Updates zur Konjunktur

Handelskonflikte trüben neuerlichen Optimismus

| 19. Juni 2025

Das Wirtschaftswachstum und die glänzenden Handelszahlen mit den USA zum Jahresbeginn könnten sich als Strohfeuer erweisen. Die deutsche Wirtschaft bleibt stark von außenpolitischen Entscheidungen abhängig, die Industrie weiterhin fragil.

  • Deutsche Wirtschaft im 1. Quartal 2025 stärker gewachsen als erwartet
  • Vorjahresvergleich zeigt: Deutsche Wirtschaft zwischen Stagnation und Rückgang
  • Außenhandel insgesamt rückläufig, wichtigster Handelspartner USA wird zum Unsicherheitsfaktor
  • Sonderauswertung USA vom DIHK: „US-Handelspolitik belastet deutsche Unternehmen vor Ort massiv“

Das wurde auch Zeit: Endlich wieder gute Nachrichten vom Statistischen Bundesamt. Die deutsche Wirtschaft ist im 1. Quartal 2025 doppelt so stark gewachsen wie zunächst in der amtlichen Schnellmeldung vom 30. April 2025 geschätzt. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) stieg gegenüber dem 4. Quartal 2024 – preis-, saison- und kalenderbereinigt – um 0,4 Prozent, wie das Wiesbadener Amt Ende Mai mitteilte. Vor allem steigende Exporte und höhere Konsumausgaben der Verbraucher seien für den unerwarteten Aufschwung verantwortlich, heißt es.

Abbildung 1

Der Handel mit dem Ausland nahm im 1. Quartal sogar kräftig zu: Die Exporte stiegen ausgehend von einem schwachen 4. Quartal 2024 um 3,2 Prozent, während die Importe mit +1,1 Prozent weniger stark zulegten. Besonders die Ausfuhren von pharmazeutischen Erzeugnissen sowie von Kraftwagen und Kraftwagenteilen – beides bedeutende Exportgüter für den US-Markt – entwickelten sich dynamisch. "Vorzieheffekte im schwelenden Handelskonflikt mit den USA dürften zu der positiven Entwicklung beigetragen haben", hieß es seitens der Statistiker.

Die privaten Konsumausgaben stiegen um 0,5 Prozent gegenüber dem Vorquartal, begünstigt durch die abflauende Inflation und höhere Löhne in einigen Branchen. Dagegen sanken die staatlichen Konsumausgaben um 0,3 Prozent. „Grund hierfür dürften vor allem die vorläufigen Haushaltsführungen des Bundes und einiger Bundesländer sein, wodurch insbesondere staatliche Ausgaben für Sachaufwendungen reduziert wurden“, so die Statistiker.

Die Investitionen legten ebenfalls zu: Sowohl in Bauten (+0,5 Prozent) als auch in Ausrüstungen (+0,7 Prozent) gab es Anstiege, insgesamt stiegen die Bruttoanlageinvestitionen Anfang des Jahres um 0,9 Prozent. Das Verarbeitende Gewerbe (+1,0 Prozent) und das Baugewerbe (+0,9 Prozent) verbesserten sich deutlich.

Innerhalb der Industrie profitierten vor allem die chemische Industrie, der Maschinenbau und die Automobilbranche. Dienstleistungssektoren wie Information und Kommunikation (+1,7 Prozent) sowie Handel und Verkehr (+1,1 Prozent) verzeichneten Zuwächse. Rückgänge mussten Finanzdienstleister (-0,8 Prozent) und öffentliche Dienstleister wie Erziehung und Gesundheit (-0,2 Prozent) hinnehmen.

Vorjahresvergleich zeigt gemischtes Bild

Allerdings lohnt auch ein Vergleich mit den Vorjahresniveaus: Im Vergleich zum 1. Quartal 2024 sank das preisbereinigte BIP nämlich immer noch um 0,2 Prozent. Die Investitionen gingen in diesem Zeitraum preisbereinigt um 1,0 Prozent zurück – ein seit zwei Jahren anhaltender Trend. Besonders stark fiel der Rückgang bei Ausrüstungsinvestitionen aus (-3,8 Prozent), während die Bauinvestitionen „nur“ um 1,0 Prozent sanken.

Dagegen stiegen die privaten Konsumausgaben um 0,5 Prozent, angetrieben vor allem durch Ausgaben für Gesundheit und Verkehr. Die staatlichen Konsumausgaben legten sogar um 2,6 Prozent zu, insbesondere aufgrund höherer Sozialleistungen.

