Mehrheitswahlrecht: Grunddefekt der Demokratie
Anlässlich der jüngsten Wahlen in Großbritannien und Frankreich kurz aufgeflackert und schon wieder in der politischen Versenkung verschwunden: das hochproblematische Mehrheitsprinzip in Gestalt des entsprechenden Wahlrechts.
Das Mehrheitswahrecht hat im politischen System für etwas gesorgt, das in der Mathematik, soweit bekannt, unmöglich ist: Minderheiten werden zu Mehrheiten. Eine Problematik, die an der Oberfläche erkannt, aber bestenfalls technokratisch erörtert, danach abgetan und zu den Akten gelegt wird. Das MWR, aber ganz generell das politische Prinzip der Generierung von Mehrheiten, wird nicht grundsätzlich problematisiert, obwohl es – zusammen mit den daraus folgenden Strukturen des Staatsaufbaus (Föderalismus) und des Regierungssystems (Präsidialsystem) – zu den Grunddefekten der modernen Demokratie gehört.
Frankreich: die Logik des kleineren Übels
Beginnen wir im Frankreich des zweiten Wahlgangs. Bei der Präsidentschaftswahl kommen in den zweiten Wahlgang nur die beiden bestplatzierten Kandidaten des ersten Wahlgangs. Anders ist es bei der Parlamentswahl, bei der alle Kandidaten des ersten Wahlgangs, in dem keine absolute Mehrheit erzielt wurde, noch einmal antreten können. An dieser Stelle erlaubte sich die Linke, um einen Gewinn des Wahlkreises durch den Rassemblement National (RN) zu verhindern, einen Griff in die Trickkiste des MWRs: Alle durchaus erheblichen Differenzen in inhaltlichen Fragen wurden heruntergebügelt, und die Nouveau Front populaire „einigte“ sich auf einen „gemeinsamen“ Kandidaten. Im Ergebnis der beiden Wahlgänge zur Assemblée Nationale zeigt sich, dass der nach Wählerstimmen mit weit über einem Drittel ausgestattete RN nur an dritter Stelle bei der Sitzverteilung gelandet ist. Die politischen Proportionen in der Wahlbevölkerung sind damit zwar nicht auf den Kopf gestellt, aber auch nicht abgebildet.
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