Editorial

Die Schattenseiten der Arbeitsmigration

| 05. September 2024
@midjourney

Liebe Leserinnen und Leser,

willkommen in einer neuen Woche. Am 14. November 1955 schreibt Bundeskanzler Konrad Adenauer an seinen Arbeitsminister Anton Storch, „die Verengung des Arbeitsmarktes“ sei „eine der entscheidenden Ursachen für die ständigen Lohnforderungen der Gewerkschaften“. Adenauer hält es „für dringend erforderlich, ein geschlossenes Programm zu entwickeln, das geeignet ist, einer solchen die gesamte Volkswirtschaft bedrohenden Entwicklung entgegenzuwirken.“ Gemeint ist der Einsatz ausländischer Arbeitskräfte. Es ist der Beginn einer Arbeitsmarktpolitik, die seither nicht nur die Bundesrepublik bestimmt, sondern in Folge mit der Arbeitnehmerfreizügigkeit auch die der Europäischen Union.

Doch was mittlerweile gemeinhin als Erfolgsmodell gepriesen wird, hat seine Schattenseiten. „Massenmigration ist Ausdruck von Ungleichheit“, schreibt Hannes Hofbauer, der ihre sozio-ökonomischen Folgen auf MAKROSKOP beleuchtet. Es sei kein Zufall, dass es von den Anwerbeabkommen der 1950er Jahre bis zu Merkels Willkommensgruß in 2015 – dem Peter Grassmann ein kritisches Nachwort widmet – immer die Unternehmerseite war, die die Arbeitsmigration angeschoben hat. Umso bemerkenswerter, dass ausgerechnet die Linke sich beharrlich sträubt, die Funktion der Migration im Prozess der Kapitalverwertung zu benennen.

Werner Vontobel erweitert den Tellerrand um eine makroökonomische Perspektive: „Je mobiler die Arbeit, desto geringer ihr volkswirtschaftlicher Nutzen“. Die Sieger des Standortwettbewerbs könnten sich längst nicht mehr damit begnügen, ihre demographische Lücke zu schließen, und den Mangel an Fachkräften zu beheben. Vielmehr seien sie zu immer mehr Zuwanderung gezwungen, deren Folgen noch gar nicht abzusehen sind.

Diese und weitere Artikel finden Sie in unserer neuen Ausgabe:

  • Wer hat Angst vor Sahra Wagenknecht? Deutschlands "Linkskonservative" hat den Populismus neu definiert. Thomas Fazi
  • Der Sozialstaat im Griff privater Investoren Über vierzig Jahre der Privatisierung und Liberalisierung sind an Deutschland nicht spurlos vorübergegangen. Mit dem Argument, sie seien billiger und effizienter, hat man privaten Anbietern sozialer Dienstleistungen den roten Teppich ausgerollt. Die Folgen sind verheerend. Patrick Schreiner
  • Die Merz’sche „Zeitenwende“ muss warten Für die deutschen Probleme in der Asyl- und Migrationspolitik gibt es keine schnelle Lösung. Denn die dafür nötigen EU-Reformen brauchen viel Zeit. Nationale Alleingänge sind kaum mit europäischem Recht vereinbar und würden die Krise noch mehr verschärfen. Eric Bonse
  • Die Toröffnerin Zur Langzeitwirkung der Grenzöffnung durch die ehemalige Kanzlerin. Peter Grassmann
  • Arbeitsmigration als Quelle des Wohlstands? Arbeitsmigration aus der osteuropäischen Peripherie hält ganze Sektoren im Westen am Leben. Ein Beispiel dafür ist das Gesundheitswesen. Der volkswirtschaftliche Schaden für die Herkunftsländer ist enorm. Hannes Hofbauer
  • Je mobiler die Arbeit, desto geringer ihr wirtschaftlicher Nutzen Die Zu- und Abwanderung von Fachkräften hat für alle Beteiligten schwerwiegende Nachteile. Die zu hohe Arbeitsmobilität vernichtet Wohlstand. Werner Vontobel
  • Deutsche Schuldenängste und versäumte Investitionen Generationengerechtigkeit, Wachstumsfeindlichkeit oder Crowding Out – die Staatsverschuldungskritiker haben eine Reihe von Einwänden. Sie erweisen sich jedoch als schwach oder schlicht falsch. Jakob Steffen
  • Warum ist Bidenomics nicht populärer? Bidenomics war ein Erfolg. Doch Bidens Wirtschaftspolitik haftet ein schweres Inflationsmanko an. Aus diesem Schatten muss sich Kamala Harris lösen, um Bidenomics die gebührende Popularität zu verleihen. Jörg Bibow
  • Ernstfall Frieden Heribert Prantls neues Buch „Den Frieden gewinnen – die Gewalt verlernen“ leitet durch verschlungene und spannende Pfade der menschlichen Geschichte und Kultur. Mit dem Ziel einer neuen Zeitenwende. Ulrike Simon