Seltene Erden im Handelskrieg
China verbietet den Export von Seltenen Erden für Rüstungszwecke. Was das für die USA und Europa bedeutet.
Der Handelskrieg zwischen den USA und China greift seit Frühjahr dieses Jahres auch auf die Seltenen Erden über. China hatte den Export der strategisch wichtigen Rohstoffe stark eingeschränkt, bis im Zuge von Verhandlungen im Juni in bestimmten Punkten Einigung erzielt wurde und die Exportbeschränkungen wieder gelockert wurden. Reuters berichtete, dass Chinas Exporte von Seltenerdmagnete in die USA im Juni auf mehr als das Siebenfache des Mai-Niveaus stiegen. China importierte im Juni 352,8 Tonnen Seltenerdmagnete im Wert von 16,08 Millionen US-Dollar in die USA im Vergleich zu 2,42 Millionen Dollar im Mai.
Die Lockerungen gelten allerdings nur für zivile Zwecke. In aufwändigen und detaillierten Genehmigungsverfahren müssen die Importeure nachweisen, dass die erworbenen Seltenen Erden nicht für Rüstungszwecke und die Luftfahrtindustrie eingesetzt werden. Gleichzeitig führten die chinesischen Behörden strenge Kontrollmaßnahmen ein, um den blühenden Schwarzmarkt mit diesen Produkten einzudämmen.
Desaster für westliche Rüstungsfirmen
Für die westlichen Rüstungsfirmen ist das ein Desaster, wie das Wall Street Journal berichtete. Weltweit kommen ca. 90 Prozent aller Seltenerdmagnete und 85 Prozent der raffinierten Seltenen Erden aus China. Darüber hinaus hatte China schon im Dezember den Verkauf von Germanium, Gallium und Antimon in die USA verboten. Diese Stoffe werden unter anderem zur Härtung von Bleigeschossen und Projektilen sowie für Nachtsichtgeräte verwendet. Laut Daten des Verteidigungssoftwareunternehmens Govini werden mehr als 80.000 der in US-amerikanischen Waffensystemen verwendeten Teile aus den „kritischen“ Mineralien hergestellt, die nun chinesischen Exportkontrollen unterliegen. Fast alle Lieferketten für diese Produkte sind laut Govini von mindestens einem chinesischen Lieferanten abhängig.
Besonders betroffen sind Drohnenhersteller, die für den Krieg in der Ukraine liefern. Denn um zu funktionieren, benötigen leichte Drohnenmotoren Seltenerdmagnete. Bedroht ist auch die Entwicklung des Kampfjets F-47, eines Flugzeugs der 6. Generation, das über 300 Millionen Dollar pro Stück kosten wird. Ohne Seltene Erden kann Boeing es nicht bauen.
Chinas Monopol auf Seltene Erden
Trotz ihres Namens sind Seltene Erden gar nicht so selten. Häufig sind sie Beiprodukte anderer Minenarbeiten. Ihre Gewinnung und Verarbeitung ist jedoch aufwändig und mit hohen Umweltbelastungen verbunden. China hat im Rahmen seiner langfristigen Industrieplanung diese Sparte systematisch entwickelt und ausgebaut. Der Rest der Welt hat sich bisher auf China als Lieferanten verlassen. Nun, da sich der Konflikt zwischen dem Westen und China nicht nur wirtschaftlich, sondern auch rüstungspolitisch zuspitzt, findet sich die westliche Verteidigungsindustrie in einer prekären Lage: sie ist von ihrem „Feind“ abhängig, um die in einer möglichen Auseinandersetzung benötigten Rüstungsgüter herstellen zu können.
Das US-Verteidigungsministerium hat also keine andere Wahl, als in den Bergbau einzusteigen. Es investiert direkt in einige Unternehmen, die zwar Seltene Erden abbauen aber frühestens 2027 liefern können. Und dann auch nur solche Rohstoffe, die noch raffiniert und zu Magneten verarbeitet werden müssen. So zahlte das Ministerium 400 Millionen Dollar für eine Beteiligung an MP Materials, dem Betreiber der größten Seltenerdmine in Amerika. Im ersten Quartal 2025 erzielte das Unternehmen einen Umsatz von 61 Millionen Dollar bei Verlusten von 23 Millionen Dollar.
Da China bereits den globalen zivilen Markt für Magnete erobert hat, kann es diese in großem Umfang und mit Gewinn produzieren. Das US-Unternehmen hingegen wird wahrscheinlich nur einen sehr begrenzten Kundenkreis haben, der sehr hohe Preise zahlen muss.
Europäer werfen China unfaire Handelspraktiken vor
Die chinesischen Exportbeschränkungen erweisen sich auch für die europäischen Aufrüstungspläne als großes Hindernis. Das gilt sowohl für den Erwerb amerikanischer Rüstungsgüter als auch den anvisierten Ausbau der eigenen Verteidigungsindustrie. Auch Europa versucht, Seltene Erden selbst zu gewinnen, andere Bezugsquellen für diese zu finden und den Engpass über verstärktes Recycling zu überwinden, ohne dass dadurch Chinas Vorsprung in absehbarer Zeit aufzuholen wäre.
Zwar wurde bei den Verhandlungen zur zivilen Nutzung Seltener Erden ein Durchbruch erreicht, dennoch blieben die jüngsten Handelsgespräche mit China insgesamt wenig erfolgreich. Trotz aller Kritik und wohlmöglich berechtigter Sorgen – die Europäer werfen China unfaire Handelspraktiken und die Unterstützung Russlands im Ukraine-Krieg vor – lassen sich die Realitäten nicht leugnen: China sitzt am längeren Hebel.
Erstens dominiert China die Versorgung mit schwer zu ersetzenden Rohstoffen nicht nur mit Seltenen Erden, sondern zum Beispiel auch mit Grafit und Batteriematerialien. Zweitens sind chinesische Firmen in Hightech-Sektoren wie Solarenergie, Elektrofahrzeugen und Telekommunikation eine starke Konkurrenz für die europäischen. Durch die Beschränkung des Exports kritischer Ausgangsmaterialien bei gleichzeitiger Bereitstellung fertiger Ersatzprodukte kann China die ausländische Produktion lahmlegen und gleichzeitig seinen eigenen Marktanteil ausbauen.
Analog zur NATO bewertet die EU China als „strategischen Wettbewerber, der unsere Interessen, unsere Werte und unsere demokratische Lebensweise infrage stellt“. Bedeutet der „China-Shock“, dass Europa der wirtschaftlichen Macht Chinas hoffnungslos unterlegen ist, zumindest in einigen – bedeutenden – Branchen? (Wie) ist es möglich, aus einer Position der relativen Schwäche eine souveräne Wirtschaftspolitik zu betreiben? Von der Akzeptanz dieser neuen Realität scheinen die europäischen Politikerinnen und Politiker noch weit entfernt zu sein. Sie wäre aber die notwendige Voraussetzung für eine konsistente Antwort auf eine völlig neue strategische Herausforderung.