Quick and dirty – und ziemlich daneben
Mit einem eiligen Steuerdeal bei den G-7 zeigt die EU, wie man es nicht machen sollte: Die Europäer haben sich von US-Präsident Trump über den Tisch ziehen lassen, die globale Mindeststeuer für Unternehmen wird ausgehöhlt
Die Uhr tickt: Am 9. Juli läuft die Frist für einen Handelsdeal zwischen den USA und der EU ab. US-Präsident Donald Trump droht mit Sonderzöllen von 50 Prozent auf sämtliche EU-Exporte und versucht, die Europäer zu massiven Zugeständnissen zu zwingen. Kanzler Friedrich Merz wird schon nervös: Man brauche eine schnelle Einigung, erklärte Merz beim EU-Gipfel in Brüssel. Zur Not könne er auch mit einem „schmutzigen“ Deal leben.
„Quick and dirty“ – das ist offenbar auch die Maxime bei den G-7. Deutschland, Frankreich und die EU-Kommission haben sich in der Gruppe der sieben (ehemals) größten Industrieländer bereits auf einen „schmutzigen“ Kompromiss mit Trump eingelassen. Weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit wird die mühsam errungene globale Mindeststeuer für große Konzerne ausgehöhlt. Auch die viel diskutierte Digitalsteuer rückt in weite Ferne.
Was ist passiert? Trump hat durchgesetzt, dass große US-Konzerne wie Amazon oder Google nur in den USA besteuert werden, nicht aber in Deutschland oder in der EU. Dies teilte der kanadische G-7-Vorsitz mit. Im Gegenzug soll Trumps so genannte „Rache-Steuer“ wegfallen. Die "Schutzmaßnahme 899" sollte es der US-Regierung ermöglichen, Unternehmen und Investoren aus Ländern mit "unfairen" Steuern mit zusätzlichen Abgaben zu belegen.
Diese Klausel hatte Trump in seine umstrittene "Big Beautiful Bill“ eingebaut. Damit wollte er die 2021 von den G-20 beschlossene und dann von der OECD übernommene globale Mindeststeuer aushebeln. Festgelegt wurde damals ein weltweit einheitlicher Mindeststeuersatz von 15 Prozent für international tätige Konzerne mit einem Jahresumsatz ab 750 Millionen Euro. Das soll nach dem G-7-Kompromiss weiter gelten – allerdings nicht in den USA.
Für Bundesfinanzminister Lars Klingbeil ist das offenbar kein Problem. "Wir haben gemeinsam mit unseren Partnern erreicht, dass die USA bei der globalen Mindestbesteuerung nicht im Weg stehen", freute sich der SPD-Politiker nach dem eilig zusammengezimmerten Deal in der G-7. Die Einigung mache es möglich, den Kampf gegen Steueroasen, Steuerflucht und Steuerdumping weiter voranzutreiben.
Ganz ähnlich klingt es in der EU-Kommission. Durch das „wegweisende“ Abkommen mit den USA werde ein „Side-by-Side"-System etabliert, das die „Koexistenz“ zwischen den bestehenden US-Mindeststeuergesetzen und der OECD-weiten globalen Mindeststeuer garantiert. Die Einigung trage zur fairen Besteuerung der Unternehmen bei, verringere ökonomische Unsicherheiten und stärke die internationale Zusammenarbeit in der Steuerpolitik.
Vor allem aber schützt sie große US-Konzerne wie Amazon oder Google davor, in Deutschland und der EU gemäß den OECD-Regeln besteuert zu werden. Der „Kompromiss“ mit den G-7 werde den US-Konzernen in der nächsten Dekade bis zu 100 Milliarden Dollar an Steuerzahlungen im Ausland ersparen, erklärte US-Finanzminister Scott Bessent voller Stolz. Das sind 100 Milliarden, die den Europäern durch die Lappen gehen!
Nicht nur das: Auch eine Digitalsteuer, wie sie wieder in Deutschland und in der EU diskutiert wird, wird durch die Einigung erschwert. Die G-7 wollen zwar „konstruktive” Gespräche über die Besteuerung der digitalen Wirtschaft (der zweite Teil des globalen Steuerabkommens der OECD) aufnehmen. Doch im Kern bleibt der Konflikt, der auch im aktuellen Zollstreit mit den USA eine Rolle spielt, ungelöst.
Vorläufiges Fazit: Die Europäer haben sich von Trump über den Tisch ziehen lassen. Schon die Drohung mit einer „Rachesteuer“ hat genügt, damit sie einknicken. „Diese Konzession belohnt die Drohungen der USA und sendet kein Signal der Stärke in einer Zeit, in der Europa und andere Volkswirtschaften mit Herausforderungen seitens der USA konfrontiert sind“, schreibt die wirtschaftspolitische Denkfabrik Bruegel in einer Analyse.
Immerhin sei die globale Mindeststeuer gerettet worden, heißt es beschwichtigend in Brüssel. Das sei ein großer Erfolg. Schließlich habe man doch befürchtet, dass die Mindeststeuer die zweite Amtszeit von Präsident Trump nicht überleben würde. Doch diese Sorge ist nicht vom Tisch. An den Kompromiss bei den G-7 schließen sich nämlich noch Verhandlungen in der OECD an. Dort könnte Trump die Mindeststeuer erneut sabotieren.
Experten wie der frühere Chefökonom des Internationalen Währungsfonds, Olivier Blanchard, schlagen schon Alarm. Der Kompromiss werde die globale Mindeststeuer „mehr oder weniger zahnlos machen“, prophezeit Blanchard. Die Europäer hätten in der G-7 kaum etwas erreicht. „Dies macht mir Sorgen, wenn ich an die europäische Haltung in den laufenden Zollverhandlungen denke“, so Blanchard. Dort drohe nämlich schon die nächste Niederlage.
Tatsächlich könnte der faule Kompromiss bei den G-7 zum Präzedenzfall für die laufenden Handelsgespräche werden. Erste Konzessionen der EU zeichnen sich bereits ab: So geht man in Brüssel mittlerweile davon aus, dass das ursprünglich verfolgte Ziel – Freihandel bei Industriegütern – verfehlt wird. Stattdessen könne man sich auch mit einem „Basiszoll“ von zehn Prozent anfreunden.
Im Gegenzug verlangt die EU jedoch Zusagen zur Senkung der Zölle in Schlüsselbranchen wie Pharma, Halbleiter und Verkehrsflugzeugen. Doch die zeichnen sich bisher nicht ab. Wer gehofft hatte, Trump durch das Entgegenkommen bei der G-7 gnädig zu stimmen, sieht sich getäuscht. „Quick and dirty“ führt nicht immer zum Erfolg – es kann auch ziemlich daneben gehen.