Die Bruttowertschöpfung sank insgesamt um 0,7 Prozent. Während das Verarbeitende Gewerbe (-1,6 Prozent) und das Baugewerbe (-3,5 Prozent) weiter schrumpften, stagnierten die Dienstleistungen. Positive Ausnahmen waren der zusammengefasste Bereich Öffentliche Dienstleister, Erziehung, Gesundheit (+1,6 Prozent) und die IT-Branche (+0,7 Prozent), während Finanzdienstleister (-3,8 Prozent) und Unternehmensberatungen (-1,0 Prozent) Verluste verzeichneten. Im Bereich Handel, Verkehr, Gastgewerbe stagnierte laut den Statistikern die Wirtschaftsleistung gegenüber dem Vorjahreszeitraum.  

Außenhandel insgesamt rückläufig, USA als Unsicherheitsfaktor

Auch der Außenhandel steht im Vergleich zum Vorjahreszeitraum nicht mehr ganz so gut da: Hier sanken die Exporte um 1,1 Prozent. Während die Dienstleistungsexporte leicht wuchsen (+0,2 Prozent), sanken die Warenausfuhren deutlicher (-1,4 Prozent) – vor allem Maschinen und Autoteile. Die Importe stiegen dagegen deutlich (+2,5 Prozent), getrieben sowohl durch Waren (+2,8 Prozent) als auch Dienstleistungen (+2,0 Prozent).

Abbildung 2

Sorgen bereiten zudem die Handelsbeziehungen mit den USA, denn die Trump-Zölle dämpfen die Exportaussichten zum wichtigsten Handelspartner.

Im ersten Quartal 2025 waren die deutschen Exporte in die Vereinigten Staaten noch bemerkenswert stark: Mit einem Volumen von 41,2 Milliarden Euro übertrafen sie die US-Importe nach Deutschland (23,5 Milliarden Euro) deutlich – der Exportüberschuss belief sich auf 17,7 Milliarden Euro. Damit lagen die USA erneut an der Spitze aller Handelspartner beim deutschen Außenhandelssaldo, noch vor Frankreich (12,8 Milliarden Euro). Besonders der Handel mit Kraftfahrzeugen und -teilen (Saldo: +7,8 Milliarden Euro), pharmazeutischen Erzeugnissen (+4,2 Mrd. Euro) und Maschinen (+3,7 Milliarden Euro) trug zu diesem Überschuss bei.

Doch bereits im April 2025 sanken die deutschen Exporte in die USA kalender- und saisonbereinigt um deutliche 10,5 Prozent gegenüber dem Vormonat. Das ist der niedrigste Stand seit Oktober 2024. Im Vergleich zum Vorjahresmonat ergibt sich ein Rückgang von 6,3 Prozent.

Diese starken Schwankungen sind zwar bei den Außenhandelsdaten mit den USA nicht ungewöhnlich, fallen dieses Mal jedoch zeitlich mit der Einführung neuer US-Zölle zusammen: Präsident Donald Trump ließ Anfang April auf nahezu alle Importe zehnprozentige Aufschläge verhängen, auf Autos, Stahl und Aluminium sogar 25 Prozent. Eine weitere Anhebung auf 20 Prozent für alle EU-Waren ist derzeit lediglich ausgesetzt. „Statt Aufbruch herrscht Ernüchterung […] Die dramatisch gesunkenen Exporte in die USA schlagen deutlich ins Kontor“, wird Volker Treier, Außenwirtschaftschef der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) zitiert. 

Auch das Statistische Bundesamt vermutet, dass der kräftige Anstieg der Ausfuhren im März 2025 auf sogenannte Vorzieheffekte zurückzuführen war – viele Unternehmen exportierten offenbar in Erwartung kommender Handelsbarrieren früher und mehr. Auch die Industrieproduktion war im März stark angestiegen, bevor sie im April wieder um 1,4 Prozent gegenüber dem Vormonat einbrach.

Abbildung 3

Laut Bundeswirtschaftsministerium spiegelt sich darin die Unsicherheit durch die US-Zollpolitik wider. Die Aussichten für eine Erholung der Industrieproduktion hätten sich dementsprechend zuletzt wieder etwas eingetrübt, so das Ministerium.

