Tom Krebs: "Eine drastische Nachfrage nach Rüstungsgütern wird die Preise nach oben treiben"
Die Reform der Schuldenbremse macht es möglich: Für Militärausgaben gilt künftig "anything goes". Manche Ökonomen erhoffen sich davon ein "olivgrünes Wirtschaftswunder". Der Makroökonom Tom Krebs ist skeptisch.
-----
Tom Krebs nimmt eine Doppelrolle ein: Er ist Professor für Makroökonomik und Wirtschaftspolitik an der Universität Mannheim und gleichzeitig Mitglied der Mindestlohnkommission. Zusammen mit dem Entwicklungsökonom Patrick Kaczmarczyk hat er jüngst eine Studie veröffentlicht, die die Auswirkungen von Militärausgaben auf das Wirtschaftswachstum untersucht. Wir haben mit ihm gesprochen.
------
Herr Krebs, in ihrer Studie sprechen sie von "realwirtschaftlichen trade-offs" zwischen Ausgaben für militärischen und für den zivilen Bereich. Was meinen Sie damit?
Natürlich sind die finanziellen Mittel auch nach der Reform der Schuldenbremse begrenzt. Im Verteidigungsbereich scheint momentan das Motto ‚anything goes‘ zu gelten, aber im Sozial- und Umweltbereich stehen schon Kürzungen im Raum. Und man darf nicht vergessen: Es geht nicht nur ums Geld, sondern auch um reale Ressourcen. Finanzpolitische Entscheidungen haben immer konkrete Folgen.
Was bedeutet das?
Wenn der Staat zum Beispiel große Rüstungsaufträge vergibt, aber für andere Bereiche kein Geld mehr locker macht, dann verschwinden zwangsläufig Industrien wie die Produktion von Windrädern oder Elektroautos in Deutschland. Das ist vor allem im Hinblick auf die langfristige Entwicklung der Wirtschaft kritisch – schließlich müssen wir ja nicht nur für Sicherheit sorgen, sondern auch Lösungen für die Klimakrise finden und hochwertige Arbeitsplätze sichern. Insofern ist das eine ziemlich bedenkliche Weichenstellung.
Sie konstatieren eine schlechte Studienlange in Bezug auf wirtschaftliche Effekte der Militärausgaben für Deutschland. Trotzdem schätzen Sie, dass ein zusätzlicher Euro für militärische Ausgaben bestenfalls 50 Cent zusätzliche gesamtwirtschaftliche Produktion erzeugt, möglicherweise aber auch gar keinen Cent. Auf welchen Überlegungen basiert diese Einschätzung?
Der Hauptgrund für diese eher ernüchternde Bilanz ist eigentlich klar: Die deutsche Rüstungsindustrie ist im Moment schon weitgehend ausgelastet. Gleichzeitig gibt es in diesem Bereich nur wenig Wettbewerb, weil die Vergabeverfahren oft ziemlich intransparent ablaufen. Das führt dazu, dass neue Aufträge nicht unbedingt mehr Produktion bedeuten, sondern vor allem die Preise in die Höhe treiben – und die Gewinne der Hersteller. Dass der Aktienkurs von Rheinmetall seit Beginn des Kriegs in der Ukraine um mehr als das Zwanzigfache gestiegen ist, zeigt ziemlich deutlich: Investoren erwarten hohe Gewinne in der deutschen Rüstungsindustrie, und diese Gewinne lassen sich eben nur durch entsprechende Preissteigerungen realisieren.
In der keynesianischen Theorie gilt: Eine Steigerung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage kann die gesamtwirtschaftliche Produktion anregen. Dieser Effekt müsse momentan besonders groß sein, weil die Produktionskapazitäten rezessionsbedingt unterausgelastet sind.
Dieses Argument ist im Prinzip richtig. Die Auswirkungen von Staatsausgaben auf das Wirtschaftswachstum sind in der Regel in Krisenzeiten größer als in Boomphasen.
Lesen Sie auch:
Europas Rüstung und ihre wirtschaftlichen Folgen
Wolfgang Edelmüller | 20. Mai 2025
„Goldene Rüstungsregel“ statt echter Zeitenwende?
Wolfgang Edelmüller | 27. Mai 2025
Es gibt einige Stimmen, die meinen, dass daher Rüstungsausgaben auch einen besonders großen Effekt hätten.
Zwar befindet sich die deutsche Wirtschaft derzeit in einer Stagnationsphase, aber dies gilt sicherlich nicht für den Rüstungsbereich, wo die Produktionskapazitäten voll ausgelastet sind. Eine drastische Steigerung der Nachfrage nach Rüstungsgütern wird also in der kurzen Frist hauptsächlich die Preise nach oben treiben, und nur einen moderaten Effekt auf die Produktion entfalten.
Was lässt sich zu den langfristigen Effekten von zusätzlichen Rüstungsausgaben sagen? Das Kieler Institut für Weltwirtschaft hält es beispielsweise für realistisch, dass eine Erhöhung der Militärausgaben um ein Prozent die Produktivität der Privatwirtschaft langfristig um einen Viertelprozentpunkt steigert.
Das ist ehrlich gesagt eine gewagte Prognose, vor allem, weil es dafür nur sehr wenig belastbare Belege gibt. Klar, staatliche Forschungsförderung hat in der Vergangenheit oft gute Ergebnisse gebracht, und in den USA war die Förderung militärischer Forschung tatsächlich ein wirtschaftlicher Erfolg. Aber einfach zu schließen, dass das in Deutschland genauso laufen würde, ist schon eine große Annahme. Außerdem gibt es immer Zielkonflikte: Jeder Euro, der in die Militärforschung gesteckt wird, fehlt dann bei der Forschung in Bereichen wie grüner Technologie.