Editorial

Nach dem Sommerloch

| 13. August 2025
@midjourney

Liebe Leserinnen und Leser,

das Sommerloch ist an uns vorübergezogen und die Sommerpause unserer Redaktion ist ebenfalls zu Ende gegangen. Heißt, wir sind wieder für Sie da – und stellen folgende Themen in dieser Woche in den Mittelpunkt:

Adam Raz und Assaf Bondi legen den ökonomischen Mechanismus hinter dem Gazakrieg offen. Hier wird nicht nur militärisch gekämpft, sondern auch wirtschaftlich agiert. Vom lukrativen „reserve duty day“ profitieren nicht nur einzelne Soldaten, sondern ganze soziale Netzwerke, Arbeitgeber und Familien. Wer am Krieg verdient oder indirekt davon profitiert, hat weniger Anreiz, ihn zu beenden. Das Resultat: ein selbstverstärkendes System, das die zivile Wirtschaft aushöhlt und Kritik delegitimiert. Ökonomie als Motor des Konflikts – schonungslos und klar.

Ulrike Simon zeigt, wie China seine Vormachtstellung bei Seltenen Erden als geopolitisches Druckmittel nutzt. Auch bei gelockerten Exportkontrollen bleiben militärisch relevante Lieferungen streng reglementiert. Westliche Rüstungsunternehmen bleiben abhängig, eigene Förderprojekte bringen nur begrenzte Entlastung. Die Abhängigkeit von chinesischer Verarbeitungskapazität bleibt eine strategische Schwachstelle – ein Hebel, den geopolitische Spannungen jederzeit wirken lassen können.

Florian Schaaf nimmt die geplante Kapitalmarktunion unter die Lupe. Trotz jahrelanger Ankündigungen bleibt die Integration der europäischen Finanzmärkte Stückwerk. Unterschiedliche Insolvenz-, Steuer- und Gesellschaftsrechte bremsen grenzüberschreitende Investitionen. Besonders kritisch: die Rückkehr der Verbriefungen, die Bankenlobby und EU-Kommission als Investitionsmotor verkaufen. Studien zeigen: Lockerungen bei Eigenkapital- und Transparenzregeln fördern riskantere Kreditvergaben – der Nutzen für die Realwirtschaft bleibt zweifelhaft. Selbst eine vollendete Kapitalmarktunion könnte nur einen Bruchteil des Investitionsbedarfs für grüne und soziale Transformation decken. Den Rest wird, ob Brüssel will oder nicht, der Staat schultern müssen.

Jörg Bibow analysiert die Lage auf dem US-Immobilienmarkt. Hohe Zinsen, überhöhte Preise und anhaltende Inflation machen Hypotheken unbezahlbar, bremsen Immobilienkäufe aus und erhöhen das Risiko von Kreditausfällen. Die Verwerfungen am Wohnungsmarkt könnten weit über den Sektor hinaus die gesamte US-Wirtschaft treffen.

Alle Artikel dieser Ausgabe:

  • Rettet die Vielfalt! Ein Plädoyer für mehr Eigensinn und Gemeinsinn zugleich. Heinrich Röder
  • Wahl von Verfassungsrichtern: eine Alternativoption Verfassungsrichter werden formell durch Zwei-Drittel-Mehrheiten in Bundestag und Bundesrat bestimmt, informell vorher ausgekungelt. Das Verfahren stößt nun an seine politischen Grenzen. Eine Alternative wäre ein gewichtetes Losverfahren samt Notbremse für Extremkandidaten. Gerd Grözinger
  • Demokratie zwischen liberalem Globalismus und autoritärem Populismus Die Politologen Armin Schäfer und Michael Zürn gehen in ihrem Buch „Die demokratische Regression“ den Gründen für den Erfolg des politischen Populismus nach. Doch einer Kritik der liberalen Globalisierung erteilen sie eine Absage. Martin Höpner
  • Was bringt die Kapitalmarktunion? Mit der Kapitalmarktunion will die EU die europäischen Finanzmärkte vertiefen und Unternehmen zu mehr Kapital verhelfen. Was konkret geplant ist und wie das einzuordnen ist. Florian Schaaf
  • Seltene Erden im Handelskrieg China verbietet den Export von Seltenen Erden für Rüstungszwecke. Was das für die USA und Europa bedeutet. Ulrike Simon
  • Amerikas Immobilienmarkt kriselt Der US-Immobilienmarkt steckt tief in der Krise – mit wachsenden sozialen und wirtschaftlichen Folgen. Wohnraum wird unerschwinglich, der Unmut wächst, das Land steuert auf eine neue Belastungsprobe zu. Jörg Bibow
  • Nur noch Mini-Wachstum in der Eurozone Das Wachstum in der Eurozone bricht auf 0,1 Prozent ein – Handelskonflikt und strukturelle Schwächen sind belastende Faktoren. Die Redaktion
  • Reaktorforschung: Transmutation statt Endlager-Suche? Kann man auch in Deutschland an einem Transuran-Verbrenner forschen? Dirk Tegtmeyer
  • Gazakrieg: Das ökonomische Motiv der Zerstörung Der israelische Reservedienst macht die Teilnahme am Krieg in Gaza nicht nur wirtschaftlich rentabel, sondern auch sozial respektabel. Adam Raz und Assaf Bondi