„Reformen ohne Eile“
Die Proteste in Kuba sind nicht nur Folge der immer weiter verschärften US-Sanktionen. Auch der ins Stocken geratene Reformprozess bereitete ihnen lange den Boden.
Die Stimmung auf Kuba ist seit längerem angespannt. Seit der letzten Sanktionswelle unter dem ehemaligen US-Präsident Donald Trump 2019 läuft die Inselwirtschaft auf Sparflamme. Damals lösten die gezielte Verfolgung venezolanischer Öllieferungen und neue Finanzsanktionen eine erste Konjunkturdelle aus. Private Geldsendungen aus dem Ausland („Remesas“) wurden weitgehend verboten und im November 2020 musste Western Union sämtliche Filialen auf dem Archipel schließen. Anderthalb Jahre Pandemie mit mehreren Lockdowns (inklusive nächtlicher Ausgangssperre) sowie die in Folge des Tourismus-Ausfalls immer prekärer werdende Versorgungslage haben den Unmut in der Bevölkerung weiter anschwellen lassen.
Die Teil-Dollarisierung des Einzelhandels und die mit Beginn der Währungsreform am 1. Januar steigende Inflation sind Ausdruck der Wirtschaftskrise, in der sich Kuba derzeit befindet. 2020 brach das Bruttoinlandsprodukt um 10,9 Prozent ein, im ersten Halbjahr 2021 gab es einen weiteren Rückgang von zwei Prozent. Mit der erneuten Listung als „Staatssponsor des Terrorismus“ stellten ab Januar 2021 viele Banken ihre Transaktionen mit Kuba ein, nicht wenige ausländische Unternehmen wickeln ihre Geschäfte seither über Bargeldkoffer ab. Das Land befindet sich heute inmitten der tiefsten Rezession seit den 1990er Jahren. Für Biden, der trotz anderslautender Versprechen im Wahlkampf sämtliche Restriktionen seines Vorgängers in Kraft ließ, war Kuba bislang „keine Priorität“.
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