Editorial

Gefährliche Gefolgschaft

| 18. Juli 2024
IMAGO / Independent Photo Agency Int. / midjourney

Liebe Leserinnen und Leser,

willkommen in einer neuen Woche. Es gab Zeiten, da haben wichtige europäische Länder den Vereinigten Staaten Paroli geboten und europäische Interessen betont. Frankreich, das schon immer ein „souveränes Europa“ forderte, sowieso – aber auch Deutschland weigerte sich zum Bespiel 2001, mit in den Irak-Krieg zu ziehen. Die Amerikaner waren not amused, von „old europe“ war damals in der US-Administration verächtlich die Rede. Und noch Angela Merkel vermochte es einige Jahre später, eine eigenständige Ostpolitik zu betreiben.

Diese Zeiten sind längst vorbei – Europa hängt am Rockzipfel der USA, von einer eigenständigen Außenpolitik ist die EU weiter entfernt denn je. Seit der russischen Invasion in die Ukraine hat Brüssel jeden wichtigen Schritt mit Washington abgestimmt. Von der Russland-Sanktionen über den Import amerikanischen Flüssiggases bis hin zur China-Politik – die Europäer sind zu „Followern“ geworden. Bei Bidens „Inflation Reduction Act“ (IRA) haben sie sich sogar vorführen lassen.

Das gilt ebenso für die neuerdings auf dem NATO-Gipfel beschlossene Stationierung von US-Mittelstreckenraketen auf deutschem Boden oder den Zollkrieg gegen chinesische Elektroautos – die EU folgt den amerikanischen Direktiven bedingungslos. Doch dieser Weg birgt viele Gefahren und Risiken, auf die Europa kaum vorbereitet ist.

Diese und weitere Themen finden Sie in unserer neuen Ausgabe:

  • Zeitenwende auf amerikanisch Die EU hat US-Präsident Biden blind vertraut, sich von den USA abhängig gemacht und das Risiko eines Machtwechsels in Washington ausgeblendet. Das rächt sich nun – Brüssel ist auf Trump 2.0 nicht vorbereitet. Schuld daran sind auch deutsche Politiker. Eric Bonse
  • Wem nützen Zölle auf chinesische Elektroautos? Verschiedene europäische Autohersteller lehnen Zölle auf chinesische Elektroautos ab. Wen will die Europäische Kommission also schützen? Sicherlich nicht die Umwelt. Tiago Cardão-Pito
  • Déjà-vu an den Kalten Krieg Die Stationierung von US-Mittelstreckenraketen erinnert an den NATO-Doppelbeschluss der 80er-Jahre. Ist die Entscheidung eine notwendige Reaktion auf die russische Bedrohung – oder lässt sie den Neuen Kalten Krieg weiter eskalieren? Ulrike Simon
  • Neoliberalismus kann keine Industriepolitik Washington gab 7,5 Milliarden Dollar für E-Ladestationen aus. Das Ergebnis? Sieben Stationen wurden errichtet. Was das über unser Wirtschaftssystem aussagt. Ian Welsh
  • Neustart für die Forstwirtschaft Die deutsche Forstwirtschaft kann und muss Bestandteil einer ökologischen Transformation sein. Zugleich ist der Wald von der Klimakrise besonders betroffen – unter anderem durch Wetter und Schädlingsbefall. Lukas Poths
  • Das „Demokratiefördergesetz“ steht auf der Kippe Die Ampel-Regierung streitet sich erbittert über die Frage, ob das „Demokratiefördergesetz“ vielleicht sogar selbst ein Schaden an der Demokratie ist. Doch auch wenn es verhindert wird: Ändern würde das gar nichts. Mathias Brodkorb
  • Mehrheitswahlrecht: Grunddefekt der Demokratie Anlässlich der jüngsten Wahlen in Großbritannien und Frankreich kurz aufgeflackert und schon wieder in der politischen Versenkung verschwunden: das hochproblematische Mehrheitsprinzip in Gestalt des entsprechenden Wahlrechts. Werner Polster
  • Die Deutsche Bahn – oder was öffentliche Güter bedeuten Fast alle Parteien befürworten die Verkehrswende und eine Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene. Trotzdem passiert fast nichts. Warum ist das so? Dirk Tegtmeyer
  • Updates zur Konjunktur Die deutsche Konjunktur kommt nicht in Tritt. Nun sollen es das „Wachstumspaket“ und der Bundeshaushalt 2025 richten – bei Einhaltung der Schuldenbremse. Die Redaktion