 bar gespeichert wird (2,25kWh/L) und dadurch höhere Kosten verursacht als ein Flüssigkeitstank. Wasserstoff ist das kleinste chemische Element und hat selbst bei 700 bar lediglich eine Energiedichte von 1,4 kWh/kg – etwa ein Drittel von Methanol.

Es ist keine neue Ingenieursweisheit, dass gasförmige Energieträger Kosten und Komplexität verursachen. Zwar sind diese Punkte technisch gut gelöst. Dennoch konkurrieren Gase immer gegen die Robustheit und Einfachheit in der Handhabung, sowie die höhere volumetrische Energiedichte flüssiger Energieträger oder Kraftstoffe, insbesondere in mobilen Anwendungen.

Die Verflüssigung von Methan und Wasserstoff bei extrem niedrigen Temperaturen (Methan minus 162°C, Wasserstoff sogar minus 253°C) erhöht die Komplexität noch weiter, denn es müssen geeignete Materialien für diese Temperaturen verwendet werden. So steigen die Kosten sowie die Herausforderungen an die Handhabung deutlich. Ganz zu schweigen davon, dass die Menge an gespeicherter Energie limitiert ist.

Ammoniak und Dimethylether (DME) sind in dieser Hinsicht unkritischer, denn sie erfordern nur etwa 10 bar Speicherdruck, um flüssig zu werden. Ammoniak ist jedoch sehr giftig und ätzend und damit im besten Fall für Schienenfahrzeuge und Schiffe geeignet, für den Straßenverkehr keinesfalls. Ammoniak enthält zwar keinen Kohlenstoff, hat aber selbst in flüssiger Form nur eine Energiedichte von 3,17 kWh/L und ist wegen seiner schlechten Verbrennungseigenschaften für schnelllaufende Motoren nur mit zusätzlicher Technologie verwendbar.

Die Antwort zur gesamten Kette von Wirkungsgraden bei der der Herstellung von chemischen Energieträgern ist also komplex und wird oft unvollständig wiedergegeben. Mit chemischen Energieträgern sind hier erneuerbare Kraftstoffe gemeint – also Wasserstoff, Methan, Methanol, DME, Kunstdiesel und -benzin, sowohl aus Strom als auch aus Biomasse.

Man kann folgendes festhalten: Im Gesamtpaket aus technischer Komplexität beziehungsweise Robustheit, Kosten, Handhabung und Wirkungsgrad für mobile Anwendungen haben flüssige Kraftstoffe, insbesondere Kohlenwasserstoffe, nach wie vor große Vorteile aufgrund ihrer hohen Energiedichte und einfachen Handhabbarkeit. Sie gewährleisten schnellstes „Nachladen“ ebenso wie eine einfache Verteilinfrastruktur und einen robusten, einfachen Weltenergiehandel.