Während die Exporte in Drittstaaten insgesamt im April um 4,8 Prozent sanken, entwickelten sich die Exporte in die EU mit einem Plus von 0,9 Prozent noch vergleichsweise stabil. Die Gesamtbilanz des deutschen Außenhandels fiel im April mit einem Überschuss von 14,6 Milliarden Euro merklich schwächer aus als im März (21,3 Milliarden Euro) und im Vorjahresmonat April 2024 (21,6 Milliarden Euro).

Insgesamt zeigt sich: Die glänzenden Handelszahlen zum Jahresbeginn mit den USA könnten sich als Strohfeuer erweisen. Vorzieheffekte und der nun einsetzende Rückgang bei Exporten und Produktion verdeutlichen, wie stark die deutsche Wirtschaft von außenpolitischen Entscheidungen abhängig und wie fragil die bereits seit mehreren Jahren leidende deutsche Industrie weiterhin ist. Die Risiken durch die Trump-Zölle sind real – und sie werfen einen langen Schatten auf die konjunkturellen Aussichten.

DIHK: „US-Handelspolitik belastet deutsche Unternehmen massiv“

Auch die wirtschaftlichen Aussichten deutscher Unternehmen in den USA trübten sich zuletzt stark ein. Das zeigt die Sonderauswertung zum AHK World Business Outlook der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK). Grundlage ist eine weltweite Umfrage der Auslandshandelskammern (AHKs) unter mehr als 4600 Unternehmen, davon über 100 mit Standorten in den USA. Die Erhebung fand zwischen Mitte März und Mitte April 2025 statt – mitten in einer Phase wachsender handelspolitischer Spannungen.

Nur noch 14 Prozent erwarten in den nächsten 12 Monaten eine wirtschaftliche Verbesserung, 44 Prozent rechnen mit einer Verschlechterung (Herbst 2024: 38 bzw. 7 Prozent). DIHK-Außenwirtschaftschef Volker Treier sieht in der "regelrechten Zick-Zack-Politik der US-Regierung" eine Hauptursache. Sie schüre Unsicherheit, hemme Investitionen und verunsichere selbst langjährig etablierte Unternehmen.

„Was die Unternehmen heute vermissen, ist Verlässlichkeit. Die sprunghaften Ankündigungen und Rücknahmen von Zöllen lähmen Investitionsentscheidungen und werfen grundsätzliche Fragen zur Zukunft des Standorts USA auf“, so Treier. Nur 24 Prozent der Unternehmen planen aktuell Investitionen auszubauen (zuvor 37 Prozent), 29 Prozent wollen sie zurückfahren (zuvor 18 Prozent). Für 70 Prozent sind politische Rahmenbedingungen inzwischen das größte Geschäftsrisiko – vor einem halben Jahr waren es nur 46 Prozent.

Damit erreicht Trump genau das Gegenteil von dem, was sein Vorgänger Joe Biden durch den Inflation Reduction Act (IRA) so erfolgreich begonnen hatte: Zwar werden deutsche und europäische Unternehmen zunächst geschwächt, da Einnahmequellen ausfallen, mittelfristig könnte das jedoch eine Chance für deutsche und europäische Wirtschaftsstandorte sein.

Aussichten

Zwar erwarten das ifo-Institut (+1,5 Prozent BIP 2026), das IfW Kiel (+1,6 Prozent) und das IWH (+1,1 Prozent) für 2026 eine erhebliche wirtschaftliche Erholung. Doch beruhen viele dieser optimistischen Prognosen auf unsicheren Annahmen. So räumt ifo-Konjunkturchef Timo Wollmershäuser ein: „Der zunehmende Optimismus speist sich vermutlich auch aus der Hoffnung, dass [...] es im Handelsstreit mit den USA zu einer Einigung kommen wird.“ Auch das IfW warnt vor einer „erratischen Zollpolitik der Vereinigten Staaten“, die die Unsicherheit für die deutsche Außenwirtschaft weiter erhöht. Laut ifo könnten bestehende US-Zölle das Wachstum 2025 um 0,1 und 2026 um 0,3 Prozentpunkte dämpfen.

Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund erscheint der plötzliche Konjunkturoptimismus vieler Institute schwer nachvollziehbar. Auch die EU-Kommission und die sogenannten Wirtschaftsweisen scheinen das so zu sehen und haben ihre Wachstumsprognose für Deutschland im Mai auf 0,0 Prozent gesenkt.

Hoffnung schöpfen lässt sich derzeit fast ausschließlich aus dem angekündigten Fiskalpaket der Bundesregierung, das laut ifo „im kommenden Jahr mit 57 Milliarden Euro wirksam werden“ und für Impulse sorgen könnte.