Editorial

Modern Migration Theory?

| 29. August 2024
@midjourney

Liebe Leserinnen und Leser,

willkommen in einer neuen Woche und zu Teil zwei unseres Themenschwerpunkts Migration. Die Republik ist in Aufruhr. Nach dem Bekenntnis des sogenannten Islamischen Staats zum Messerattentat in Solingen diskutiert Deutschland über den weiteren Kurs in der Migrationspolitik.

Angesichts der anstehenden Landtagswahlen ließen Maßnahmen der Bundesregierung nicht lange auf sich warten. Schnell einigte die Ampel sich auf ein „Sicherheits- und Asylpaket“, inklusive einer Verschärfung des Asylrechts und einem teilweisen Messerverbot. Just am Tag der Veröffentlichung dieser Ausgabe hob ein Abschiebe-Flieger Richtung Kabul ab. Die Insassen: 28 verurteilte afghanische Straftäter ohne Bleiberecht in Deutschland.

Auf MAKROSKOP ist die Diskussion oft nicht weniger hitzig als in der Politik. Als Magazin mit vielen Autoren, die als Ökonomen der Modern Money Theory nahestehen, haben wir vor allem einen geld- und finanztheoretischen Zugang zur Migrationspolitik.

Unser Redakteur Sebastian Müller ist skeptisch: Eine Investitionsoffensive und mehr Geld für Kommunen, die MMT-Ökonomen als Mittel gegen den Rechtsruck und Engpässe bei der Unterbringung von Migranten fordern, lösten die Probleme allein nicht. Wolle man den wachsenden Herausforderungen gerecht werden und nach Tragödien wie in Solingen politisch wieder ruhigere Gewässer erreichen, komme man um eine Begrenzung der Migration nicht umhin.

Gleichwohl verstärken Sparpolitik und Schuldenbremse nicht nur den Ressourcenkonflikt zwischen Einheimischen und Einwanderern, wie Müller konstatiert, auch arbeitet die Ökonomin Yeva Nersisyan auf MAKROSKOP heraus, dass „das finanzpolitische „Nullsummenspiel“ fremdenfeindliche Ressentiments schürt.

Anders als Müller sehen sowohl Nersisyan als auch der schwedische Politologe Peo Hansen in der MMT einen Katalysator für eine moderne Migrationstheorie. Die schwedischen Sozialdemokraten vermochten durch die zwischenzeitliche Aufhebung der Sparpolitik arbeitspolitische Erfolge in der Migrationspolitik zu erzielen, die sich laut Hansen sehen lassen können. Dennoch kam 2022 in Schweden eine Rechtsregierung an die Macht. Die Lage in Europa bleibt kompliziert.

Diese und weitere Artikel finden Sie in unserer neuen Ausgabe:

  • Wohnungsnot: Die Kommunen sind der Schlüssel zur Lösung Das selbstgesteckte Ziel von 400.000 neuen Wohnungen wird die Bundesregierung verfehlen. Unsicherheit, hohe Kreditzinsen und gestiegene Preise hemmen die Investitionen in Neubauten. Abhilfe könnte ein Sondervermögen für die Kommunalen Wohnungsbaugesellschaften leisten. Boris Palmer und Marc Roth
  • Amerika hat die Wahl: Bidenomics oder MAGAnomics? Für welche Wirtschaftspolitik stehen die beiden Präsidentschaftskandidaten Trump und Harris? Bislang haben sie nur begrenzt Klarheit geschaffen. Doch die grobe Richtung lässt sich anhand der Vergangenheit ausmalen. Jörg Bibow
  • Warum Afrika den Mattei-Plan ablehnen muss Der Plan für eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen Italien und Afrika klingt wie energiepolitische Kooperation auf Augenhöhe. Doch er droht Abhängigkeiten zu vertiefen und Afrika an den Tropf fossiler Energieträger zu fesseln. Fadhel Kaboub
  • An ihrer Ukraine-Politik droht die EU zu zerbrechen Eine im Juli im EU-Parlament angenommenen Resolution „zur Unterstützung der Ukraine“ richtet die EU kompromisslos auf die Weiterführung des Krieges aus. Nur, kann sich die EU eine solche Politik überhaupt leisten – oder erliegt sie einer gefährlichen Selbstüberschätzung? Von Michael von der Schulenburg und Ruth Firmenich
  • Agenda 2010 reloaded Zu hohe Sozialabgaben belasten die deutsche Wettbewerbsfähigkeit, heißt es in der Wirtschaftspresse. In Wirklichkeit geht es vor allem darum, wer mit der wachsenden Branche der gesundheitlichen und sozialen Dienste ein Geschäft machen kann. Harmut Reiners
  • Die MMT als Katalysator für eine moderne Migrationstheorie Ein Streitpunkt in der Migrationsdebatte ist die finanzielle Belastung für Aufnahmeländer. Können wir uns Zuwanderung leisten? Die Frage nach der Finanzierbarkeit ist jedoch überflüssig. Peo Hansen
  • Löst MMT die Migrationskrise? Ökonomen glauben, Rechtsruck und Migrationskrise einfach mit mehr Geld bekämpfen zu können. Leider ist das zu kurz gedacht. Sebastian Müller
  • Das Nullsummenspiel und der Rechtsruck Den Aufstieg der Rechten erklärt die Linke gerne mit Rassismus. Tiefere Ursachen liegen jedoch im austeritätspolitischen Nullsummenspiel westlicher Regierungen, das Ressentiments gegen Migranten schürt. Yeva Nesisyan